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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experten optimistisch Immobilienaktien im Aufwind – ist die Krise überwunden?
Die Erholung der Immobilienaktien in Deutschland nimmt Fahrt auf, unterstützt durch eine steigende Kreditnachfrage. Die Risiken sind jedoch noch nicht gebannt.
Aufgrund des Ukraine-Kriegs, explodierender Baukosten und einer rasant steigenden Inflation sah sich die Europäische Zentralbank gezwungen, den Leitzins innerhalb von 14 Monaten von 0,5 auf 4,5 Prozent anzuheben. Die Folge: Kreditzinsen verteuerten sich innerhalb kürzester Zeit, und das Geschäft mit dem Hausbau sowie dem Kauf und Verkauf von Immobilien rutschte quasi über Nacht in die Krise.
Unter der schwachen Nachfrage litten vor allem die deutschen Immobilienwerte wie Vonovia, LEG, Aroundtown, Grand City, Patrizia und der Finanzvermittler Hypoport. Die Kurse brachen an der Börse teilweise um mehr als 80 Prozent ein. Die oft hoch verschuldeten Unternehmen mussten ihre Liquidität zusammenhalten und Schulden abbauen.
Doch dank der anziehenden Nachfrage nach Immobilienkrediten gibt es wieder erste Lichtblicke am Horizont. Die Abwärtsspirale bei den Immobilienpreisen scheint gestoppt. Viele Unternehmen sehen die Wende geschafft und wollen wieder in die Offensive gehen.
Lohnt es sich für Anleger, an der Börse wieder auf deutsche Immobilienwerte zu setzen? Ein wichtiger Stimmungsindikator zeigt, wie es der Branche wirklich geht.
Hypoport und LEG sehen Wende am Immobilienmarkt
Die guten Nachrichten zuerst: Der zweitgrößte Finanzvermittler Hypoport mit einem Marktwert von 1,47 Milliarden Euro erzielte im dritten Quartal 2024 ein Umsatzplus von 114 Millionen Euro und erreichte das operative Ergebnis (Ebit) von 3,6 Millionen Euro nach einem Verlust von 1,1 Millionen Euro vor Jahresfrist. Das Unternehmen teilte mit, dass das Geschäft wieder anziehe. Vor allem Privatkunden suchten wegen des knappen Mietangebots Bestandsimmobilien für den Eigenbedarf.
Auch der mit 6,2 Milliarden Euro an der Börse bewertete Immobilienkonzern LEG legt nach eigenen Angaben die Immobilienkrise zu den Akten und will wieder wachsen. Das operative Geschäft laufe hervorragend, die Finanzen seien solide aufgestellt und die Portfoliobewertungen seien am Wendepunkt angekommen, sagte jüngst LEG-Chef Lars von Lackum in einer Pressekonferenz.
Vonovia will mehr investieren
Auch Deutschlands größter Wohnungsvermieter Vonovia will nach zwei Jahren Sparkurs wieder auf Wachstum schalten. Im kommenden Jahr will das mit 24 Milliarden Euro an der Börse bewertete Unternehmen sein auf Eis gelegtes Neubauprogramm wieder aufnehmen. Insgesamt sieht der Konzern in Deutschland und Österreich ein Potenzial für 70.000 neue Wohnungen.
Vonovia kündigte gleichzeitig eine Steigerung der Investitionen an. Unter anderem für energetische Sanierung, barrierearmen Umbau sowie Neubauprojekte plant Vonovia 2025 rund 1,2 Milliarden Euro ein – nach rund 900 Millionen Euro im laufenden Jahr. Bis 2028 sollen die jährlichen Investitionen auf bis zu zwei Milliarden Euro steigen.
Zudem profitiert das Unternehmen von einer hohen Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in Ballungsgebieten. Vonovia verlangt eine durchschnittliche Monatsmiete von 7,93 Euro pro Quadratmeter. Das waren 3,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das Unternehmen bewirtschaftet in Deutschland 481.000 Wohnungen.
Erst 2026 könnte es besser werden
Kritische Stimmen warnen jedoch, dass die Krise noch nicht überwunden sei. Grund: Jedes zweite Wohnungsbauunternehmen (49,9 Prozent) klagt über zu wenig Aufträge, teilte das Münchner Ifo-Institut als Ergebnis einer Unternehmensumfrage mit. Die Situation auf dem deutschen Wohnungsmarkt könnte sich also jederzeit wieder zuspitzen.
Das Problem daran: Die Folgen sind langfristiger Natur. Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen, sagte: "Wo heute keine Projekte beauftragt werden, werden morgen keine Wohnungen gebaut."
