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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Autos für Millionen Vermögen auf vier Rädern – machen mich Oldtimer zum Millionär?
Autos lösen eine große Faszination aus – auch bei Anlegern. So mancher alter Wagen ist mittlerweile mehrere Millionen wert. Aber das Investment hat seine Tücken, Liebe allein
Die Millionen riechen nach Öl und Benzin. Grelles Orange, schnittige Kurven, ein weißer Hirsch auf schwarzen Grund. Eckhard Schimpf versammelt in seiner Werkstatt 72stagpower, nahe Braunschweing, Renngeschichte, ein Vermögen auf vier Rädern.
"Das teuerste Auto hier?", der Sammler zögert und schaut sich in der Reihe der geparkten, blankpolierten Rennwagen um. "Das dürfte etwa 3 Millionen Euro wert sein", sagt Schimpf, der als Rennfahrer des Jägermeister-Racing Team früher selbst einige dieser Autos über die Strecken gejagt hat.
Nun kümmert er sich um das Erbe der Jägermeister-Renngeschichte. Mehr als 20 der orangenen Rennwagen lagert und betreut Schimpf zusammen mit seinem Sohn Oliver in ihrem gemeinsamen Unternehmen. Darunter sind Rennwagen von Graham Hill und Modelle wie der Porsche 956 und 962 oder der Carrera RSR aus dem Jahr 1974.
Der Schnapshersteller Jägermeister ist in das Geschäft nicht involviert, die Familie dahinter schon. Ihnen gehört ein Teil der Sammlung, ein anderer ist Eigentum der Familie Schimpf selbst. Als Enkel des Firmengründer von Mast-Jägermeister ist er zudem selbst verwandtschaftlich mit der Unternehmensfamilie verbunden.
Goldene Regel des Anlegens zählt hier nicht
Oldtimer gelten schon lange als alternative Anlageobjekte, besonders beliebt bei Männern, die sich ohnehin für Autos begeistern. Investments und Emotionen? Eigentlich passt das nicht zusammen. Und doch haben sich viele Maschinen in dieser Werkstatt zu einer hochkarätigen Wertanlagen entwickelt – mit Renditen, von denen sich bei anderen Anlageklassen nur träumen lässt.
Ein silbernes Motorrad steht direkt im Eingangsbereich von Schimpfs Werkstatt: Die DKW Kompressor 250. Sie ist schlank, in Auto wie aus längst vergangenen Zeiten. Schimpf hatte das Motorrad vor Jahrzehnten, 1984, im "desolaten Zustand" aus einer alten Scheune einem Bekannten abgekauft. "Insgesamt habe ich mit Restauration und Ähnlichem vielleicht 10.000 Euro in die Maschine investiert“, erklärt er.
2008 bekam er einen Anruf von dem Auktionshaus Bonhams aus London, ob er sie nicht für 100.000 Pfund verkaufen möchte. Schimpf lehnte ab. Er hat eine tiefe Verbindung zu diesem Motorrad: Es war der Beginn seiner Liebe zum Renngeschäft.
Mit gerade einmal zehn Jahren berührte Schimpf zum ersten Mal eine Rennmaschine. Es war 1948 bei einem Rennen in seiner Heimatstadt Braunschweig. Der Rennfahrer Kurt Kuhnke blieb mit diesem Motorrad-Modell direkt neben Schimpf liegen. Der kleine Junge half mit seinen Freunden, die Maschine ins Fahrerlager zu schieben. Seine kleinen Finger umgriffen den Lenker – und das Renngeschäft ließ ihn nie wieder los.
Eine Spezialgarage für den Oldtimer? 3.000 Euro pro Jahr
Diese Faszination, dieser persönliche Bezug zum Investment, eigentlich ist das fatal beim Geld anlegen. Aber: Wer in Oldtimer investieren möchte, muss diesen eisernen Grundsatz des Investierens vergessen.
Das weiß auch Yvo Konzag von der Classic Remise Berlin, einem Depot, speziell für Oldtimer in der Hauptstadt. "Es braucht auch immer eine Spur Leidenschaft, um in Oldtimer zu investieren", sagt er. "Eine Geldanlage in ETFs oder Briefmarken oder auch Kunst, macht sicherlich weniger Aufwand. Ein Auto braucht Zuwendung."
In der denkmalgeschützten Halle im Stadtteil Moabit stehen Autos mit sehr hohen Werten. Konzag vermietet dafür besondere Garagen, die perfekte Bedingungen für die alten Maschinen bieten. Kostenfaktor pro Jahr? 3.000 Euro. "Die laufenden Kosten sind hoch bei einem Oldtimer“, sagt Konzag. Fünf bis zehn Prozent des Anschaffungspreises müssten die Halter jährlich allein für die Instandhaltung einplanen.
