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Putins Flotte in Not: Ukraine kämpft um die Seehoheit


Angriffe auf der Krim
Hat Putin die Kontrolle im Schwarzen Meer verloren?

Von t-online, wan

Aktualisiert am 23.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Wladimir Putin (Archivbild): Der russische Präsident musste erneut Schläge gegen seine Schwarzmeerflotte hinnehmen. (Quelle: IMAGO/Ramil Sitdikov/imago-images-bilder)
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Fast täglich greift die Ukraine russische Einrichtungen auf der Krim an. Dahinter steckt aber ein größeres Ziel.

Ukrainische Raketen, die im Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte einschlagen, und ukrainische Getreideschiffe, die wieder aus dem Hafen auslaufen können: Die Gegenoffensive der Ukraine scheint auch auf hoher See Erfolge zu haben. Seit Wochen schickt Kiew immer wieder Raketen und Drohnen in Richtung Krim – und kann Erfolge feiern.

Zu diesen zählen nicht nur Treffer wie auf ein im Dock befindliches U-Boot oder teure Radaranlagen. Die russische Marine scheint sich langsam zurückzuziehen. Am Donnerstag meldete Natalia Humeniuk, die Sprecherin der südukrainischen Streitkräfte, dass Landungsboote aus dem Hafen von Sewastopol abgezogen wurden. Dieser ist der wichtigste Hafen der russischen Schwarzmeerflotte. Neben der allgemeinen Verunsicherung durch die Angriffswellen dürften die Attacken noch ein anderes Ziel haben: die Hoheit über zumindest einen Teil des Schwarzen Meeres zurückzugewinnen.

Das hat auch wirtschaftliche Gründe: Ein Großteil des ukrainischen Getreides wurde per Schiff exportiert. Russland blockierte die Routen zunächst, stimmte dann einem Getreideabkommen zu und stieg zuletzt wieder aus. "Ihr Ziel besteht im Wesentlichen darin, uns wirtschaftlich zu ersticken", sagte Andriy Zagorodnyuk, ehemaliger Verteidigungsminister der Ukraine und jetzt Berater des Verteidigungsministeriums, gegenüber dem US-Magazin "Newsweek".

Um das zu verhindern, sei es wichtig, die russische Schwarzmeerflotte zu zerstören. "Es gibt keine andere Option. Und wir sollten diese Option verfolgen, bis sie erledigt ist", so Zagorodnyuk.

Auf die verstärkten Aktivitäten weist auch der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, hin. Gefragt, ob die Krim zurückerobert würde, sagte er einem Interview mit "The Drive": "Es ist Ihnen nicht entgangen, dass es seit Mitte August eine gewisse Verschärfung in Bezug auf die Krim gibt, und das könnte Ihnen indirekt einen Hinweis auf die Antwort auf Ihre Frage geben." Außerdem zeige die Ukraine mit ihren Angriffen "die offensichtliche Unfähigkeit der russischen Luftverteidigungssysteme, die sie auf den weltweiten Waffenmärkten weniger lukrativ machen", so Budanow.

Erneut durchbricht ein Getreidefrachter die Seeblockade

Von einer russischen Kontrolle der Schiffsrouten kann kaum mehr die Rede sein. Der Getreidefrachter "Aroyat" ist am Freitag trotz der russischen Seeblockade aus dem ukrainischen Hafen Tschnornomorsk ausgelaufen. Das Schiff sei mit 17.600 Tonnen Getreide auf dem Weg nach Ägypten, teilte der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow am Freitag auf Facebook mit. Die unter der Flagge von Palau laufende "Aroyat" sei damit bereits der zweite Frachter, der durch den von der Ukraine eingerichteten temporären Seekorridor ein- und wieder ausgelaufen sei, betonte er.

Eine Seeschlacht wird es aber nicht geben, mangels einer ukrainischen Marine. Deshalb hat Kiew eine andere Strategie eingeschlagen: Attacken auf die Infrastruktur, wie Luftverteidigungssysteme und Radaranlagen, Schwächung der Luftabwehr durch Drohnen-Schwärme und gezielte Schläge mit Mittelstreckenraketen. Beim Angriff auf das Flottenhauptquartier sollen britische Storm-Shadow-Raketen eingesetzt worden sein, berichtete der britische Sender Sky News.

