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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Torflaute bei der DFB-Elf Der große Gewinner stand gar nicht im Kader
Gegen die Ukraine biss sich die deutsche Offensive die Zähne aus. Ein Rückkehrer macht Hoffnung.
Aus Mönchengladbach berichtet Noah Platschko
Bundestrainer Julian Nagelsmann wollte nach dem 0:0 gegen die Ukraine am Montag gar nicht groß lamentieren, als es um die vielen vergebenen Torchancen ging. "Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Es war ein gutes Spiel mit sehr viel Leidenschaft. Nach einer Woche Training haben wir sehr viel reingeworfen. Ich bin sehr guter Dinge, dass wir diesen einen Moment noch kreieren, dass wir das Tor machen und dann noch weitere folgen lassen", erklärte er.
Das DFB-Team hatte sich Chance um Chance in dem vorletzten Testspiel vor der Heim-EM erspielt – nur der Ball wollte einfach nicht den Weg ins Tor finden. Am Freitag gegen Griechenland ruht daher die Hoffnung auf einem, der gegen die Ukraine gar nicht im Kader stand.
Es bedarf keiner großen Fantasie zu erahnen, dass das Erzielen von Toren zum Kerngeschäft einer Mannschaft gehört. An der Ukraine biss sich die zweifelsohne gut auftretende deutsche Mannschaft die Zähne aus. Ein wenig erinnerte der Chancenwucher des DFB-Teams an dunkle Zeiten aus Katar zurück. Er glich der Phase zwischen dem 1:0 und dem 1:1 aus dem ersten Vorrundenspiel bei der Weltmeisterschaft 2022 gegen Japan, bei der Deutschland etliche Abschlüsse verbuchen konnte. Torchancen ja, aber Tore? Fehlanzeige. Was folgte, war ein 1:2 zum Auftakt – und wenige Tage später das Vorrundenaus.
Damals schon dabei: Thomas Müller. Er gehört zweifelsohne zu den älteren Semestern im Nationalteam. 2010, nur wenige Tage vor der WM in Südafrika sein Debüt gefeiert, hat sich der heute 34-Jährige zum "Papa" der Nationalmannschaft entwickelt.
Kommunikator Müller, ob seiner Redelust vor Jahren auf den Spitznamen "Radio Müller" getauft, gefällt sich in dieser Rolle. Bundestrainer Julian Nagelsmann schätzt die Vielseitigkeit des Stürmers, sowohl auf als auch neben dem Platz. Müller könne "sowohl mit den Rappern als auch mit den Jodlern" gut umgehen, gab der Coach unlängst preis. Der Bayern-Spieler selbst offenbarte, schon mal den mahnenden Zeigefinger zu heben, sofern der eine oder andere jüngere Mitspieler vergisst, ein "der, die, das" in seine Sätze einzubauen. Alles natürlich spaßig gemeint, wie auch sonst.
Müller bringt eine gewisse Lockerheit ins Team. Nicht nur deswegen ist er nach wie vor ein wichtiger Faktor in dieser Nationalmannschaft. Kein Name wurde beim Testspiel gegen die Ukraine von den Fans so laut gebrüllt wie dieser des Bayern-Spielers. In der 59. Minute wurde er für Arsenals Kai Havertz eingewechselt und übernahm dessen Rolle im Sturmzentrum. Ein Tor sollte Müller am Montag allerdings wie den anderen insgesamt 16 eingesetzten Feldspielern nicht gelingen.
Müller und Havertz auf der Neun – ohne Erfolg
Havertz und Müller, die beiden Neuner des Ukraine-Spiels, verbuchten am Montagabend in Nürnberg gemeinsam nur zwei Torabschlüsse. Eine beachtlich mickrige Ausbeute für zentrale Stoßstürmer, gehört zu dessen Hauptaufgabe doch das Abfeuern von Schüssen. So war der große Gewinner des vorletzten Testspiels Niclas Füllkrug. Nach der Champions-League-Pleite mit Borussia Dortmund bereits am Montagabend angereist, fehlte Füllkrug noch im Aufgebot gegen die Ukraine.
Die Präsenz und Abschlussstärke des BVB-Angreifers hätte möglicherweise der entscheidende Faktor zum Torerfolg sein können. Vier seiner insgesamt 16 Saisontreffer für den BVB erzielte Füllkrug mit dem Kopf, seine Anwesenheit im Fünfmeterraum hätte bei Flanken sicherlich ein weiterer Unruhefaktor sein können. "Er ist ein starker Junge. Er gibt unserer Mannschaft sehr viel, ist ein klassischer Stürmer, sehr physisch, der uns vor dem Tor hilft", sprach Mitspieler Antonio Rüdiger am Mittwoch in höchsten Tönen vom ehemaligen Werder-Stürmer.
Gegen Griechenland wird aber wohl erneut Havertz in der Startelf stehen. Dies deutete Nagelsmann auf der Pressekonferenz am Donnerstag an. "Wenn Kai performt, hat er ein bisschen die Nase vorn", erklärte der Bundestrainer. "Aber auch Niclas wird seine Einsatzzeiten bekommen. Beide kennen ihre Rolle." Einem Spieler wird der Bundestrainer noch mitteilen, dass er nicht bei der Heim-EM dabei sein wird – auch darüber sprach der 36-Jährige auf der PK.
Nichtsdestotrotz: Auch ohne Füllkrug oder Havertz erarbeitete sich die Nagelsmann-Elf etliche Möglichkeiten. Allein die eingewechselten Deniz Undav und Maximilian Beier, die hervorragend Werbung in eigener Sache betrieben, hatten gleich doppelt den Führungstreffer auf dem Fuß. Nur das Tor, es wollte nicht fallen.
Beide sehen sich in der Herausforderer-Rolle auf der Zehner- beziehungsweise einer Außenposition. Niclas Füllkrug hingegen wird den Zweikampf mit Kai Havertz um die Startposition auf der Neun suchen.
Und da wäre natürlich noch Thomas Müller. Er selber könne seine Rolle realistisch einschätzen. Sein Spiel, so erzählte er am Dienstag, sei in den vergangenen Jahren "deutlich mehr zum Ball" gewandert. "Die technische Seite ist besser geworden, ich verliere deutlich weniger Bälle". Seinem Charakter bei Fifa gelingt das nur bedingt. "Wiederholt kluge, sinnvolle Sachen machen", sei die Kategorie, die er bei der digitalen Version seiner selbst programmieren würde. Eine Fähigkeit, die auch der echten Nationalmannschaft gut zu Gesicht stünde.
- DFB-Pressekonferenzen mit Julian Nagelsmann, Thomas Müller und Antonio Rüdiger
- Eigene Recherche
- DFB-Medientag am 4. Juni