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Besuch von US-Präsident Biden in Deutschland: Putin lacht mit


Biden in Deutschland
Auch Putin applaudiert

MeinungVon Patrick Diekmann

18.10.2024 - 16:23 UhrLesedauer: 4 Min.
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Joe Biden und Olaf Scholz: Die Stimmung beim Besuch des US-Präsidenten in Berlin ist äußerst gut.Vergrößern des Bildes
Joe Biden und Olaf Scholz: Die Stimmung beim Besuch des US-Präsidenten in Berlin ist äußerst gut. (Quelle: Marvin Ibo Guengoer/reuters)

Joe Biden und Kanzler Olaf Scholz tauschen beim Besuch des US-Präsidenten in Deutschland warme Worte aus, bleiben aber in Bezug auf den Ukrainekrieg und den Nahostkonflikt vage und unkonkret. Das können sie sich aktuell eigentlich nicht leisten.

Da wird den politischen Beobachtern in Berlin warm ums Herz. Der Staatsbesuch des US-Präsidenten Joe Biden in Deutschland hatte vor allem viele Wohlfühlmomente. Biden wurde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz herzlich empfangen und bekam das Bundesverdienstkreuz verliehen. Der US-Präsident lachte oft, packte sich ans Herz, wirkte gelegentlich sogar verlegen in Anbetracht der vielen warmen Worte von Scholz und Steinmeier. Und auch er bezeichnete Deutschland als "engsten und wichtigsten Verbündeten" der Vereinigten Staaten.

Das ist Balsam für die deutsch-amerikanische Freundschaft und es ist vielleicht der größte Erfolg von Scholz und Biden, dass sie diese Beziehungen repariert haben. Nach schwierigen Jahren, in denen der ehemalige US-Präsident Donald Trump die transatlantischen Beziehungen mit seiner Politik und rüpelhaften Attitüde schwer beschädigt hatte.

Beim Staatsbesuch von Biden in Berlin steht vorwiegend das Symbolische im Fokus, es ist eine Demonstration der Freundschaft, die Biden und auch Scholz guttut. Immerhin stehen beide in ihren Ländern innenpolitisch unter Beschuss, kämpfen mit niedrigen Beliebtheitswerten. Da tut es sichtlich gut, auf einer möglichst großen internationalen Bühne Komplimente auszutauschen.

Doch eines liegt auf der Hand: Das war nicht genug. Sowohl Scholz als auch Biden blieben in ihren Ausführungen zum Ukrainekrieg vage, verkündeten keine konkreten Maßnahmen. Dabei benötigen die Unterstützer des ukrainischen Verteidigungskampfes und auch die ukrainische Führung selbst aktuell ein Zeichen des Aufbruchs von den westlichen Führungsmächten, denn die Lage für die Ukraine im Kampf gegen Russland ist aktuell alles andere als einfach.

Dennoch wurde der Biden-Besuch in Deutschland zu einer inhaltlichen Luftnummer – und davon profitiert am Ende nur Wladimir Putin.

Selenskyjs "Siegesplan" sollte nicht ignoriert werden

Wenn Biden in Berlin die Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien trifft, schauen internationale Akteure genauer hin, welche Signale mit Blick auf die Ukraine kommuniziert werden. Doch ebendiese Kommunikation war am Freitag ein Totalausfall. Biden und Scholz blieben auf den Linien, die sie seit Kriegsbeginn vertreten: Die Ukraine darf den Krieg nicht verlieren und muss weiter unterstützt werden.

Aber wie?

Auch wenn in den Gesprächen im Quad-Format mit Biden, Scholz, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer höchstwahrscheinlich auch über eine mittelfristige Strategie im Ukrainekrieg gesprochen wurde, reicht das nicht aus. Denn das ersetzt nicht die Entschlossenheit und den Durchhaltewillen, der von den westlichen Führungsmächten kommuniziert werden muss – besonders in Zeiten, in denen in westlichen Gesellschaften ohnehin die Kriegsmüdigkeit wächst.

Dieses öffentliche Schweigen ist fatal für die Kampfmoral. Schließlich hat der ukrainische Präsident Selenskyj in dieser Woche seinen sogenannten "Siegesplan" vorgestellt. Einen Plan, den er in den vergangenen Monaten all seinen Verbündeten auch persönlich vorgestellt hatte.

Zwar sind viele der ukrainischen Appelle in dem Plan aktuell unrealistisch und für den Westen nur schwer politisch umsetzbar – etwa der Nato-Beitritt oder der Schutz des ukrainischen Luftraums durch die Nato. Trotzdem ist es falsch, Selenskyjs Plan öffentlich weitestgehend zu ignorieren. Denn der Ball liegt nun in der Hälfte des Westens und es sind die westlichen Führungsmächte, die maßgeblich darüber entscheiden, ob es die Ukraine in Zukunft noch geben wird.

Putin gerät nicht unter Druck

Doch wie wollen vor allem die Europäer eine längerfristige Unterstützung der ukrainischen Armee sicherstellen? Wie will man sich darauf vorbereiten, wenn nun Donald Trump die US-Wahl am 5. November gewinnen sollte? Die USA werden in jedem Fall Verantwortung an Europa abgeben wollen, doch die Europäer haben bisher kaum eine Antwort darauf. Das ruft große Unsicherheiten bei der Ukraine und im gesamten westlichen Bündnis hervor.

Dabei liegt eines auf der Hand: Läuft es so weiter wie bisher, gewinnt Putin diesen Krieg. Deshalb ist nun zwingend eine Kurskorrektur des Westens erforderlich, und wenn es noch keinen genauen Plan gibt, müssen Ankündigungen kommen, die zumindest mehr Sicherheit schaffen. Denn dieser Abnutzungskrieg folgt einer Logik: Ist eine Kriegspartei auf der Verliererstraße, passt sie ihre Strategie an, um diesem Trend entgegenzuwirken.

Doch das westliche Bündnis benötigt für diese Kurskorrekturen immer mehr Zeit als Russland – und das ist eine deutliche Schwäche.

Video | "Ich bin überwältigt, nicht nur von dem Orden"
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Quelle: t-online

Wenn der Kurs dagegen passt, sind Wohlfühlbesuche zur Pflege der bilateralen Freundschaften wichtig und richtig. Nur haben Biden und Scholz erneut eine Gelegenheit verpasst, Russland unter Druck zu setzen. Sie müssen Putin unter Zugzwang setzen, denn nur so hinterfragt er seine Strategie, die weiterhin auf einen militärischen Sieg setzt. Im Zweifel freut sich der russische Präsident über einen Orden für Biden im Schloss Bellevue weitaus mehr als über eine Ankündigung einer neuen Ukraine-Strategie des Westens. Dementsprechend dürfte Bidens symbolischer Besuch in Berlin nicht nur in Deutschland ein warmes Gefühl ausgelöst haben, sondern auch im Kreml.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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