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Kolumne: Die AfD will Reiche reicher machen


Kolumne zur Wirtschaftspolitik
Die AfD will Reiche reicher machen

Meinungt-online, Ursula Weidenfeld

19.09.2017Lesedauer: 3 Min.
Die Spitzenkandidaten der Partei Alternative für Deutschland (AfD), Alice Weidel und Alexander Gauland.Vergrößern des Bildes
Die Spitzenkandidaten der Partei Alternative für Deutschland (AfD), Alice Weidel und Alexander Gauland. (Quelle: Sören Stache/dpa-bilder)
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Ein großer Teil der AfD-Anhänger sind Gering- oder Mittelverdiener. Die wirtschaftspolitischen Pläne der Partei würden jedoch vorwiegend den Vermögenden nützen. Für normale Arbeiter und Angestellte wären manche Vorhaben eine Katastrophe.

Eine unter Wirtschaftsjournalisten beliebte Frage vor der Bundestagswahl lautet: "Wie würde Dein Geldbeutel wählen?" Die Antwort ist regelmäßig: Es hängt davon ab, wie dick Dein Portemonnaie ist. Wenn Du viel verdienst und selbstständig bist, wählt Dein Geldbeutel die FDP. Du bist Beamter oder Pensionär, hast studiert und das Einkommen reicht prima aus? Du wählst grün.

Die Brieftaschen mittelguter Verdiener würden Sozial- oder Christdemokraten empfehlen, der kleine Geldbeutel wählt die Linke. Oder er schickt seinen Eigentümer gar nicht erst raus ins Wahllokal. Lohnt sich ja doch nicht. Kopf, Herz und Brieftasche befinden sich in allen Fällen in schönem Einklang. Der Wähler ist ja nicht blöd.

Doch in diesem Jahr ist es ein bisschen anders als sonst. Denn auch die AfD bewirbt sich mit Aussicht auf Erfolg um Mandate im Bundestag. Das Seltsame bei dieser Partei ist: Der Geldbeutel würde den eher mittelmäßig verdienenden Anhängern der Partei dringend abraten, hier das Kreuz zu machen. Auf der anderen Seite würden die Brieftaschen vieler gutbetuchter Gauland-Gegner flehen: "Denk an mich, wähl rechts". In keiner Partei sind Wirtschaftsprogramm und Wählerschaft so weit auseinander wie bei den National-Populisten.

Zwar verdienen AfD-Wähler nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung leicht überdurchschnittlich. Doch leben sie häufiger in Familien, in denen der Mann der Haupt- oder Alleinverdiener ist. In solchen Lebensgemeinschaften ist das Geld in der Regel knapper als in Doppelverdiener-Haushalten, weil ein Einkommen für mehr Köpfe reichen muss. Bezieht man also die Haushaltsgröße in die Rechnung ein, sind nur Nichtwähler-Familien materiell noch schlechter gestellt als AfD-Wähler, analysiert das DIW.

Würden dagegen die Reichen, Vermögenden und Rentiers im Land allein nach finanziellen Erwägungen abstimmen, könnten sie der AfD nicht widerstehen. Erbschaftssteuer abschaffen, Vermögensteuer dauerhaft aussetzen, Staatsquote zurückfahren! So klar, so liberal, hat schon lange keine Partei in Deutschland mehr an Unternehmerkinder, Millionäre und ihre Nachkommen appelliert. Nicht einmal die FDP kann da mithalten.

Steigt Deutschland außerdem aus dem Euro aus, wie es die AfD will, würden die Reichen zusätzlich profitieren. Die neue deutsche Mark würde gegenüber Südeuropas Schwundwährungen, gegenüber Dollar und Pfund rasch an Wert gewinnen – und so all jene reicher machen, die ihr Geld in heimischen Vermögenswerten angelegt haben. Wer dagegen von seiner Hände Arbeit lebt, muss den Verlust seines Jobs befürchten, weil deutsche Exportprodukte über Nacht dramatisch teurer würden.

Im Kleinen könnte man das mit dem Schock der DDR-Wirtschaft nach der Währungsunion vergleichen. So würde die vermeintliche Alternative zum Euro zu einem Verarmungs-Turbo für die unteren Segmente der Verdienstskala. Ein Drittel der AfD-Wähler sind nämlich Arbeiter – deutlich mehr als bei den klassischen Proletarierparteien Linke (22 Prozent) und SPD (17 Prozent).

Auf ihren Staat sollten die AfD-Wähler nicht hoffen, wenn die Wirtschaft nach einem Ausstieg aus der Gemeinschaftswährung den Rückwärtsgang einlegt. Denn im Unterschied zu den meisten anderen rechtspopulistischen Parteien Europas verspricht die AfD nicht den Ausbau des Sozialstaates. Im Gegenteil: Die Steuern sollen gesenkt werden. So strebt die Partei langfristig eine Staatsquote von 40 Prozent an – dem nächsten Finanzminister stünden rund fünf Prozentpunkte weniger Mittel als heute zur Verfügung. Nicht, dass das alles unvernünftig wäre: Es passt halt nur nicht zu den Wählern der Partei.

Überraschend ist das nicht. Schließlich atmen die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der AfD immer noch den Geist ihrer Gründer Bernd Lucke und Joachim Starbatty. Die beiden neoliberal-konservativen Wirtschaftswissenschaftler aber haben die Partei längst wieder verlassen. Nach ihrem Abgang hat die AfD sich in Sachen Asyl und Flüchtlinge ein robustes Update verpasst. Nur die Wirtschaftspolitik scheint sie – mit wenigen Ausnahmen – bei der Runderneuerung irgendwie vergessen zu haben.

Die einstige Professorenpartei macht eine Wette darauf, dass ihre Anhänger den Kopf nicht überstrapazieren wollen, wenn es zur Wahl geht. Wer liest schon Wahlprogramme? Und: Wer lässt schon den Geldbeutel entscheiden, wenn der Bauch es auch kann?

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. In ihrem neuesten Buch "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert." beschäftigt sie sich mit den Versäumnissen der deutschen Politik seit 2005.

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