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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Sicherheit, Sessionshits, Wetter Konfetti gegen Weltschmerz: So war die Session 2025

Am Aschermittwoch ist alles vorbei. t-online blickt zurück auf eine Session, die besonders war – und dann doch wieder herrlich normal.
Der Nubbel ist verbrannt, das Kostüm in der Waschmaschine, das Konfetti vom Fußboden gesaugt: Köln verabschiedet sich am heutigen Aschermittwoch vom Karneval, der Alltag kehrt zurück. Während der Kater langsam schwindet, ist es Zeit, zurückzublicken und ein Fazit zu ziehen. Was wird den Kölnern in Erinnerung bleiben? Was wollen sie lieber schnell vergessen? t-online hat das Wichtigste zur Session zusammengetragen.
Das Motto: "FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe"
Besser hätte ein Motto nicht in die Zeit passen können: In Krisenzeiten sehnen sich die Menschen eben nach Frieden, Liebe, Normalität. Das Motto inspirierte Hunderttausende, sich als Hippies zu verkleiden und die Liebe auf Kölns Straßen zu tragen. Genau das brauchte es – das erste queere Dreigestirn der Domstadt trug einen weiteren wichtigen Teil dazu bei, Toleranz und Vielfalt zum Fokusthema der Session zu machen. Konfetti gegen den Weltschmerz sozusagen, ein Stück Lebensfreude in einer deprimierenden Lage.
Der Sessionshit (und seine inoffiziellen Konkurrenten)
In der traditionell männlich geprägten kölschen Musikszene setzte sich beim Liederwettbewerb "Loss mer singe" erstmals eine Band mit Sängerin durch. Kempes Feinest holten mit "Wenn et Leech usjeiht" Ende Februar den Titel in der Live Music Hall. In den Kneipen war an den Karnevalstagen aber vor allem ein anderer Song zu hören: "Rakete" vom Frauenquartett Mätropolis lief überall rauf und runter und begeisterte auch das jüngere Publikum. Und dann war da noch ein anderer Song, der zwar eher Aprés-Ski-Feeling versprühte, aber eben auch zu allerlei Kostümen inspirierte: "Wackelkontakt" von Oimara, einem Sänger aus Bayern. Die "Lampe aus den 70ern" glüht gern vor und geht gern aus – so wie der Kölner zu Karneval eben.
Sicherheitskonzept und Sicherheitsgefühl
Ein vom "Islamischen Staat" (IS) veröffentlichter Aufruf zu Terroranschlägen an Weiberfastnacht traf die Kölner zwei Tage vor dem Start des Straßenkarnevals ins Mark. Schnell war allerdings klar: Die Jecken lassen sich davon nicht einschüchtern. Eine Absage der Feierlichkeiten auf dem Alten Markt stand nie ernsthaft zur Diskussion. Mit einem nochmals angepassten Sicherheitskonzept, der Bewachung durch 2.000 Polizisten und dem Aufruf, wachsam zu sein, ging schließlich alles wie geplant über die Bühne. Und es blieb friedlich – zum Glück. An Weiberfastnacht waren die Straßen allerdings deutlich leerer als in den Jahren zuvor – ob das mit dem IS-Aufruf zusammenhing, ist allerdings reine Spekulation.
An Rosenmontag wurde der Zoch überschattet von den Nachrichten aus Mannheim, wo ein Auto in eine Menschenmenge gerast war. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) brach daraufhin ihren Besuch in Köln ab, das Festkomitee zeigte sich geschockt über die Ereignisse. Den Zug hätte man zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr absagen können.
Neben der allgemeinen Sicherheitslage in Deutschland beunruhigen in Köln vor allem sexuelle Übergriffe an Karneval: An Weiberfastnacht kam es zu zwei Vergewaltigungen in mobilen Toiletten, schon am 11.11. war die Zahl der sexuellen Übergriffe gestiegen. Eine Umfrage von t-online unter Frauen ergab, dass das Feiern in Kneipen offenbar als sicherer empfunden wird als auf der Straße.
