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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozessauftakt Kölner Drogenkrieg: Spektakuläre Details enthüllt

Die ersten Angeklagten stehen im Kölner Drogenkrieg vor Gericht. Die Anklage enthüllt einen brisanten Verrat. Er löst eine beispiellose Gewaltspirale aus.
Die rote Gerichtsmappe zittert, als Aymen G. am Mittwoch (9. April) im Gerichtssaal Platz nimmt. Der 22-Jährige spricht ein wenig verunsichert mit seinem Anwalt Carsten Heinen, als sein Auftritt von Fotokameras begleitet wird. Sein Gesicht zeigt Aymen G nicht. Der fast schüchtern wirkende Mann soll derjenige sein, der den rheinischen Drogenkrieg ausgelöst haben soll.
Nach zehn Monaten sitzen am Landgericht Köln die ersten Männer auf der Anklagebank, die Teil einer mittlerweile berüchtigten Kalker Drogenbande gewesen sein sollen. Die Gruppierung bestand aus mindestens elf Personen, die durch ihre Taten Köln wochenlang in Angst und Schrecken versetzten. Schüsse, Explosionen, Geiselnahmen und Folter erschütterten die Stadt.
Kölner Drogenkrieg: Verrat löst Explosionen, Schüsse und Geiselnahmen aus
Auslöser dafür soll ein Verrat gewesen sein, der einem Drehbuch eines Netflix-Autors entsprungen sein könnte. Nur dass der Drogenkrieg nicht in Kolumbien oder Mexiko spielt, sondern in einem Industriegebiet in Hürth. Vor den Toren Kölns werden am 21. Juni 2024 703 Kilogramm Marihuana in einer Lagerhalle versteckt. Qualitätsgrad: "mindestens durchschnittlich" laut Staatsanwaltschaft.
Aymen G., der Transporterlieferant der Drogenbande, soll dabei geholfen haben, die Lieferung der Drogen durch die Mitangeklagten Saddam B. und Aymen S. in den frühen Morgenstunden aus den Niederlanden nach Hürth organisiert zu haben. Um 6.47 Uhr kommt der später fatale Transport dort an, zwei Stunden später verschwinden die Angeklagten. Sie überlassen das Feld drei Bewachern, die mit drei geladenen Revolvern die Drogen verteidigen sollen.
Köln: Marihuana-Diebe stecken Mann Maschinenpistole in den Mund
Saddam B. ist dabei nicht nur Lieferant, sondern auch Teil der Sicherheitscrew. Er soll am nächsten Tag abends die Lagerhalle bewachen, als plötzlich drei Männer mit Maschinengewehren auftauchen. Sie bedrohen den 22-Jährigen, einer steckt ihm den Lauf der Waffe in den Mund. "Wenn du redest oder uns verrätst, töte ich dich", so die unmissverständliche Botschaft der Diebe. Gerade mal neun Minuten dauert der Überfall, dann sind die Diebe verschwunden – mit 350 Kilogramm Marihuana.
- Geiselnahmen, Folter, Explosionen: Gegen diese Männer ermittelt die EG "Sattla"
Den entscheidenden Tipp für die unbekannten Diebe soll Aymen G. gegeben haben. Zwischen ihm und den Mitangeklagten sitzt nicht nur sein Verteidiger, sondern auch zusätzliches Sicherheitspersonal. Während der Anklageverlesung wechseln die Angeklagten keine Blicke, schauen stoisch in Richtung Staatsanwalt Reiner. Rechtsanwalt Heinen sieht für seinen Mandanten "keine akute Bedrohung". Ob Aymen G. für die Taten verantwortlich sei, müsse die Beweisaufnahme zeigen. Am Mittwoch machen alle drei Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch.
Drogenkrieg: Kopf der Kalker Bande sucht wütend nach Verräter
Der mutmaßliche Kopf der Bande Karim A. (Name geändert) soll nach dem Verräter in den eigenen Reihen gesucht haben. Die Folge waren Geiselnahmen, Explosionen vor Wohnhäusern und in der Kölner Innenstadt sowie Schüsse auf mehrere Gebäude. Die Gewaltspirale eskalierte im Herbst 2024 zunehmend, die Polizei vermutet starke Verbindungen in die Niederlande.
Aymen S. und Saddam B. wird bewaffnetes und bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis zur Last gelegt. B. muss sich zudem wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Aymen G. dagegen wird zunächst nur Beihilfe zum Handel vorgeworfen, dafür aber im Anschluss besonders schwerer Raub, Freiheitsberaubung und Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Cannabis.
Wo die 350 Kilogramm Marihuana abgeblieben sind, ist derzeit unklar. Die Kalker Drogenbande operierte deutschlandweit, lieferte unter anderem Kokain, Marihuana, Heroin und Ecstasy nach München, Dresden und Frankfurt am Main. Am 23. April soll das Verfahren in Köln fortgesetzt werden. Dann könnten erste Zeugen Licht ins Dunkel bringen.
- Reporter vor Ort