Obwohl sich das Geschäftsklima im Wohnungsbau zu Beginn des vierten Quartals verbessert habe, seien die Auftragsstornierungen von 11,2 auf 11,8 Prozent leicht angestiegen, so das Wirtschaftsforschungsinstitut. Der Ausblick auf die kommenden Monate bleibe weiterhin pessimistisch. Trotz Wohnungsnot in vielen Städten sei die Zahl der Baugenehmigungen zuletzt um 6,8 Prozent erneut gesunken.
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"Die Unternehmen im Wohnungsbau haben weiterhin mit hohen Zinsen, Auftragsmangel und Stornierungen zu kämpfen", sagte Wohlrabe dazu. Das mache es schwierig, die Kapazitäten und das Personal zu halten, die nötig seien, wenn es wieder aufwärtsgehe.
Ifo-Präsident Clemens Fuest rechnet auch im kommenden Jahr nicht mit einem Bauboom – und das, obwohl die Europäische Zentralbank den Leitzins mittlerweile dreimal gesenkt hat. "Da wird nichts kommen 2025: Die Investitionen werden sogar weiter schrumpfen", prognostizierte Fuest kürzlich. Erst 2026 würden die niedrigen Zinsen angesichts der langen Planungszeiten im Wohnungsbau durchschlagen.
So ist die Stimmung an den Börsen
Ein guter Gradmesser für die Stimmung der Anleger und Investoren an der Börse ist der halbjährlich veröffentlichte Kirchhoff-Stimmungsindikator Immobilien-Aktien. Danach haben die Aktien der zehn größten deutschen börsennotierten Immobiliengesellschaften eine ungewöhnlich lange Korrekturphase hinter sich. Sie verloren in den vergangenen drei Jahren bis zur Jahresmitte 2024 durchschnittlich 47,2 Prozent. Im gleichen Zeitraum legte der deutsche Leitindex Dax um rund 18 Prozent zu.
Immobilienaktien haben sich langfristig deutlich schlechter entwickelt als der Gesamtmarkt. Die positive Entwicklung der vergangenen Monate und der nach wie vor hohe Abschlag der Aktienkurse auf den Substanzwert der Unternehmen implizierten ein deutlich hohes Kurspotenzial, das aufgrund der Marktsituation bisher nicht realisiert werden konnte.
Das allgemeine Stimmungsbild ist laut Stimmungsindikator trotz des nach wie vor schwierigen Marktumfelds verhalten optimistisch. Immobilienexperte Stefan Scharff, Geschäftsführer von SRC Research, sieht die aktuelle Erholung auf einem niedrigen Bewertungsniveau. Das nähre die Hoffnung auf Kursgewinne. "Ein Selbstläufer wird der Turnaround aber nicht. Ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass die Krise komplett überwunden ist", so Scharff.
Die Aufwärtstendenz deutscher Immobilienaktien
Die zehn größten deutschen Immobilienaktien haben sich in den vergangenen zwölf Monaten besser entwickelt als der Dax. Dennoch werden Immobilienaktien laut Kirchhoff-Stimmungsindikator immer noch mit einem hohen Abschlag zu ihrem inneren Wert gehandelt.
Bei Wohnimmobilienaktien sind die Experten für die mittelfristige Entwicklung optimistisch und erwarten Kursgewinne auf Basis des nach wie vor günstigen Bewertungsniveaus. Die Erwartungen an die Entwicklung von Gewerbeimmobilienaktien sind dagegen laut Immobilienindex eher verhalten.
Die allgemein verhaltene konjunkturelle Stimmung und die gedämpften Erwartungen an das Wirtschaftswachstum in Deutschland haben sicherlich einen Einfluss auf diese Entwicklung. Gewerbeimmobilienaktien haben sich schon immer als konjunkturabhängiger erwiesen als Wohnimmobilienaktien.
Insgesamt blicken die Befragten des Kirchhoff-Stimmungsindikators optimistisch auf die mittelfristige Entwicklung von Wohn- und Gewerbeimmobilienaktien bis Mitte 2025. Bei den Analysten rechnen 55 Prozent mit steigenden Kursen. Bei den Unternehmensvertretern sind es 45 Prozent. Lediglich 22 Prozent der Analysten und 18 Prozent der Unternehmen gehen von leicht sinkenden Kursen aus.
Diese Erwartung deckt sich mit der Beobachtung, dass die Kursentwicklung von Immobilienaktien stark von der Entwicklung der Kapitalkosten beeinflusst wird. Die EZB hat die Leitzinsen in drei Schritten um 75 Basispunkte (0,75 Prozent) auf 3,25 Prozent gesenkt, was sich positiv auf die Kursentwicklung von Immobilienaktien auswirken könnte.
Das sagen Analysten zu Hypoport
Die Privatbank Berenberg hat die Aktien des Finanzdienstleisters Hypoport mit einem Kursziel von 300 Euro auf "Kaufen" belassen. Hypoport-Chef Ronald Slabke habe sich positiv zu den mittelfristigen Aussichten im sich erholenden deutschen Immobilienmarkt geäußert, schrieb Analyst Gerhard Orgonas in einer aktuellen Studie.
Die Deutsche Bank hat Hypoport mit einem Kursziel von 318 Euro mit "Kaufen" aufgenommen. Hypoport sei der größte Onlinemarktplatz für Immobilienfinanzierung, schrieb Analyst Mengxian Sun. Einer von drei Immobilienkrediten komme über die Hypoport-Plattform Europace zustande.
Die Hypoport-Aktie war von ihrem Höchststand im September 2021 bei rund 600 Euro auf ihren finalen Tiefststand von 76 Euro im Oktober 2022 eingebrochen – ein Minus von mehr als 80 Prozent. Aktuell notiert sie bei rund 211 Euro. Ein Kursziel von 300 Euro entspricht einem Aufwärtspotenzial von rund 37 Prozent.
Das sagen Analysten zu Vonovia
Analyst Jonathan Kownator von der US-Investmentbank Goldman Sachs hat das Kursziel für Vonovia von 41,90 auf 42,70 Euro angehoben und die Einstufung auf "Kaufen" belassen. Beim derzeitigen Kurs von etwa 29 Euro entspricht das einem Aufwärtspotenzial von rund 43 Prozent.
Die Privatbank Berenberg sieht ebenso ein Kursziel für Vonovia bei 41 Euro und belässt die Einstufung auf "Kaufen". Analyst Kai Klose gehe von einer leichten Beschleunigung des künftigen Wachstums der Mieteinnahmen aus.
Auch Vonovia wurde an der Börse abgestraft. Der Aktienkurs fiel von 56 Euro im August 2021 auf 16 Euro im März 2023 – ein Minus von über 70 Prozent. Das prognostizierte Kurs-Gewinn-Verhältnis bei einem erwarteten Gewinn von 1,83 Euro je Aktie im kommenden Jahr liegt mit 16 über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre von 11.
Das sagen Analysten zu LEG
Die US-Bank J.P. Morgan hat das Kursziel für LEG von 100 auf 105 Euro angehoben und die Einstufung auf "Overweight" belassen. Analyst Neil Green sieht derzeit zwar politische Unsicherheiten durch die zerbrochene Ampelregierung, ein anhaltendes Gewinnwachstum bis 2025 und eine Erholung der Immobilienbewertungen sollten die LEG-Aktie aber weiter nach oben treiben.
Die Schweizer Großbank UBS hat die Einstufung für LEG mit einem Kursziel von 98 Euro auf "Kaufen" belassen, die US-Investmentbank Goldman Sachs hat das Kursziel von 84,30 auf 82,80 Euro gesenkt, die Einstufung aber auf "Neutral" belassen.
Aktuell notiert die LEG-Aktie bei rund 84 Euro. Bis zum maximalen Kursziel ergibt sich ein Aufwärtspotenzial von rund 23 Prozent. Die Aktie des Immobilienunternehmens hat zwischen August 2021 und Mai 2023 knapp 65 Prozent an Wert verloren.
Das sagen die Analysten zu Aroundtown
Für Aroundtown hob Analyst Kai Klose von der Privatbank Berenberg das Kursziel von 2,50 Euro auf 3,30 Euro an, belässt das Unternehmen aber auf "Halten". Auch das Analysehaus Warburg Research hat das Kursziel für Aroundtown von 2,60 auf 2,90 Euro angehoben, aber die Einstufung auf "Kaufen" belassen.
Aroundtown mache Fortschritte bei der Refinanzierung, schrieb Analyst Andreas Pläsier in einem Kommentar. Investoren betrachteten das Unternehmen wieder als vertrauenswürdig, wenn es um die Rückzahlung von Krediten gehe. Jetzt komme es darauf an, wie gut das Unternehmen im Tagesgeschäft arbeite.
Der Aktienkurs von Aroundtown hatte seit dem Corona-Börsencrash im März 2020 bis Mai 2023 88 Prozent an Wert verloren. Von über 8,80 Euro ging es auf unter einen Euro je Anteilsschein. Aktuell steht die Aktie bei etwa 2,73 Euro.
- Eigene Recherche
- handelsblatt.com: "Jedes zweite Wohnungsbau-Unternehmen klagt über zu wenig Aufträge"
- Kirchhoff-Stimmungsindikator Immobilien-Aktien H1 2024
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters