Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.War's das? Warum nicht mal Olympia Airbnb retten kann
Von den Olympischen Spielen dürfte Airbnb profitiert haben. Doch abseits solcher Events ist Urlaub in Privatwohnungen kaum mehr gefragt – die Aktie bricht ein. War's das?
"Die Olympischen Spiele sind das größte Event in der Geschichte unseres Unternehmens", schwärmte Airbnb-CEO Brian Chesky kürzlich im CNBC-Interview. Man habe 150.000 Airbnbs in Paris – 30 Prozent mehr als vor Olympia. Die Hotels seien ausgebucht – ein Airbnb die Alternative. Genau das sei das Geschäftsmodell.
Zu den weiteren Aussichten seines Unternehmens sagte er – zumindest in diesem Interview – nichts. Das mag daran liegen, dass es abseits der großen Sommer-Events Europameisterschaft und Olympia, derzeit nicht wie gewünscht läuft. Und es hakt gleich an mehreren Stellen. Schauen wir genauer.
Die Autorin
Antje Erhard arbeitet seit rund 20 Jahren als Journalistin und TV-Moderatorin. Ihr Weg führte sie von der Nachrichtenagentur dpa-AFX u. a. zum ZDF. Derzeit arbeitet sie für die ARD-Finanzredaktion in Frankfurt und berichtet täglich, was in der Welt der Börse und Wirtschaft passiert.
Corona und der Boom
Das Geschäftsmodell mit Touristen, die kurzzeitig eine Bleibe von privaten Vermietern vermittelt bekommen, lief vor allem in angesagten Städten wie New York über Jahre gut. Vor allem nach der Corona-Pandemie, als das Reisen eine große Sehnsucht war, die erfüllt werden wollte und man über Monate viel Geld gespart hatte. Die Welt war unterwegs und wollte konsumieren. Und ein Airbnb mit viel Platz in toller Lage in den schönsten Städten der Welt war hochwillkommen.
Reiselust gedämpft – Workation-Mieter werden weniger
Doch inzwischen hat sich die Stimmung verändert: Angesichts steigender Preise sparen die Menschen wieder mehr, buchen kürzere Reisen. Und übernachten demzufolge auch kürzer in einem Airbnb-Apartment oder fahren erst gar nicht in den Urlaub. Vor allem US-Verbraucher haben weniger Reiselust.
Hinzu kommt: Airbnb hatte in den vergangenen Jahr vom Workation-Boom profitiert. Viele Vermieter hatten ihre Objekte längerfristig vermietet. Arbeiten, wo andere Urlaub machen, das hatte sich gelohnt: für Airbnb, seine Vermieter und die Mieter. Doch immer mehr Firmen beordern ihre Leute zurück in die Büros. Die Nachfrage nach langfristigen Airbnbs lässt nach.
Gewinneinbruch im zweiten Quartal und trübe Aussichten
So musste Airbnb im zweiten Quartal 15 Prozent Gewinneinbruch hinnehmen, trotz steigender Umsätze. Das Unternehmen begründet diese Entwicklung mit höheren Steuern. Und die Aussichten sind auch nicht eitel Sonnenschein: Das Wachstum lässt nach, meldet Airbnb. Dagegen wächst die Kritik:
Gerade in angesagten Städten und nachgefragten Ferienregionen werden die Buhrufe gegen das Unternehmen lauter. Der Vorwurf: Das Modell verschärft in vielen Städten, vor allem in Touristen-Hochburgen, die Wohnungsnot. Tatsächlich verschwinden viele Wohnungen auf Dauer vom Mietmarkt. Das Kurzzeit-Mietmodell ist einfach lukrativer für die Vermieter. Und in vielen Ländern ist das Mietrecht so, dass eingesessene Mieter zugunsten der Touristen schnell auf die Straße gesetzt werden können.
Mieten für Einheimische kaum bezahlbar
Städte wie Lissabon sind fest in Airbnb-Hand. Dabei ließ es sich doch so gut an: Der Touristen-Boom hatte in Lissabon und anderen Städten dazu geführt, dass viele Wohnungen saniert und flottgemacht wurden, um sie zu vermieten. Aber dann wurden es Airbnb-Wohnungen, und die Einheimischen bleiben vor der Tür. Für viele "Locals" sind die Mietpreise heute nicht mehr erschwinglich.
Kurzfristige Kündigungen, falsche Vorgaben, heimliche Kameras
Und das ist nicht die einzige Kritik an Airbnb: Vermieter in Paris riefen Unmut hervor, weil sie kurz vor Olympia günstige Buchungen für die Olympia-Wochen stornierten, um sie anschließend teurer zu vermieten. In Wohnungen, die mit Meerblick werben, hing am Ende nur ein Poster an der Wand. In manchen Objekten wurden Mieter heimlich gefilmt. All das trägt nicht gerade zum Positiv-Image bei.
Kein Wunder, dass viele Städte über ein Verbot der Plattform nachdenken – oder Airbnb tatsächlich kurzerhand verboten haben. So hat etwa New York im vergangenen Jahr hohe Hürden für die Kurzzeit-Vermietung von Wohnraum erlassen. Nun gilt: Wer künftig für weniger als 30 Tage am Stück vermietet, muss sich registrieren, muss im selben Objekt wohnen und seinen Mietern das gesamte Objekt bzw. die gesamte Wohnung zur Verfügung stellen. Außerdem dürfen es nur noch zwei Gäste auf einmal sein.
Städte verbannen Airbnb-Mieter
Barcelona versucht ebenfalls auf diese Art, des Massentourismus Herr zu werden, verbietet das Kurzzeit-Vermieten bis 2028 in der gesamten Stadt. Florenz lässt keine neuen Miet-Objekte mehr in der Altstadt zu. Auch andere Städte reagieren mit Einschränkungen. Berlin etwa begrenzt die Vermietdauer auf 90 Tage im Jahr, Paris auf 120.
Das Unternehmen selbst versucht auch, die Lage zu beruhigen. Minderwertigere Objekte wurden aus dem Programm gestrichen. Vor allem soll die Privatsphäre der Gäste besser geschützt werden: Airbnb verbietet alle Überwachungskameras in Innenräumen – weltweit. Bislang durften in bestimmten Bereichen der Unterkunft Gäste gefilmt werden, wenn sie darauf hingewiesen wurden. Aber das war oft nicht der Fall.
Mit "Icons" zu neuem Erfolg?
Außerdem präsentierte das Unternehmen im Mai sein neues Konzept sogenannter Icons. Das sind extravagante Unterkünfte oder auch Erlebnisse, die man nicht buchen kann. Man kann sie nur gewinnen. Beispiel Paris: Für das "Icon" im Musée d'Orsay wurde Star-Designer Mathieu Lehanneur beauftragt. Er verwandelte den Uhrenturm in ein luxuriöses Schlafzimmer. Von dort konnte man durch das Uhrwerk vom Bett aus die Eröffnung der Olympischen Spiele verfolgen.
In Australien ist ein Zugwaggon aus dem Jahr 1926 nun eine unique Airbnb-Unterkunft. In der englischen Grafschaft Kent können Gäste in einer alten Windmühle, der "Old Smock Windmill" übernachten.
Für einen Aufenthalt müssen sich Interessierte per App bewerben. Es gibt 4.000 "Golden Tickets" für die zehn Objekte weltweit. Die meisten sind gratis, manche Tickets kosten aber etwas. Auf jeden Fall will Airbnb noch weitere "Icons" bauen.
Kursrutsch nach der Quartalsbilanz
Alles in allem ist es eine durchwachsene Gemengelage bei der Vermietungsplattform, die sich auch in der Kursentwicklung niederschlägt. Nach Bekanntgabe der Zahlen zum zweiten Quartal gab es an der Börse eine Abstrafung: 14 Prozent verlor die Airbnb-Aktie Anfang August an einem einzigen Tag. Bilanz und Ausblick und die wachsende Kritik – das war zu viel für viele Anleger.
- 182,64
- 182,64
- 127,44
- 127,44
- 77,84
- 77,84
Schaut man auf den Kurs, dann zeigt sich, dass seit dem Börsengang fast ein Fünftel des Wertes futsch ist. Dabei war das Börsendebüt im Corona-Jahr 2020, im Dezember, fulminant. Die Aktie stieg am ersten Handelstag in New York zeitweise um mehr als 100 Prozent. Auch Airbnb war von Corona getroffen, aber durch den Wechsel in der Strategie, weg von Vermietungen in großen Städten schnell hin zu Ferienwohnungen, konnte sich Airbnb behaupten. Das kam an.
Wer dann aber nicht gleich wieder verkauft hat, steht heute schlechter da als beim Börsengang. 16 Prozent schlechter. Zumindest bis jetzt. Experten hatten schon damals gewarnt: Vorsicht vor einer neuen Technologie-Blase. Vorsicht vor zu viel Euphorie. Keine ganz unbekannte Warnung. Wohl dem, der sie beherzigt hat. Und es auch heute tut.
- Eigene Recherche