Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Militärhilfen für die Ukraine Biden greift in die Trickkiste
Ein milliardenschweres Militärpaket für die Ukraine steckt im US-Kongress fest. Nun könnte US-Präsident Biden auf einen Trick zurückgreifen – und so Trumps Republikaner übertölpeln.
Seit Monaten stellen sich die Republikaner quer. Bereits im Oktober hatte US-Präsident Joe Biden den Kongress um die Bewilligung neuer Militärhilfen für die Ukraine gebeten. Das Paket soll 61 Milliarden US-Dollar umfassen. Doch seitdem tut sich fast nichts.
Zuletzt wäre es beinahe zu einer Einigung gekommen: Die Republikaner hatten ihre Zustimmung zu den Militärhilfen in Aussicht gestellt, sollte Biden sich dazu durchringen, an der Grenze zu Mexiko härter gegen den Zustrom von Migranten durchzugreifen. Doch Donald Trump, republikanischer Anwärter auf das Weiße Haus, torpediert die Einigung. Er hat einerseits kein Interesse an einer Regelung des Problems an der Grenze, da es ihm politisch nützt. Und andererseits hat er sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs nicht als großer Freund der Ukraine hervorgetan.
Deshalb greift Biden nun offenbar zu Tricks, um die Ukraine dennoch zu unterstützen. Wie das US-Magazin "Forbes" berichtet, plant der Präsident einen Ringtausch von Waffen mit Drittländern, um Kiew auszurüsten. Damit wäre Biden nicht auf die Zustimmung des Kongresses für Militärhilfen angewiesen. Doch wie genau soll der Trick funktionieren? Und können die USA der Ukraine so weiter schlagkräftige Hilfe leisten?
Nimmt sich Biden bei Scholz ein Vorbild?
Laut "Forbes" steht ein Ringtausch im Raum, der folgendermaßen funktionieren könnte: Die USA rüsten ein drittes Land mit Militärgerät aus, damit dieses wiederum Waffen an die Ukraine liefert. Ähnlich ging bereits die Bundesregierung vor. So wurden Tschechien und die Slowakei mit modernen Leopard-Kampfpanzern ausgestattet. Dafür gaben diese Kampfpanzer aus Sowjetzeiten an die Ukraine ab. Zudem erhielt Griechenland deutsche Schützenpanzer des Typs Marder und sendete im Gegenzug sowjetische BMP-1-Schützenpanzer nach Kiew.
Die Bundesregierung hatte dieses Verfahren nach offiziellen Angaben angestrengt, weil damals noch kein Verbündeter der Ukraine moderne Kampfpanzer an die Ukraine geliefert hatte. Zudem war stets angemerkt worden, dass ukrainische Soldaten zunächst langwierig an dem deutschen Gerät ausgebildet werden müssten. Mittlerweile hat Deutschland der Ukraine auch direkt Dutzende Leopard-Kampfpanzer geliefert. Diese sind zuletzt zum Gegenstand von Kritik geworden. Mehr dazu lesen Sie hier.
Mit einem Trick am US-Kongress vorbei
Die USA haben durch die Blockade der Republikaner nun anders geartete Probleme als die Bundesregierung seinerzeit. Doch Biden hat offenbar Gefallen an der deutschen Idee gefunden. Um den Ringtausch US-amerikanischer Art umzusetzen, will sich Biden laut "Forbes" an seinem Recht bedienen, sogenannte überschüssige Verteidigungsgüter ("Excess Defense Articles", EDA) an Partnerländer abzugeben.
- Hiobsbotschaft für die Ukraine: Lassen Deutschland, USA und Co. die Ukraine im Stich?
Jährlich können die USA so auf Weisung des Präsidenten Militärgüter im Wert von bis zu 500 Millionen US-Dollar weitergeben. Der Clou: Der Präsident selbst darf festlegen, welchen Wert er bestimmten Waffensystemen oder Munition beimisst. Prinzipiell könnte Biden also überschüssige Militärgüter gratis verteilen. Das Land, welches US-Waffen erhält, muss lediglich für den Transport aufkommen.
Ein Minuspunkt dieses Vorgehens ist, dass die Ukraine lediglich älteres Material erhalten würde – so war es auch schon beim deutschen Ringtausch. Infrage kommen vor allem sowjetische Waffensysteme, mit denen die ukrainischen Streitkräfte ohnehin vertraut sind und für die sie auch Ersatzteile für Reparaturen hätten.
Dass es sich insgesamt um ältere Systeme handelt, hält der Militärexperte Nico Lange für keinen großen Nachteil. "Auch ältere Flugabwehrsysteme helfen der Ukraine", sagt Lange t-online. "Dass die USA dabei aktiv Partner ansprechen und nicht nur abwarten, ist der richtige Weg."
