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Christian Lindner: Markt für Strom soll reformiert werden


Gegen "Profit-Autopilot" bei Produzenten
Lindner will den Markt für Strom reformieren

Von dpa, wan

Aktualisiert am 28.08.2022Lesedauer: 3 Min.
imago images 166651403Vergrößern des BildesChristian Lindner will ein System am Strommarkt ändern, das den aktuellen Strompreis bestimmt. (Quelle: IMAGO/Janine Schmitz/photothek.de)

Finanzminister Christian Lindner will den Strommarkt schnellstens reformieren. Er kritisiert die Gewinne der Konzerne, die zulasten der Verbraucher gingen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat wegen der dramatisch steigenden Energiekosten eine schnelle Reform des Strommarktes in Deutschland angemahnt. "Die Bundesregierung muss sich mit größter Dringlichkeit den Strompreisen widmen", sagte Lindner der "Bild am Sonntag". Ansonsten werde "die Inflation immer stärker durch eine Stromkrise angetrieben".

Lindner kritisierte die stark gestiegenen Gewinne der Betreiber von Windrädern, Solaranlagen und Kohlekraftwerken: "Am Strommarkt hat die Politik einen Profit-Autopiloten eingerichtet." Aufgrund der geltenden Regeln würden die Produzenten von Solar- und Wind- oder Kohlestrom automatisch so bezahlt, als hätten sie teures Gas eingekauft. "Die Gewinne steigen zulasten der Verbraucher Milliarde um Milliarde", kritisierte der FDP-Vorsitzende.

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Strompreis richtet sich nach teuerstem Produzenten

Dahinter steckt das am Strommarkt geltende Merit-Order-Prinzip. An den Strombörsen wird ein Einheitspreis festgelegt. Der wird durch die teuerste Art der Erzeugung bestimmt, die zur Bedarfsdeckung gebraucht wird. Die Basis bilden die sogenannten Grenzkosten. Wird also Gas verstromt – was derzeit im Einkauf besonders teuer ist – dann gilt dieser Preis auch für andere Kraftwerke. Lange Zeit hatten die Verbraucher von dem System Vorteile, weil die Preise gerade der erneuerbaren Energien wegen geringer Grenzkosten günstig waren.

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Gehandelt wird in Deutschland an der Leipziger Strombörse EEX, und zwar die Nachfrage für den nächsten Tag. Kann diese durch günstige Stromherstellung – wie Windkraft oder auch Kohle – befriedigt werden, ist alles in Ordnung. Muss aber Gas eingesetzt werden, dann gilt dessen hoher Grenzkostenpreis, der sich aus den Kosten berechnet, die für die Produktion einer Megawattstunde entstehen. Dieser Preis gilt dann für alle – und die Unternehmen, die günstig produzieren, fahren ordentliche Gewinne ein.

Die französische Strombörse EPEX verteidigt das System. "Die Grenzkostenpreisbildung ist bewährt und hat sich für die europäischen, kurzfristigen Day-ahead-Märkte als der effizienteste Preisbildungsmechanismus erwiesen", hieß es gegenüber dem "Focus". Die aktuelle Marktsituation sei nicht auf das Marktdesign zurückzuführen. Der Strommarkt sende "jeden Tag aussagekräftige und unverzichtbare Preissignale".

Mehrere Faktoren regeln den Strompreis

Ganz allein ist das Merit-Order-Prinzip nicht schuld an den gestiegenen Preisen. Denn mehrere Faktoren wirken sich auf die Kosten aus.

  • Nachfrage: Wenn die Industrie mehr produziert und mehr Strom braucht, steigen die Preise. Auch Verbraucher spielen eine Rolle, zum Beispiel mit dem Einsatz von Stromheizungen oder Klimaanlagen.
  • Exporte in andere Länder: Ein Teil der europäischen Nachfrage wird von Deutschland mit Strom aus Gas gedeckt. Das feuert wiederum das Merit-Order-Verfahren an.
  • Kaum Preisspielraum: Viele Billiganbieter können bei den hohen Kosten nicht mehr mithalten.

Kann Atomkraft das Problem lösen?

Zumindest an den Strombörsen kann jede neue Energiequelle, die günstiger als Gas ist, bei Nachfragespitzen den Preis stabilisieren. Generell sind die Grenzkosten bei Atomenergie niedriger als bei Gaskraftwerken. Auch deshalb werden die Rufe nach einem Weiterbetrieb der letzten drei verbliebenen Meiler immer lauter. Allerdings will die Bundesregierung erst einen Stresstest abwarten.

Preise steigen immer weiter

An den Strombörsen erreichen die Preise immer neue Rekorde und lassen für die Zukunft weitere Belastungen für die Haushalte erahnen. Der Preis für eine Megawattstunde (1.000 Kilowattstunden) Strom zur Lieferung im kommenden Jahr lag an der Strombörse zuletzt bei 643 Euro, berichtet Verivox. Vor einem Jahr kostete eine Megawattstunde Strom noch 83 Euro, der Preis hat sich also mehr als verachtfacht.

Im Vergleich zum Vorjahr zahlt ein Drei-Personen-Haushalt laut Daten des Vergleichsportals Verivox mittlerweile 51 Prozent mehr pro Jahr für den Strom. "Damit liegen wir bereits jetzt bei einem Durchschnittspreis von fast 46 Cent pro Kilowattstunde", sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox, t-online.

Frankreich will Strompreise deckeln

Angesichts der kräftig steigenden Kosten für Strom und Gas will Frankreich die Tarife auch im nächsten Jahr deckeln. Die Preise würden bis Ende 2022 höchstens um vier Prozent erhöht, versicherte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire am Samstag in Metz. Im nächsten Jahr würden keine Anpassungen nachgeholt. Auf diese Weise sollten die Belastungen für Verbraucher weiter eingedämmt werden. Wie die neuen Maßnahmen konkret aussehen sollen, präzisierte er nicht.

In Frankreich haben die Strompreise im Großhandel mit mehr als 1.000 Euro pro Megawattstunde (MWh) einen Rekord erreicht, gegenüber rund 85 Euro pro MWh vor einem Jahr. Auch die Gaspreise bewegen sich infolge der russischen Invasion in der Ukraine mit mehr als 300 Euro pro Megawattstunde auf Rekordhöhe.

Verwendete Quellen
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