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DTB-Chefin Barbara Rittner: "Man muss sich Sorgen um Naomi Osaka machen"


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DTB-Chefin Rittner
"Man muss sich Sorgen um Osaka machen"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

01.06.2021Lesedauer: 6 Min.
Barbara Rittner: Die DTB-Chefin traut Alexander Zverev den großen Wurf zu.Vergrößern des Bildes
Barbara Rittner: Die DTB-Chefin traut Alexander Zverev den großen Wurf zu. (Quelle: Beautiful Sports/imago-images-bilder)
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Der Rückzug von Naomi Osaka ist das beherrschende Thema bei den French Open. t-online hat mit der deutschen Tennis-Chefin Barbara Rittner gesprochen – über Osakas Entscheidung sowie die Rolle der Medien.

Erstmals seit mehr als 60 Jahren steht bei den French Open keine deutsche Spielerin in der zweiten Runde. Zuletzt war Andrea Petkovic ausgeschieden. Zuvor mussten bereits Angelique Kerber und Laura Siegemund die Segel streichen.

"Das ist alles nicht so positiv gerade", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner nach dem Ausscheiden der beiden deutschen Damen bereits bei "Eurosport".

Fest steht: Die "Goldene Ära" um die einstigen Tospspielerinnen Kerber (33), Laura Siegemund (33) und Petkovic (33) neigt sich dem Ende entgegen.

Doch wie sieht die Zukunft aus? Bahnt sich eine neue Generation seinen Weg an die Spitze? t-online hat im Rahmen der French Open mit DTB-Chefin Barbara Rittner gesprochen – über den Nachwuchs, den Rückzug von Naomi Osaka sowie die Stellung des Tennis im "fußballgeprägten" Deutschland.

Frau Rittner, wie würden Sie die Situation im deutschen Damentennis und auch im Nachwuchsbereich aktuell bezeichnen? Noch vor knapp zwei Jahren sprachen Sie von einem "besorgniserregenden Gesamtbild".

Wir haben großartige Talente, aber wir haben keine Ausnahmetalente. Da gibt es Spielerinnen, die ihr Abitur machen oder es gerade gemacht haben. Aber es gibt im deutschen Tennis aktuell keine 14- oder 15-Jährige, bei der ich sofort sage: "Wartet mal noch zwei Jahre, die wird die Überfliegerin".

Eine dieser Überfliegerinnen auf der Tour ist die Polin Iga Swiatek, French-Open-Siegerin vom vergangenen Jahr, die am Montag erst 20 Jahre alt wurde.

Swiatek war eben schon mit 14,15 besonders gut, das hat man damals schon gesehen. Ich mache viel Jugendarbeit, da siehst du schon sehr früh, wann und ob sie durchstarten. Bei den deutschen Talenten ist es aktuell noch eine Frage der Zeit. Da stellt sich dann auch immer die Frage: Halten sie durch? Sind sie zäh genug und in der Lage, oft genug ihre Komfortzone zu verlassen?

Das hört sich so an, als seien einige Spielerinnen oder Spieler eben nicht mehr bereit, dies zu tun.

Ich muss schon sagen, dass gerade bei den jüngeren Spielerinnen dieser Biss, die Leidenschaft und der konstante Durchsetzungswille geringer sind als beispielsweise in der vorherigen Generation.


Woran machen Sie das fest?

Das ist ein gesellschaftliches Problem und eine Erziehungsfrage. Eltern wollen immer das Beste für ihre Kinder. Aber so ist es unglaublich schwer, Leistungssport zu machen. Es gehört zum Leistungssport dazu, seine Komfortzone zu verlassen. Viele Kinder werden allerdings extrem wohlbehütet und verwöhnt erzogen. Und dann braucht es eben seine Zeit, bis sie sich ein gewisses Fell angeeignet haben.

Ist der mentale, vielleicht auch mediale Druck zu groß geworden? Naomi Osaka boykottierte die Presse bei den French Open – und begründete das auch mit ihrer psychischen Gesundheit. Der Veranstalter drohte ihr mit einer Disqualifikation. Am Montag zog sie daraus die Konsequenzen und zog sich aus dem Turnier zurück. Sie sprach von Depressionen seit 2018.

Sie hat sehr ergreifende Zeilen veröffentlicht und mit ihrem Statement noch mal genauer erklärt, was sie seit 2018 durchlebt hat – und auch offen über ihre Angstzustände gesprochen. Es ist nur konsequent, dass sie nun diesen Schritt wählt und aus dem Turnier aussteigt. Dafür hat sie mein vollstes Verständnis. Umso bemerkenswerter ist es, was sie in den vergangenen drei Jahren geleistet hat. Depression ist ein sehr ernstes Thema, mit dem keinesfalls zu spaßen ist. Man muss sich auf alle Fälle Sorgen um sie machen. Ich wünsche ihr nur das Beste.

Apropos Verhältnis zu Medien: Sascha Zverev sagte jüngst nach seinem Sieg bei den Masters in Madrid, die deutschen Medien würden sich nicht für Tennis interessieren. Hat er recht?

Ich bin zwiegespalten. Im Großen und Ganzen ist die Wahrnehmung schon da. Aber der Stellenwert ist eben ein anderer. Ich finde es traurig, wie fußballgeprägt Deutschland ist. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich schaue selbst leidenschaftlich gerne Fußball, gehe auch ins Stadion. Aber der Fußball steht über allem und dann kommt lange, lange nichts. Im Tennis ist die Messlatte durch die Erfolge von Graf, Becker oder auch Kerber zudem so hoch, dass ein Masters-Turnier in Madrid oder Rom erst mal nicht groß wahrgenommen wird. Und dann ist natürlich noch wichtig, wo und von wem es übertragen wird.