Zülpicher Straße: Brauchtum zu Besuch
Das Dreigestirn hatte es vor dem Start in den Straßenkarneval im Gespräch mit t-online noch einmal bekräftigt: Die Party auf der Zülpicher Straße gehöre eben zum Karneval dazu. Und diesmal blieb sie sogar ohne Skandale: Der Hotspot musste an keinem der sechs Karnevalstage wegen Überfüllung gesperrt werden. Das war in den vergangenen Jahren teils schon morgens um 9.30 Uhr der Fall. Deshalb blieb auch die Ausweichfläche auf den Uniwiesen so gut wie leer.
Und sogar das traditionelle Brauchtum hielt erstmalig Einzug auf der als Ballermann-Kopie berühmten Meile. Aus den Fenstern des Kult-Lokals "Oma Kleinmann" spielten die Kölner Ratsbläser überraschend ein Konzert mit Karnevalsliedern und wurden dafür von den jungen Zuschauern gefeiert. Einen Ampel-Kletterer gab es allerdings auch in diesem Jahr.
Wetter: Mit dem Rosenmontag kam der Frühling
Wer erinnert sich nicht an die furchtbar verregnete Weiberfastnacht 2024? Im strömenden Regen waren die großen Plätze teils schon mittags völlig leergefegt. Diesmal kam der Regen am Donnerstag erst abends und dann gar nicht mehr. An Rosenmontag rollte der Zoch bei strahlendem Sonnenschein durch die Domstadt. Die bösen Geister des Winters hat der Karneval in diesem Jahr offenbar wirklich erfolgreich vertrieben. Und selbst der Aschermittwoch ist bei Sonnenschein erträglicher.
Der Zoch: Politisch bissig – und ohne Strüßjer
Eine Woche blieb den Wagenbauern, um den Ausgang der vorgezogenen Bundestagswahl aufzugreifen. Schließlich rollte einer von zwei Überraschungswagen mit einem Merz-Motiv los. Der designierte neue Bundeskanzler hebt dabei ausgerechnet die rechte Hand zum Victory-Zeichen – wohl kein Zufall. Aus den Namen des noch amtierenden Kanzlers und des neuen Kanzlers wird "Schmerz", und die aus dem Bundestag ausgeschiedene FDP bekam auch noch ihr Fett weg.
Natürlich durfte auch ein Wink in Richtung Lokalpolitik nicht fehlen. Die Kölner Verkehrswende betrachten die Wagenbauer als "für den Arsch", eine KVB-Bahn, Autos und Radfahrer fahren symbolisch in ein überdimensioniertes Hinterteil ein.
Ein Wagen zum Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche löste im Vorfeld Empörung aus. Unter dem Motto "Jesus liebt dich" lockt eine Hand einen kleinen Jungen in eine Kirche. Während das Festkomitee Kölner Karneval die Darstellung als "notwendige gesellschaftliche Satire" verteidigte, kritisierte das Erzbistum sie als "grenzüberschreitend".
Kamelle gab es im Rosenmontagszug natürlich reichlich – das Festkomitee verzichtete in diesem Jahr allerdings das erste Mal auf Blumen auf seinem eigenen Wagen. Die "Strüßjer", wie sie in Köln heißen, seien einfach zu teuer.
Überhaupt, die Kosten: sie explodieren. Deshalb wurden die Teilnehmergebühren erhöht, in Zukunft könnte es noch mehr teure Tribünenplätze geben, um den Zug zu finanzieren. Noch schlimmer ist die Situation für kleine Vereine, die beispielsweise den Geisterzug am Samstag vor Karneval organisieren. Hier gilt es in den kommenden Jahren, Lösungen zu finden, wie Vereine die hohen Sicherheitsauflagen erfüllen können, ohne dabei bankrottzugehen.
- Eigene Recherche