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Deutschland: Die Politik will die Bürger mit dem Klimapaket bestechen


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CO2-Kompromiss
Die Politik will die Bürger mit dem Klimapaket bestechen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 24.09.2019Lesedauer: 3 Min.
Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Vorstellung des Klimapakets: Die Bundesregierung hat die Chance verpasst, eine schnell wirksame CO2-Steuer zu verabschieden, meint unsere Kolumnistin.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Vorstellung des Klimapakets: Die Bundesregierung hat die Chance verpasst, eine schnell wirksame CO2-Steuer zu verabschieden, meint unsere Kolumnistin. (Quelle: Christoph Soeder/dpa)
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Die Maßnahmen der Regierung gegen die Klimakrise werden scharf kritisiert. Doch Punkte

Gucken wir doch einmal auf das Gute des deutschen Klimakompromisses und der Demonstrationen vom Freitag und der Konferenz der Vereinten Nationen in dieser Woche: Gut ist, dass der Streit um Klimaschutz jetzt laut, kontrovers, und lebendig geführt wird.

Gut ist auch, dass er in den Familien, in der Stadt und auf dem Land, in der Wissenschaft und in der Politik mit einer Ernsthaftigkeit stattfindet, die dem Thema angemessen ist. Das ist schon etwas. Daraus nun eine Politik zu machen, die der Bedeutung des Themas ebenfalls gerecht wird, ist die Aufgabe der kommenden Monate und Jahre.

Kritiker des Klimakompromisses haben Recht

Das Schlechte des Klimakompromisses vom Freitag wurde am Wochenende bereits ausführlich kommentiert. Die Kritiker haben Recht: Die Pläne sind zu kleinteilig und zu unentschlossen. Sie haben eher symbolischen Charakter als tatsächliche Steuerungswirkung. Statt auf einen realistischen CO2-Preis zu setzen, sollen viele kleine neue Förderprogramme die Sache fürs Erste richten. Doch das kann man ändern.

Vielleicht wird diese Bundesregierung in den kommenden zwei Jahren vor den nächsten Bundestagswahlen die Kraft dazu nicht mehr aufbringen. Sicher aber wird die nächste handeln müssen. Klimaschutz wird im Wahlkampf für die Bundestagswahlen des Jahres 2021 eine überragende Rolle spielen. Das ist wichtig. Denn alles, was in den kommenden Jahren beschlossen wird, braucht eine deutliche und vor allem eine neue demokratische Legitimation. Auf das Mandat der Straße darf sich ein demokratisches Gemeinwesen dabei nicht verlassen.

Fördermaßnahmen sollen Bürger bestechen

Schauen wir also in die Details: Die am Freitag vorgestellten Fördermaßnahmen atmen den Geist einer Politik, die den Bürger erst mal bestechen will, bevor sie ihn überzeugt. Es gibt mehr Förderung für Elektro-Autos, für umweltfreundliches Heizen im Winter, für Bahnfahrten. Die politische Wette dazu heißt: Wenn diese Maßnahmen wirken, wächst in den kommenden zwei, drei Jahren auch die Zahl derer, die sich als Teil der neuen klimafreundlichen Welt fühlen dürfen. Nur diese Bürger werden später auch weitergehende Maßnahmen zum Klimaschutz akzeptieren, vielleicht sogar aus Überzeugung.

Wenn der Plan aufgeht, werden die tatsächlich spürbaren Anstrengungen zum Klimaschutz zwar erst in vier, fünf Jahren beginnen. Erst dann wird der CO2-Preis die Mobilitäts- und Lebensentscheidungen der Bürger beeinflussen. Doch dann wird er auf eine Gesellschaft treffen, die mehrheitlich darauf vorbereitet ist. Und: Bis dahin wird technischer Fortschritt hoffentlich einige Maßnahmen billiger, viele Einschnitte weniger dramatisch, und neue, klimafreundliche Produkte erschwinglicher erscheinen lassen.

Klimakompromiss spiegelt ein Dilemma wider

Das ist entscheidend. Damit die Spaltung zwischen arm und reich, Land und Stadt, jung und alt über den Klimaschutz nicht noch größer wird, dürfen die Bürger nicht radikal überstimmt, sie müssen für einen neuen Weg gewonnen werden. "Zuhören", "abholen" und "mitnehmen" reichen für derart weitreichende Entscheidungen nicht. Die Bürger müssen sich entscheiden können.

Bisher ist nämlich trotz aller Demonstrationen, trotz heißer Sommer und ausführlicher Klimakonferenzen die Mehrheit immer noch gegen eine CO2-Steuer und höhere Spritpreise. Die Deutschen buchen schöne Fernreisen und kaufen dicke Autos. Sie finden, für das Klima braucht es einen weltweiten Konsens, und zuallererst müsste der Regenwald in Brasilien gerettet werden. Beides hat den Vorteil, dass es schön weit weg ist. Der Klimakompromiss vom Freitag spiegelt genau dieses Dilemma wider.

Bundesregierung hat ihre Chance verpasst

Nur: Die Klimakarenz, die die Bundesregierung sich und ihren Bürgern gönnt, hat hässliche Leerstellen. Denn erstens wird der Anschein erweckt, die Bundespolitik könnte die neu beschlossenen Maßnahmen effizient zu einem großen Ganzen zusammensteuern. Das kann sie nicht.

Schon das bisherige Hauptinstrument, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), hat zwar seit der Jahrtausendwende einen Boom der Erneuerbaren in der Energieversorgung ausgelöst.

Ähnlich verhält es sich mit den bisherigen Förderprogrammen zur Wärmedämmung, zu klimafreundlichen Heizungssystemen, oder zu Elektro-Autos. Alle Maßnahmen zusammen haben viel gekostet – im kommenden Jahren werden allein rund 30 Milliarden für die Förderung von Wind- und Sonnenstrom fällig.

Nur den CO2-Ausstoß hat es nicht gesenkt. Es spricht wenig dafür, dass die neuen Ideen besser funktionieren. Das System ist jetzt schon zu kompliziert, es ist voller Widersprüche und Dopplungen.


Die Bundesregierung hätte die Chance gehabt, sich mit einer schnell wirksamen CO2-Steuer aus diesem Tohuwabohu zu verabschieden. Sie hat die Gelegenheit verpasst. Das ist die wirkliche Niederlage für den Klimaschutz. Alles andere – Tempo, Preis, Verfahren – kann man nachsteuern. Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl. Mit einem klaren demokratischen Mandat.

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