Die öffentlich-rechtlichen Sender zeigen verhältnismäßig wenig Tennis.

Da ist sehr, sehr wenig zu sehen, ja. Ich glaube, dass viele normale Leute einfach auch gar nicht wissen, wer Sascha Zverev ist. Die wissen vielleicht: "Da ist so ein Tennisspieler". Aber die Zeiten, in denen man die Akteure wirklich kennt, sind vorbei. Und das hat auch viel mit den Übertragungsrechten zu tun.

Sascha Zverev scheint bei der deutschen Bevölkerung aber auch so nicht den besten Stand zu haben.

Er hat zu Beginn der Corona-Pandemie ein paar Böcke geschossen, da verliert man kurzfristig sicher Fans. Aber solche Fehler gestehe ich einem jungen Menschen auch zu. Am Ende ist für ihn entscheidend, auch mal das ganz große Turnier zu gewinnen. Vielleicht reden wir schon in zehn Tagen von einem Grand-Slam-Champion.

Im Herbst 2018 hat er allerdings schon die ATP-Finals gewonnen, was keinen nachhaltigen Effekt hatte.

Da hatte er aber auch noch ein Management, das klar und offen gesagt hat: 'Uns interessiert der deutsche Markt nicht, Sascha ist ein internationaler Superstar‘. Wenn dann medial immer zuerst der internationale und dann erst der deutsche Markt bedient wird, kriegst du eben dafür die Quittung. Da hat er aber auch gelernt umzudenken. Ich persönlich mag ihn unheimlich gerne. Er ist eben nicht jemand, der nur 0815-Interviews gibt sondern auch etwas von sich preisgibt und zeigt, dass er noch ein junger Mann ist, der sein Herz auf der Zunge trägt.

Sie selbst stehen aktuell wieder für Eurosport als Expertin vor der Kamera. Was wären Ihrer Meinung nach die wichtigsten Änderungen, um den Tennissport, auch im TV, attraktiver zu machen?

Wenn man mit TV-Anstalten bezüglich möglicher Tennisübertragungen spricht, fragen die immer: 'Wann und wie lange spielt der oder die denn?‘ Und dann kann man es eben nicht genau sagen. Möchte man den Fernsehsendern entgegenkommen, müsste man sicher die Matchdauer verkürzen – oder zumindest in einen Bereich kommen, in dem man abschätzen kann, wie lange ein Match dauert. Aber dagegen wehrt sich natürlich mein Traditionsherz. Ich liebe diese Best-of-Five-Matches und gehöre zu den Verrückten, die sich das dann auch komplett anguckt.

Das eine sind die TV-Zuschauer, das andere die Fans live in den Stadien. Wäre es denn realistisch, ein Masters-Turnier nach Deutschland zu holen? Sie sind Turnierdirektorin des neuen Damen-Turniers in Berlin.

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Erst einmal ist es wichtig, was in den vergangenen Monaten und Jahren passiert ist. Bad Homburg, Berlin und Hamburg erscheinen neu auf der WTA-Bühne, dazu der Porsche-Grand-Prix in Stuttgart als etabliertes Turnier. Natürlich wäre es wünschenswert auch ein Masters-Turnier hierzulande zu haben, aber da ist man ganz schnell bei Kosten von 10 Millionen Euro.

Was kostet denn so ein 500er Damen-Turnier in Berlin?

Die Grundkosten liegen bei drei bis vier Millionen Euro. Das geht alles nur mit einem Titelsponsor, der das Ganze finanziert. Wenn du den nicht hast, hast du keine Chance das Turnier auszutragen, weil du sonst tief in die roten Zahlen gehst. Für die jungen Spielerinnen ist solch ein Turnier in Deutschland Gold wert. Eine Wild-Card zu erhalten und Erfahrungen sammeln zu können hilft enorm in der Entwicklung. Mein persönlicher Traum ist es, in zehn Jahren Direktorin eines Masters der Damen und Herren in Berlin zu sein. Aber das ist noch ein ganz weiter weg.

Für das Rasenturnier in knapp zwei Wochen in Berlin haben acht Top-10-Spielerinnen zugesagt. Wie groß ist die Vorfreude bei Ihnen?

Das wird der Hammer. Mir war klar, dass wir in Berlin etwas Besonderes machen und einen Termin finden mussten, an dem alle spielen wollen. Dieser Termin vom 14. bis 20. Juni, zwei Wochen vor Wimbledon, ist perfekt für die Spielerinnen. Darum kommen die alle. Wer weiß, vielleicht bekommen wir sogar alle Top-10-Spielerinnen. Ich bin jedenfalls voller Vorfreude und auch sehr stolz, dass wir diese großartige Besetzung hinbekommen haben.

Die Veranstalter des Mercedes-Cups in Stuttgart mussten dagegen in den sauren Apfel beißen. Durch die Verschiebung der French Open um eine Woche werden die meisten Top-Spieler nicht dabei sein können.

Dass dieser Termin in Stuttgart jetzt in der zweiten Woche von Paris stattfindet, war sowas von rücksichtslos von den französischen Kollegen. Wenn ich nur daran denke, schwillt mir der Kamm. Das fand ich bodenlos. Aber die Grand-Slam-Turniere können anscheinend machen, was sie wollen – ohne Rücksicht auf Verluste. Gott sei Dank tangiert uns in Berlin diese Verschiebung nicht.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Barbara Rittner
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