Anzeichen unübersehbar Darum ist es mit dem Immobilienboom bald vorbei
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Warum die Wohnungspreise in den kommenden Jahren zurückgehen – und wo Mieter und Kaufinteressierte noch ein bisschen länger warten müssen.
Traumhaus in Frankfurt/Main gefällig? Wenn Sie 2,8 Millionen Euro mitbringen, könnte die 365 Quadratmeter-Jugenstilvilla in Sachsenhausen mit Stuckelementen an den Decken und einer winzigen Terrasse schon bald Ihnen gehören. Sie würden gern einmal an der Münchner Maximilianstraße wohnen? Kein Problem. Die 4-Zimmer-Wohnung im Palais an der Oper ist für knapp 10.000 Euro warm pro Monat zu haben, Aufzug, Dampfdusche und Fischgrätparkett inklusive.
Teurer, heller, citynäher. In München, Hamburg, Frankfurt und Berlin scheint der Immobilienboom immer weiterzugehen. Scheinbar gibt es keine Grenze nach oben. Die Attraktivität der großen Metropolen, das billige Geld und die Furcht vor einer neuen Finanzkrise treiben die Preise. Wer einen Makler fragt, wie lange das noch so weitergehen kann, bekommt ein enthusiastisches „Schauen Sie doch mal nach London – dagegen ist hier alles seeehr günstig!“ zu hören. Tatsache ist aber: Der deutsche Immobilienboom nähert sich seinem Ende.
Dafür gibt es ein paar Indikatoren, die nicht nur etwas mit einem erwarteten Zinsanstieg im kommenden Jahr zu tun haben. Auch ein Crash muss nicht passieren, um den Preisanstieg bei Kauf und Vermietung in den kommenden Jahren zu bremsen.
Zwei Faktoren reichen aus: Die Zuwanderung nach Deutschland wird niedriger ausfallen, die Bevölkerung wird ab 2020 vermutlich wieder schrumpfen. Gleichzeitig werden Hunderttausende Wohnungen fertig, deren Bau jetzt gerade genehmigt oder begonnen wurde. Wachsendes Angebot trifft auf vielerorts sinkende Nachfrage. So einfach kann das sein.
Am deutlichsten zeigt sich das auf dem Land. In den meisten Regionen werden die Einwohnerzahlen ab 2020 zurückgehen. Wer heute ein selbst genutztes Haus weitab der Großstädte bauen will, findet dafür sicher immer noch Gründe. Auch, wenn es nicht allzu vernünftig ist, so etwas zu tun – es gibt schließlich genug gebrauchte Immobilien, die leerstehen.
In Braunlage im Harz gibt es eine Doppelhaushälfte mit Garage und reichlich Garten schon für 100.000 Euro zu kaufen. Dafür neu zu bauen, ist fast unmöglich. Doch mit einem solchen Investment müssen sich am Ende nur die Erben herumschlagen. Aber Mietwohnungsbau ist in solchen Gegenden schon nur noch selten sinnvoll: Das Risiko, später ein leeres Haus finanzieren zu müssen, wächst mit jedem neuen Bauprogramm der Bundesregierung.
Ein bisschen anders sieht das noch in ein paar deutschen Großstädten und ihrem Umland aus. Sie profitieren nach wie vor davon, dass junge Menschen heute lieber in der Stadt wohnen wollen. Doch auch dieser Trend wird schwächer. München und Berlin, die bisherigen Stars der Binnenwanderung, haben nahezu keine Zuwanderung aus dem Umland mehr, hat das Forschungsinstitut Empirica errechnet. Für junge Leute sind sie einfach zu teuer geworden.
Die Folge: Die Kaufpreise steigen zwar noch deutlich, die Mieten aber nicht mehr so sehr. Wohnungseigentümer müssen schon jetzt mit niedrigeren Renditen rechnen. Auf der anderen Seite aber liegen Hunderttausende Mietwohnungen fertig geplant in den Schubladen. In zwei oder drei Jahren kommen diese Wohnungen auf den Markt – zusammen mit denen, die jetzt vom Staat noch zusätzlich angeleiert werden.
Der Preisverfall fängt ganz oben an und setzt sich dann nach unten fort. Wenn im Luxussegment die Leerstände wachsen, Kauf- und Mietpreise reduziert werden müssen, dauert es in der Regel ein bis zwei Jahre, bis auch die Neuverträge im mittleren Segment billiger werden. Um 30 Prozent oder mehr könnten die Kaufpreise in den kommenden Jahren in die Knie gehen, rechnen die Experten von Empirica vor.
Für umzugswillige Mieter sind das gute Nachrichten, für Investoren sind es schlechte Perspektiven. Mittelfristig jedenfalls.
Ursula Weidenfeld arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt „Regierung ohne Volk“.