Ukraine könnte ältere Flugabwehrsysteme erhalten
Biden hat dabei nun Griechenland im Blick. Das Land verfügt sowohl über sowjetische Flugabwehrsysteme wie S-300, Tor oder Osa als auch über US-Modelle des Typs Hawk. Auch dieses Flugabwehrsystem ist eigentlich veraltet, wurde bereits 1959 in Dienst gestellt. Doch noch immer nutzen einige Staaten dieses System, auch die Ukraine verfügt bereits über Hawk-Flugabwehr. Vor dem Hintergrund breiter russischer Luftangriffe auf die Ukraine ist das Land vor allem auf eine möglichst flächendeckende Flugabwehr angewiesen.
- Lesen Sie auch: Biden erwägt Ringtausch mit Griechenland
Wie die griechische Zeitung "Kathimerini" meldet, könnten die USA im Gegenzug den griechischen Streitkräften drei Protector-Patrouillenboote, zwei Transportflugzeuge C-130H, zehn Turboproptriebwerke zur Modernisierung von Patrouillenflugzeugen sowie 60 Schützenpanzer des Typs M-2 Bradley liefern. Zudem wurde erst am Wochenende öffentlich, dass die USA den Verkauf von bis zu 40 F-35 Tarnkappen-Kampfjets an Griechenland genehmigt haben.
Einen zumindest ähnlichen Deal haben die USA wohl schon mit Ecuador abgeschlossen. Anfang Januar verkündete der ecuadorianische Präsident Daniel Noboa, dass die USA sein Land mit Waffen im Wert von 200 Millionen US-Dollar ausrüsten wollen. Im Gegenzug gab Ecuador laut dem "Forbes"-Bericht ältere Osa-Flugabwehrsysteme sowjetischer Bauart an die USA ab. Diese wurden wohl bereits an die Ukraine weitergegeben.
Diese Partner könnten die USA noch ansprechen
Das Vorgehen Washingtons ist nicht ganz neu. Der Militärexperte Nico Lange erklärt t-online, dass die USA schon seit einiger Zeit aktiv seien, "um insbesondere Flugabwehrsysteme weltweit bei Partnern aufzuspüren und sie für die Ukraine verfügbar zu machen". So habe die US-Administration bereits vor einiger Zeit Hawk-Systeme aus Taiwan zurückgekauft und sie für die Ukraine instandgesetzt.
Weitere solcher Systeme könnten künftig auch aus Japan, Frankreich, Belgien, Kuwait oder Spanien kommen. Zumindest gehören diese Länder laut Lange zu den größten Nutzerstaaten dieser Systeme. "Es wäre sinnvoll, auch von dort Hawk-Systeme und entsprechende Lenkwaffen für die Ukraine zu besorgen", erklärt Lange. S-300-Systeme hingegen seien rarer gesät. Neben Griechenland käme für eine Abgabe möglicherweise noch Algerien infrage.
Zur Person
Nico Lange (48) ist Politikwissenschaftler und Publizist. Von 2006 bis 2012 leitete er das Auslandsbüro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine. Von 2019 bis 2022 führte Lange den Leitungsstab im Bundesverteidigungsministerium. Aktuell ist er Senior Fellow der Zeitenwende-Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz
Diese Optionen hätte Biden außerdem
Zudem hätte Biden auch abgesehen von dem blockierten 61-Milliarden-Paket oder der Abgabe von "Überschuss-Waffen" Möglichkeiten, die Ukraine zu unterstützen, sagt Lange. Eine weitere Option wäre demnach, per exekutiver Anordnung Waffen und Munition bei der Industrie zu bestellen. "Außerdem könnte Biden bei entsprechendem Willen auch Mittel des State Department (das US-Außenministerium, Anm. d. Red.) verwenden oder die Militärhilfen für die Ukraine in den regulären Staatshaushalt der USA aufnehmen", erklärt Lange.
Folgende Möglichkeit haben die USA bei dem Deal bisher noch nicht ausgeschöpft: Selbstverständlich könnte die Ukraine auch direkt mit überschüssigem Militärgerät oder Munition ausgeschöpft werden. Dazu müsste Kiew oder ein anderes Land lediglich für den Transport des Geräts aufkommen, so "Forbes".
- Anfrage an Nico Lange
- forbes.com: "First Ecuador, Now Greece: Joe Biden Is Finding More And More Countries To Help Him Arm Ukraine" (englisch)
- kathimerini.gr: "Η επιστολή Μπλίνκεν στον Κυρ. Μητσοτάκη για τα F-35 και την αμυντική συνεργασία" (griechisch)
- spiegel.de: "Trumps zynisches Grenzspiel" (kostenpflichtig)