"Die Ukraine identifiziert und entwickelt diese Sicherheitslücken in der russischen Verteidigung auf der Krim", sagte Andriy Ryzhenko, ein pensionierter ukrainischer Marinekapitän und jetzt strategischer Experte beim Verteidigungs- und Logistikberatungsunternehmen Sonata, gegenüber "Newsweek". Insbesondere die Zerstörung von Luftverteidigungsanlagen, sagte Ryschenko, "wird die Intensität des Kampfes erhöhen."

Bedenken in den USA wegen Effektivität der Angriffe

Nicht überall werden diese Attacken als sinnvoll erachtet. Ein ungenannter hochrangiger US-Verteidigungsbeamter sagte kürzlich gegenüber dem US-Sender CNN: "Es hat die Russen ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht, aber es bringt nichts Entscheidendes … Und es wäre wahrscheinlich für alle besser, wenn sie sich nur auf die Gegenoffensive konzentrieren würden."

Soldaten der Schwarzmeerflotte werden auch an der Front eingesetzt. Wie das amerikanische "Institute for the Study of War" (ISW) am Donnerstag schrieb, sind "Elemente der 810. Marineinfanteriebrigade der Schwarzmeerflotte an kritischen Verteidigungsoperationen im westlichen Oblast Saporischschja beteiligt, und das 22. Armeekorps der Schwarzmeerflotte verteidigt Stellungen am Ostufer des Oblast Cherson."

Neben dem tatsächlichen Schaden an militärischem Gerät setzt Kiew aber offenbar auch auf die psychologischen Effekte. Die russische Militärführung, aber auch die Bevölkerung sollen verunsichert werden. Auf der Krim schlagen dabei nicht nur Raketen und Drohnen ein. Im Juli berichtete der ukrainische Geheimdienst, dass Explosionen in Munitionslagern in der Nähe von Sewastopol auf der Halbinsel Krim durch Sabotage verursacht wurden. "Bei den meisten dieser Bemühungen handelt es sich wahrscheinlich um koordinierte Aktionen mit ukrainischen Spezialeinheiten, die erheblich zu deren taktischen Störungen beitragen", schreibt der "Kyiv Independent". Am aktivsten sei hier eine Gruppe namens "Atesh", was übersetzt Feuer bedeutet. Die Mitglieder gehören der Minderheit der Tataren an.

Geheimdienstchef setzt auf Verunsicherung

Geheimdienstchef Kyrylo Budanow, ist sich der psychologischen Wirkung durchaus bewusst. Die im eigenen Land entwickelten Seedrohnen zum Beispiel richten zwar Schäden an Schiffen an, können aber kaum die russische Flotte zerstören. Aber, so Budanow, sie schaffen Verunsicherung. Die massiven Angriffe hätten die russische Flotte paralysiert, so der Geheimdienstchef. "Deren Schiffe fahren in nördlicher Richtung nicht weiter als bis dorthin, wo es Angriffe auf Sewastopol gegeben hat." Nach Ansicht des britischen Geheimdienstes habe die Ukraine damit eine Achillesferse gefunden: die russischen Versorgungslinien über das Meer. Das könnte auch die russischen Truppen betreffen, die im Süden der Ukraine kämpfen.

Mit dem Schlag gegen das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte dürfte Kiew einen weiteren Schritt in Richtung Schwächung der russischen Flotte und Hoheit im Schwarzen Meer gekommen sein.

Verwendete Quellen
  • newsweek.com: "Ukraine Is Closing the Net on Russia's Black Sea Fleet" (englisch)
  • spiegel.de: "Schlag im Kampf um die Seeherrschaft" (kostenpflichtig)
  • bbc.com: "Ukraine's Crimean fightback having 'psychological impact' on Russia" (englisch)
  • understandigwar.org: "Russian Offensive Campaign Assessment, September 21, 2023" (englisch
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