Hinzu kommt: Das Auto muss bewegt werden, es braucht Experten in der Wartung und eine entsprechende Versicherung gegen Schäden. "Es ist ein elitärer und finanzstarker Kreis, von dem der Kauf eines hochpreisigen Klassikers vorwiegend als Investment betrieben wird", sagt Konzag. Deshalb gelte: Wer 50.000 Euro anlegen möchte, sollte Oldtimer nicht in Betracht ziehen. Wer dagegen ein Vermögen von 5 Millionen Euro habe, könnte mit wertvollen Autos das Portfolio streuen.
Die richtigen Kontakte sind Gold wert
Doch Geld allein hilft wenig bei dieser Anlageklasse. "Ohne Netzwerk wird es schwer", sagt Schimpf, der interessierte Kunden beim Oldtimerkauf berät. Sein Hintergrund als Rennfahrer und Fachautor helfe ihm in diesen Kreisen sehr.
Während seiner sportlichen Karriere ist er mit Legenden wie Niki Lauda per Du gewesen, sein Sohn hat für Michael Schuhmacher exklusiv Rennhelme entwickelt. Selbst zu VW-Urgestein Ferdinand Piech hat sich über die Jahre ein Kontakt entwickelt. 50 Jahre Expertise im Autogeschäft, das können nur wenige Experten vorweisen.
Dieses Wissen ist heiß begehrt. "Ohne einen Experten sollte man einen Oldtimer nicht kaufen", sagt Konzag. Und diesen Titel müsse man sich erarbeiten. "Viele Neueinsteiger nennen sich zwar selbst Experten, aber unter zwei bis drei Jahrzehnten Erfahrung würde ich jemandem nicht mein Investment anvertrauen", sagt Konzag.
Denn welches Auto im Wert tatsächlich steigen könnte, ist für Laien meist unerklärbar. "Einen Picasso kann man vielleicht noch blind kaufen, aber nur weil ein Mercedes-Stern auf einem alten Auto prangt, ist es noch lange kein Wertobjekt. Es gibt sogar Ferraris, von denen ich die Finger lassen würde", erklärt Konzag. Einige Mercedesmodelle sind fünf bis sechs Millionen Euro wert, der teuerste Wagen der Welt ist ein Ferrari 250 GTO für 52 Millionen Euro – doch eine Gewissheit gibt es für solche Renditen eben nicht.
Die Geschichte treibt den Preis
Anleger sollten deshalb auf bestimme Indikatoren achten, sagt Eckhard Schimpf: "Das Auto muss eine Top-Qualität haben, eine Originalität aufweisen, es muss eine Rarität sein und – ganz wichtig – es braucht eine Geschichte." Viele Sammler spezialisieren sich auf ein Thema, etwa Autos eines bestimmten Rennfahrers und für diese ist die Geschichte ungemein wichtig. Dann gewinnen sogar Replika-Autos an Wert.
So wie eine Maschine, die in Schimpfs Halle steht. Ein alter BMW-Rennwagen, Modell BMW 3.0 CSL, den ursprünglich Niki Lauda gefahren hat. Nur existiert dieser Rennwagen gar nicht mehr – das Originalauto ist 1973 abgebrannt. Schimpf baute mit seinem Unternehmen aus Originalteilen und einem modellgleichen Wagen desselben Baujahres ein Replika-Auto, das dem Original in allen Aspekten gleicht.
An Wert gewann der Nachbau als Niki Lauda 2018 mit dem Replika-Wagen bei einem sogenannten "Legendenlauf" beim Großen Preis von Österreich fuhr. Ein Jahr später erlag Lauda seiner Krankheit, der Replika-BMW war das letzte Rennauto das Niki Lauda laut Schimpf je gefahren hat. Diese Geschichte ließ das Interesse an dieser Replica in die Höhe schnellen. Schimpf erhielt selbst einen Anruf von einem Sammler aus Singapur – verkauft hat er aber nicht.
Gold ist anonymer
Auch diese Art der Aufmerksamkeit sollten Anleger bedenken: "Der Oldtimermarkt ist transparent", sagt Konzag. Wenn es nur fünf Wagen auf der Welt gibt, ist in der Szene meist bekannt, wer die fünf Besitzer sind. Wer hier hohe Summen in diese rollenden Wertanlage investiert, kann sich meist nicht verstecken. "In Gold lässt sich dagegen anonymer anlegen", sagt Konzag.
Viele Besitzer wollen aber auch gerade ihre Autos zeigen – zumindest in ausgewählten Kreisen. So stellen Sammler bei Oldtimer-Messen ihre Wagen stets kostenlos zur Schau, die Veranstalter übernehmen dabei meist die Versandkosten. Schimpfs grellorangenen Jägermeister-Autos sind schon bis in die USA gereist. Zuhause hält er seine Sammlung aber auch etwas bedeckt. "Wir hätten hier sonst jeden Tag Fans", sagt er. Das passt nicht in das Geschäftsmodell. Die Millionen bleiben unter sich.
- Eigene Recherche
- Besuch bei Eckard Schimpf
- Telefonat mit Yvo Konzag