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Zum journalistischen Leitbild von t-online.TV-Gruppe schluckt Magazine Das bedeutet die RTL-Übernahme für "Stern", "Geo" und Co.
Große Aufregung in der deutschen Medienlandschaft: Die RTL-Gruppe übernimmt die Magazine von "Gruner+Jahr", also etwa den "Stern" oder die "Brigitte". Was das für die Hefte heißt.
Man wolle im zweiten Halbjahr entscheiden, wie die stärkere Zusammenarbeit aussehe, hieß es von der RTL-Gruppe und dem Verlag "Gruner+Jahr", beide Teil des Bertelsmann-Konzerns, Anfang des Jahres. Gesagt, getan:
Am Freitag gaben die beiden Medienriesen bekannt, dass die Magazine des "G+J"-Verlag, Zeitschriften wie der "Stern" oder die "Brigitte", den Eigentümer wechseln – und künftig der TV-Gruppe RTL gehören.
In der Medienbranche sorgt die Nachricht für viel Aufsehen. Doch was heißt die Übernahme letztlich genau, für die Magazine, RTL, ihre Zuschauer und Leser? Und warum ist zurzeit überhaupt so viel Bewegung in der Medienlandschaft? t-online erklärt es Ihnen.
Was für ein Konzern ist die Bertelsmann-Gruppe?
Die Bertelsmann-Gruppe ist einer der größten Medienkonzerne der Welt. Bertelsmann, die als kleiner Verlag aus Gütersloh im Jahr 1835 anfing, steht mittlerweile hinter zahlreichen Firmen und Medienmarken:
- Gruner+Jahr, einem der größten europäischen Verlage mit Zeitschriften wie "Stern", "Brigitte", "Geo", "Capital", "Business Punk" oder "Chefkoch".
- Penguin Random House, der größten US-Verlagsgruppe, die etwa die Bücher des früheren US-Präsidenten Barack Obama und seiner Frau Michelle herausgibt.
- BMG, ein Musikverlag und Plattenlabel, das unter anderem die Rechte an Werken der Rolling Stones, David Bowie, Iggy Pop oder Nena hält.
- Arvato, einem Finanzdienstleister
- Außerdem hält der Bertelsmann-Konzern eine Dreiviertel-Mehrheit an der RTL-Gruppe, zu der nicht nur der gleichnamige Fernsehsender gehört, sondern etwa auch die Programme n-tv, Vox, Nitro oder Super RTL. RTL steuert in der Umsatzbilanz im Vergleich zu anderen Sparten den größten Anteil bei. Durch die Übernahme bleibt der "G+J"-Verlag also letztlich im Bertelsmann-Konzern.
- Darüber hinaus agiert der Konzern im Druckbereich und steuert mehrere Bildungsdienstleister, etwa den US-Anbieter Relias.
Der weltumspannende Konzern verzeichnete im Corona-Jahr 2020 einen Gesamtumsatz von rund 17,3 Milliarden Euro. Die Pandemie konnte der Konzern gut wegstecken, weil er so breit aufgestellt war.
Warum übernimmt RTL die Gruner-Zeitschriften?
Als Antwort auf diese Frage kommen zwei Erzählungen infrage, eine offizielle und eine eher inoffizielle. Zunächst die offizielle: RTL und die Bertelsmann-Gruppe, zu der sowohl der Fernsehsender RTL als auch "Gruner+Jahr" gehören (siehe oben), will durch den Zusammenschluss einen "nationalen Champion" in der deutschen Medienlandschaft entwickeln.
RTL-Chef Thomas Rabe geht es dabei nach eigenen Aussagen vor allem um den "wachsenden Wettbewerb" mit Streaming-Plattformen aus den USA wie Netflix und Amazon Prime, die mit RTL um Zuschauer konkurrieren. Seine Wunschvorstellung: Mehr Größe bedeutet mehr Kraft, um mit mehr Reportern, Redakteuren und Produzenten journalistische Inhalte und Formate zu entwickeln, die sich dann sowohl bei RTL ausstrahlen als auch in den Magazinen wie dem "Stern" drucken lassen.
Womit wir bei dem Teil wären, den RTL, Gruner und Bertelsmann im Zuge der Übernahme weniger deutlich betonen: Bei dem Zusammenschluss dürfte es auch um das gehen, was im Manager-Sprech gern "Synergien" genannt wird, also Kostenersparnisse, Zusammenlegungen von Redaktionen, womöglich ein Stellenabbau.
Unlängst sorgte bereits für Aufsehen und Kritik, dass "G+J" das Politikressort des "Sterns" aus Hamburg nach Berlin verlegt, um es dort mit der Redaktion des Wirtschaftsmagazins "Capital" zu vereinen. Der Grund: Die Leitung des neuen Hauptstadtbüros liegt nun bei "Capital"-Chefredakteur Horst von Buttlar. Beim "Stern" fürchten deshalb viele Redakteure, ihrem Blatt werde die Eigenständigkeit in der politischen Berichterstattung geraubt.
