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Zyperns Erzbischof Chrysostomos II.: Missionar wider den Euro


Konjunktur
Zyperns Erzbischof Chrysostomos II.: Missionar wider den Euro

Von spiegel-online
10.04.2013Lesedauer: 3 Min.
Zyperns Erzbischof Chrysostomos II.Vergrößern des Bildes
Zyperns Erzbischof Chrysostomos II. (Quelle: dpa-bilder)

In Zypern wächst die Anti-Euro-Stimmung - und Erzbischof Chrysostomos II. verstärkt sie nach Kräften. Seine orthodoxe Kirche verfügt im Land über viel wirtschaftliche Macht und will auch ihren politischen Einfluss ausweiten. Ein gefährliches Spiel.

Auf Fotos inszeniert er sich als Herrscher. Kürzlich zeigte sich Chrysostomos II., Oberhaupt der zyprischen Kirche, bei einem Militärempfang. In vollem Ornat schritt er an strammstehenden Soldaten vorbei, sein schwarzes liturgisches Gewand verschluckte seine Füße, eine Sonnenbrille verbarg seine Augen. In der Hand hielt er ein Zepter, das die weltliche Macht der Kirche symbolisiert. Neben Chrysostomos II. ging Nikos Anastasiades, der Präsident, und winkte.

Exponierte Rolle für Zyperns Erzbischof

Es war nur eine Momentaufnahme, doch sie stellte die Welt dar, wie sie seine Heiligkeit, der Erzbischof von Nova Justiniana und ganz Zypern, gern sieht. Es ist eine Welt, in der das geistliche Oberhaupt der Zyprer, also er, auch in weltlichen Belangen eine exponierte Rolle spielt.

In dieser Welt tritt Chrysostomos II. als Geld-Messias auf, der dem Präsidenten beim Morgenkaffee die reichhaltigen Besitztümer der Kirche als Pfand anbietet gegen den drohenden Staatsbankrott. In dieser Welt fungiert ein 71-jähriger Oberpriester als Polit-Berater, empfiehlt in Interviews, den Finanzminister auszuwechseln - und es geschieht.

Name des Erzbischofs bedeutet Goldmund

Chrysostomos ist griechisch und bedeutet Goldmund. Was zu einem Erzbischof passt, der die Medien liebt und der kaum eine Gelegenheit auslässt, seine politische und wirtschaftliche Bedeutung zu unterstreichen. Nun geriert sich der Kirchenmann als Missionar, der sich anschickt, die Euro-Irrgläubigen zu bekehren. Angesichts der "Genies in Brüssel" sei die Gemeinschaftswährung zum Scheitern verdammt, ätzte er kürzlich in einem Interview mit der griechischen Zeitung "Realnews". Es sei besser für Zypern, den gemeinsamen Währungsraum zu verlassen.

Es geht ihm nicht nur um das Allgemeinwohl der Zyprer. Sondern auch darum, dass die Welt ein wenig mehr so wird, wie er sie sich ausmalt.

Staats- und Wirtschaftsmacht Kirche

Zyperns erster Präsident war ein Erzbischof. Er hieß Makarios III., war der Vorvorgänger von Chrysostomos II. und regierte das Land ab 1960. Er führte es in die Unabhängigkeit, in den Krieg gegen die Türken. Als Zypern 1974 in zwei Staaten zerfiel, einen türkischen und einen griechischen, wurde seine Ägide kurz unterbrochen. Dann herrschte er erneut, über den griechischen Teil, bis 1977, bis zu seinem Tode.

Danach bekam die Republik Zypern ihren ersten weltlichen Präsidenten, und die Macht der Kirche verblasste. Zu sagen hat sie heute nur noch etwas in der Bildungspolitik. Chrysostomos II. will das ändern. "Er will seinen Einfluss ausbauen", sagt Hubert Faustmann von der Universität Nikosia, einer der exponiertesten deutschsprachigen Zypern-Kenner. Chrysostomos II. wäre gerne mehr wie Makarios III. Und er sieht in der Anti-Euro-Rhetorik ein probates Mittel, diesem Ziel näherzukommen.

Zypern: Frustration wächst

Denn die Frustration im Land wächst. Auf den Straßen von Nikosia demonstrieren Jugendliche gegen Europas Krisenpolitik und gegen Angela Merkel. Und laut einer Umfrage des zyprischen TV-Senders Sigma wünschten sich Mitte März zwei Drittel der Bevölkerung den Austritt aus der Eurozone.

Hinter dem Vorstoß des Erzbischofs stecken zudem wirtschaftliche Interessen. Denn die Kirche ist auf Zypern auch ein Mischkonzern, der Anteile an der Bierbrauerei Keo hält, am Fernsehsender Mega TV, an der Vassiliko-Zementfabrik, an Hotels und Apartments und an der Hellenic Bank. Dazu ist die Kirche der größte Grundbesitzer des Landes. Den Wert all ihrer Besitztümer beziffert sie auf derzeit 2,4 Milliarden Euro.

Kirche hat viel Geld verloren

Wenn Chrysostomos II. gegen den Euro wettert, dann geht es ihm auch darum, sein Wirtschaftsimperium zu schützen. Schon jetzt hat die orthodoxe Kirche rund hundert Millionen Euro verloren. Sie hatte strategische Investments in die größten Banken des Landes getätigt. Die Aktien der Laiki Bank werden inzwischen mit null Euro bewertet, Anteile der Bank of Cyprus vom Handel ausgesetzt. Weitere Verluste dürften folgen, denn Zyperns Wirtschaft droht der Absturz. Wirtschaftszweige wie der Tourismus oder der Bausektor, in denen die Kirche engagiert ist, werden leiden.

Politischer Trittbrettfahrer

Die Motive von Chrysostomos II. sind durchsichtig. Weniger klar ist, wie groß sein Einfluss ist. Zypern-Kenner Faustmann hält den Erzbischof für einen "politischen Trittbrettfahrer, dem Charisma und politische Intelligenz fehlen". Er allein könne keinen politischen Druck aufbauen, "aber er kann bestehende Stimmungen verstärken".

Einen Euro-Austritt wird es wohl nur geben, wenn sich in der Bevölkerung und unter den Eliten der Eindruck durchsetzt, dass ein Staatsbankrott besser ist als die strukturelle Dauerverschuldung. Das ist derzeit ein eher unwahrscheinliches Szenario. Zumindest solange der Präsident im Amt bleibt, der sich klar zur Gemeinschaftswährung bekannt hat.

Chrysostomos II. könnte von Krise profitieren

Die Wut auf die Euro-Retter aber dürfte wachsen, wenn sich die Wirtschaftskrise vertieft, wenn lokale Firmen pleitegehen und die Zahl der Arbeitslosen steigt. "Wenn sich die politische Elite in dieser Phase weiter selbst diskreditiert", sagt Faustmann, "wird Chrysostomos II. punkten."

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