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Kritik an Italien-Abzug: Fiat leitet "Operation der Verarmung" ein


Kritik an Abzug aus Italien
Fiat leitet "Operation der Verarmung" ein

Von dpa-afx, t-online
Aktualisiert am 30.01.2014Lesedauer: 3 Min.
Fiat hatte den Autobauer Chrysler Mitte Januar vollständig übernommenVergrößern des Bildes
Fiat hatte den Autobauer Chrysler Mitte Januar vollständig übernommen (Quelle: imago/Stockhoff)

Der Autobauer Fiat verlässt nach der vollständigen Übernahme von Chrysler sein Heimatland Italien - zumindest rechtlich. Aber warum? Das Ziel könnte eine "massive Senkung der Steuerlast" sein, sagte der Steuerrechts-Experte Lorenz Jarass im Gespräch mit t-online. de. Italiens größte Gewerkschaft kritisiert die Steuerflucht als "Operation der Verarmung".

Für Sergio Marchionne ist es ein Tag zum Feiern. "Wir haben ein Projekt zu Ende gebracht, das wir 2009 begonnen haben", sagt der Manager, als er am Mittwoch die Geburt von Fiat Chrysler Automobiles verkündet. Dabei hatten viele in der Branche die zwei Autobauer schon für tot erklärt. 2009 konnte Chrysler nur dank Staatshilfe überleben - und ausgerechnet der ewig kränkelnde Rivale Fiat stieg als Retter ein.

Doch Marchionne gelang es in mühevoller Kleinarbeit, die Hersteller wieder auf die Beine zu bringen und zu verschmelzen. Herausgekommen ist ein überaus internationaler Autokonzern: Die Rechtsform ist niederländisch. Der steuerliche Sitz liegt in Großbritannien. Die Aktien werden in New York und zusätzlich in Mailand gehandelt. Werke stehen in Europa, in Nord- und Südamerika.

Fiat kann Steuerlast nun deutlich senken

Wer sich über dieses Geflecht wundert, kennt noch nicht die Vielfalt der Steuergesetze weltweit. Die bieten internationalen Konzernen so viele Möglichkeiten der "aggressiven Steuervermeidung", das am Ende kaum noch Abgaben gezahlt werden. Firmen wie Apple oder Google standen deswegen in der Kritik.

Ob Fiat nun ähnlich handelt, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall sind optimale Voraussetzungen zur Steuervermeidung geschaffen, urteilt Lorenz Jarass, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule RheinMain und Experte für internationales Steuerrecht.

Denn die Niederlande locken mit dem Modell einer "Lizenzbox". Dorthin können konzernintern hohe Lizenzgebühren fließen. Das schmälert den zu versteuernden Gewinn in Ländern mit höherer Steuer - und die Niederlande verlangen von dem einfließenden Kapital nur magere drei Prozent Abgaben. In Italien dagegen beträgt die normale Unternehmenssteuer derzeit 31,4 Prozent.

Ein steuerrechtlicher Sitz in Großbritannien bietet weitere Vorteile. "Aus dem Ausland zufließende Kapitalerträge können durch entsprechende Steuerplanung steuerfrei gestellt werden", erläutert Jarass.

Größe soll Fiat vor Risiken schützen

Die neue Konstruktion soll Fiat Chrysler auch helfen, gegen wesentlich größere Rivalen wie Volkswagen, die Opel-Mutter General Motors oder Toyota zu bestehen. Denn Größe ist zumindest auf dem Massenmarkt alles: Höhere Stückzahlen bedeuten einen günstigeren Einkauf, eine bessere Auslastung der Fabriken und geringere Entwicklungskosten pro Fahrzeug. Größere Konzerne können es auch leichter verkraften, wenn in einem Teil der Erde die Verkäufe mal schwächeln.

Genau das ist das Kernproblem der alten Fiat: Es läuft in Europa mau und seit kurzem auch im wichtigen lateinamerikanischen Markt. Ohne die Tochter Chrysler mit ihren glänzenden Verkäufen in den USA hätte der italienische Autobauer im vergangenen Jahr einen kräftigen Verlust eingefahren.

Fiat Chrysler enttäuscht Anleger gleich zu Beginn

An diesem Kernproblem wird sich auch nach der Fusion zunächst einmal wenig ändern. Fiat Chrysler enttäuschte die Börsianer gleich zu Beginn mit einer Gewinnprognose für das laufende Jahr, die unter den einstigen Plänen liegt. "Uns fehlen 50.000 Autos", sagte Marchionne. Auch wird es keine Dividende geben, um die Kasse zu schonen. Diese ist durch die Komplettübernahme von Chrysler geschröpft.

Italiens Staatschef: Firmensitz "absolut zweitrangig"

Mit einer Mischung aus Resignation und Ungewissheit nimmt Italien, das einst stolze Mutterland des traditionsreichen Turiner Autobauers, die dynamische Entwicklung auf, die der Fiat-Chef über die Jahre vorangetrieben hatte. Als "absolut zweitrangig" bezeichnete der italienische Regierungschef Enrico Letta die Frage des Firmensitzes für den globalen Akteur. "Wichtig sind die Arbeitsplätze, die Zahl der verkauften Autos, die Wettbewerbsfähigkeit." Die Italiener sollten also stolz darauf sein, dass eine große Marke ihres Landes es geschafft hat, zum wirklichen Weltkonzern aufzusteigen.

Das hat der Fiat-Verwaltungsrat in seiner historischen Sitzung am bisherigen Firmensitz in Turin den Gewerkschaften bereits an die Pinnwand geschrieben: An der Mission ändere sich nichts, "das schließt Produktionsstätten in Italien und sonstwo auf der Welt ein, ohne Auswirkungen auf die Beschäftigung."

Die Italiener bleiben skeptisch

Anfang Mai will der neue Konzern dann genauer sagen, welche Strategie zum Erfolg führen soll. Der Bürgermeister von Turin, Piero Fassina, vertraut Marchionne wohl, dass dieser weiter in Italien investiert. Doch die Gewerkschaften sind skeptisch. Federico Bellono von der Fiom-Gewerkschaft befürchtet, "dass Italien so stärker an den Rand gedrängt wird". Sein Kollege Michele De Palma prangert die Regierung in Rom an: "Sie tut, als wäre nichts gewesen."

Den noch in einer anhaltenden Rezession steckenden Italienern bleiben damit die Bauchschmerzen, wie es in ihrem Land mit der tiefen Flaute bei den Autokäufen nun weitergeht. Die mächtige italienische CGIL-Gewerkschaftsführerin Susanna Camusso kritisierte: "Es ist beunruhigend zu sehen, dass eine Gruppe wie Fiat dazu übergeht, Steuern in einem anderen Land zu bezahlen, um damit eine weitere Operation der Verarmung einzuleiten." Experten haben Werksschließungen als eine Folge der Entwicklung in Italien nicht ausgeschlossen.

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