Zwar sind ähnliche Schritte für eine engere Verzahnung mit den Redaktionen von RTL derzeit noch nicht bekannt. Jedoch halten es Medienbeobachter angesichts der Übernahme für nicht unwahrscheinlich, dass Fernsehjournalisten von RTL künftig auch mit Print- und Online-Redakteuren von den "G+J"-Magazinen gemeinsam arbeiten sollen.
Was bedeutet die Übernahme für "Stern", "Geo" und Co.?
Für die "Gruner+Jahr"-Magazine könnte die Übernahme durch RTL auf lange Sicht womöglich die letzte Rettung vor dem Aus darstellen. Denn: Die Auflagen der gedruckten Hefte, insbesondere die des "Sterns", sind in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen, die Magazine werfen für den Verlag immer weniger Geld ab. Seit Langem gibt es in der Belegschaft von "Gruner+Jahr" deshalb Gerüchte, die Magazine könnten über kurz oder lang wegen zu geringer Profitabilität eingestellt werden.
Mit der Übernahme durch RTL ließe sich dieser Schritt womöglich abwenden. Der Fernsehsender, so sehen es Experten, könnte künftig durch seine großen Werbeeinnahmen die Hefte und dazugehörigen Redaktionen querfinanzieren.
Der Sender wiederum könnte davon profitieren, dass Reporter der Magazine die Ergebnisse ihrer Recherchen nicht nur in gedruckten Artikeln veröffentlichen, sondern sie "cross-medial" auch für Fernsehformate zur Verfügung stellen.
Genau in dieser Zusammenarbeit jedoch könnte für die Magazine auch eine Gefahr lauern. Kritiker, auch innerhalb der Redaktionen, befürchten, dass die Qualität der Magazine weiter leiden könnte. Hintergrund dafür ist auch der Ruf, der RTL anhaftet und von dem sich der Sender in jüngster Zeit lösen will: Während etwa der "Stern" als Marke seit jeher für seriösen, ausgeruhten Journalismus steht, handelt es sich bei RTL um einen Sender, der eher klassischen Boulevardmedien wie "Bild" oder dem "Express" gleicht.
Sollte der inhaltliche Einfluss von RTL auf die Magazine wachsen, so etwa die Angst unter den eher älteren "Stern"-Redakteuren, dürfte auch der "Stern" boulevardesker werden, viel von seinem einstigen Nimbus einbüßen – und womöglich weitere Leserinnen und Leser verlieren.
Weshalb ist in der Medienlandschaft gerade so viel Bewegung?
Weil der Druck immens hoch ist: Auf Leser prasseln im Internet vielfach Nachrichten ungefiltert ein, über Facebook, WhatsApp, Google. Immer weniger Menschen kaufen sich deshalb noch Printzeitungen und Magazine, die deshalb seit Jahren mit Auflagenverlusten kämpfen – und damit verbunden Einbußen bei den Verkaufserlösen und im Anzeigengeschäft.
Zwar sind viele Zeitungen in der jüngsten Vergangenheit darauf umgestiegen, für ihre Angebote im Netz anders als früher Geld zu verlangen. Diese Online-Bezahlmodelle gleichen die Verluste aus dem Print-Anzeigengeschäft vielerorts – bislang – jedoch kaum aus. Auch kostenfreie Nachrichtenportale ohne Bezahlschranke wie auch t-online setzen Medien mit teuren Printausgaben unter Druck.
An vielen Stellen wird deshalb gespart. Erst im September vergangenen Jahres strich etwa die "Süddeutsche Zeitung" bis zu 50 der rund 500 Redaktionsstellen, um die Kosten zu drücken. Andernorts werden Redaktionen verschiedener Medien zusammengelegt, die einst kaum Berührungspunkte hatten: So schreiben etwa Redakteure des "Berliner Verlags" gleichzeitig Artikel für die seriöse "Berliner Zeitung" sowie für den Boulevard-Titel "Berliner Kurier".
Auch in der Fernsehlandschaft ist Bewegung
Auch in der TV-Landschaft ist im Moment viel Bewegung: Hier müssen sich vor allem die privaten Sender gegen Onlineangebote und Streamingdienste wie YouTube, Netflix oder Amazon Prime Video durchsetzen.
Zuletzt kündigte auch die "Bild"-Zeitung des Berliner Axel-Springer-Verlags einen eigenen Fernsehsender samt Rundfunkzulassung an, der Ende August den Betrieb aufnehmen soll: "Bild TV" lässt sich bislang nur online empfangen.
Und auch die RTL-Gruppe stellt sich gerade neu auf: So kündigte sie Ende Juni an, sich nach 33 Jahren aus dem belgischen Fernsehmarkt zurückzuziehen. Zurzeit richtet sich RTL auch in weiteren europäischen Ländern neu aus. Ziel ist es, starke Player im Medienmarkt zu haben, um den internationalen Streaming-Wettbewerbern lokal etwas entgegensetzen zu können.
Auch Konkurrent ProSiebenSat.1 will sich mit lokalen und Liveformaten gegen die US-Plattformen behaupten. Erst am Donnerstag verkündete die TV-Gruppe starke Zahlen; das Werbegeschäft war im ersten Quartal kräftig gestiegen.
- Eigene Recherche
- bertelsmann.de
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa