Ausländische Fachkräfte Steuererleichterungen bergen Zündstoff für die Ampel
Mit einem Steuernachlass will die Ampel Fachkräfte aus dem Ausland anlocken. So steht es im kürzlich präsentierten Wirtschaftspaket. Doch die Einigung könnte bereits wieder ins Wanken kommen.
Ist die Einigkeit schon wieder zu Ende? Erst vor wenigen Tagen feierten sich die Spitzen der Ampelkoalition für ihre Einigung beim Haushalt und einem Paket zur Stärkung der Wirtschaft. Doch die Kritik ließ nicht lange auf sich warten.
Neben den Klagen über Budgetkürzungen sorgt vor allem eine geplante Maßnahme zur Bekämpfung des Fachkräftemangels für Uneinigkeit in der Ampel. Der Plan sieht vor, dass für ausländische Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent ihres Bruttolohns steuerfrei gestellt werden sollen. Dafür soll es allerdings Unter- und Obergrenzen beim Gehalt geben.
Doch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist skeptisch. "Das müssen wir uns nochmal genauer anschauen", sagte Heil am Dienstag im Deutschlandfunk. Er sei mit diesem Ampel-Vorhaben "nicht furchtbar glücklich, weil es zu Missverständnissen führen kann".
Heil: Plan stammt von Lindner und Habeck
Die Urheberschaft für den geplanten Steuerabschlag liege bei den Koalitionspartnern – Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), sagte Heil den Sendern RTL und ntv. Der Vorschlag sei zudem "luftig" formuliert, kritisierte er. Es müsse ganz klar sein: "Die Arbeit in diesem Land muss gleich viel wert sein." Mehr zu Heils Positionen in der Diskussion lesen Sie hier.
FDP-Haushälter Christoph Meyer wiederum reagierte prompt auf die Aussagen des Arbeitsministers. "Die Äußerungen von Hubertus Heil bringen den Wirtschaftsstandort Deutschland kein Stück voran", sagte er. Steuerliche Anreize für Hochqualifizierte seien mittlerweile "in der halben EU ein Baustein zur Lösung des Arbeitskräftemangels".
"Hubertus Heil sollte sich besser bemühen, dass der Jobturbo zündet – er muss endlich Arbeitsminister sein statt nur Sozialminister", sagte Meyer. Der Minister müsse "aufhören, mit seinen Debattenbeiträgen einzelne Maßnahmen des Wirtschaftspakets schlechtzureden".
Kritik aus allen Oppositions-Parteien
Zuvor hatte es bereits deutliche Kritik aus der Opposition gegeben. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner, sprach auf der Plattform X von "Inländer-Diskriminierung". Mehr dazu lesen Sie hier.
CSU-Generalsekretär Martin Huber legte in der "Bild" vom Dienstag mit Kritik nach und sprach von einer "skandalösen Bevorzugung" von Zuwanderern. "Die Ampel spaltet und brüskiert die hart arbeitende Bevölkerung", sagte Huber. "Es braucht Steuersenkungen für alle in Deutschland."
Der Vorschlag sei "rücksichtslos gegenüber den einheimischen Beschäftigten", sagte die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. Die AfD bemängelt "eine inländerfeindliche Politik".
Die Linke-Politikerin Susanne Ferschl monierte in der "Welt": "Ausländische Fachkräfte bei der Einkommenssteuer zu begünstigen, schadet der Solidarität in Belegschaften und widerspricht dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Gleichheit."
Hebestreit: Details werden noch ausformuliert
Regierungssprecher Steffen Hebestreit verteidigte die geplante Maßnahme hingegen. Es gehe um Fachkräfte, bei denen Deutschland in einem engen Wettbewerb mit anderen Ländern stehe, sagte er in Berlin vor Journalisten. In vielen anderen europäischen Ländern gebe es steuerliche Anreize und Vergünstigungen, um Fachkräfte in die jeweiligen Orte zu locken.
Die Steuererleichterungen werden Hebestreit zufolge aber nur innerhalb einer Mindest- und einer Höchstgrenze des Jahresbruttoeinkommens der Fachkräfte gewährt. Details würden jetzt genau ausformuliert und bis zum Kabinettsbeschluss in der kommenden Woche dargelegt, kündigte der Regierungssprecher an.
Habeck: "Andere Länder machen es eben auch"
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verteidigte das Vorhaben ebenfalls und verwies auf Vorbilder aus anderen Ländern. Dem Fernsehsender Welt sagte er, dass er die Gerechtigkeitsbedenken verstehe. "Umgekehrt wissen wir ja und sehen es überall, dass wir Arbeitskräfte brauchen. Und andere Länder machen es eben auch."
Solche Steueranreize sind in Europa und darüber hinaus seit vielen Jahren ein Thema. Die Bundesregierung hatte bereits 2018 in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage 15 EU-Länder genannt, in denen dies zur Anwendung kommt. Der Schwerpunkt lag dabei allerdings auf Führungskräften in Unternehmen und anderen hochqualifizierten und gut bezahlten Zuwanderern. Höhere Steuersätze als in ihrer Heimat schrecken gerade solche Zielgruppen oft von einem Wechsel ins Ausland ab.
In den Niederlanden ist seit Jahresbeginn auch eine – ähnlich wie von der Ampel-Koalition geplante – Regelung mit steuerfreien 30/20/10-Prozent vom Bruttolohn für insgesamt 60 Monate und mit Einkommensgrenzen in Kraft. Damit wurden die bisher geltenden Vorteile für qualifizierte Einwanderer etwas beschnitten.
Auch der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, verteidigte das Vorhaben. "Die Steuererleichterung für ausländische Fachkräfte ist klug, denn Deutschland muss sich im europäischen Wettbewerb behaupten und einige Nachbarn haben solche Steuervorteile bereits eingeführt", sagte er der "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe). Deutschland müsse für hochqualifizierte Arbeitskräfte attraktiver werden – "dazu gehören eine bessere Willkommenskultur, der Abbau vieler Hürden bei der Integration und auch steuerliche Anreize".
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP