Russisches Atom-U-Boot Putins stiller Jäger im Mittelmeer
Atom-U-Boote sind die mächtigsten Kampfmittel der russischen Marine. Nun hat die Nato offenbar ein Exemplar nahe Italien aufgespürt. Was steckt dahinter?
Russlands Marine hat sich im Ukraine-Krieg als kritischer Faktor in Putins Kriegsmaschinerie erwiesen: Die russische Schwarzmeerflotte sichert die besetzte Krim, bedroht die ukrainische Küste und blockierte bis vor Kurzem wichtige Getreideexporte. Immer wieder feuern russische Kriegsschiffe Raketen auf die letzte große ukrainische Hafenstadt Odessa.
Doch nun schickt Moskau auch ein Kriegsschiff ins Mittelmeer: Wie zuerst das Fachportal "Naval News" berichtete, ist nahe Italien derzeit ein russisches U-Boot unterwegs. Das italienische Verteidigungsministerium hat die Präsenz des Unterseeboots mittlerweile bestätigt – und eine eher nichtssagende Erklärung parat: "Die Aktivitäten russischer Truppen im Mittelmeer sind bekannt. Das infrage kommende U-Boot ist auf dem Weg in internationale Gewässer, ohne die Küstengewässer der Anrainerstaaten zu verletzen."
Doch welchen Zweck das U-Boot verfolgt und warum sich die italienischen Behörden so sicher sind, dass Russland sich an die Regeln halten wird – unklar. Zudem rätseln Experten, um welche U-Boot-Klasse es sich überhaupt handelt. Laut dem US-Autor und U-Boot-Experten H. I. Sutton kommen drei Typen infrage:
- ein russisches Atom-U-Boot der Akula-, Sierra-I/II- oder Victor-III-Klasse,
- ein etwas älteres Atom-U-Boot der Oscar-II-Klasse, das mit Marschflugkörpern und Anti-Schiffsraketen bestückt ist,
- ein hochmodernes Atom-U-Boot der Yasen-Klasse: Es wird nuklear angetrieben und mit Marschflugkörpern der neuesten Generation ausgestattet, die sowohl gegen andere Schiffe als auch für Angriffe auf Landziele eingesetzt werden können. Die russische Marine hat derzeit drei Exemplare dieser hochpotenten Waffensysteme im Einsatz.
Russland hat bereits zwei U-Boote im Mittelmeer, berichtet Sutton auf "Naval News": Die U-Boote der Kilo-Klasse, die im russischen Stützpunkt in syrischen Tartus stationiert sind, verfügen über Raketen gegen Land- und Seeziele. Was Geschwindigkeit, Einsatzfähigkeit und Gefährlichkeit betrifft, fallen sie allerdings hinter ein Atom-U-Boot weit zurück.
Abschreckung oder Durchfahrt?
Warum schickt Putin ein Atom-U-Boot ins Mittelmeer? Navy-Experte Sutton vermutet, dass der heimliche Jäger abschreckend wirken soll: Die Aufstockung russischer Truppen im Mittelmeer soll die Abschreckungswirkung der russischen Schwarzmeerflotte – die im Ukraine-Krieg zuletzt herbe Verluste einstecken musste – flankieren. Das entspräche der russischen Militärdoktrin, so Hutton, Atom-U-Boote gelten als Russlands "überzeugendste" Marinewaffen.
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Herausforderung für die US-Navy
Wohin genau Putins Unterwasserkampfschiff steuert, scheinen die italienischen Behörden entweder nicht zu wissen oder nicht sagen zu wollen. Die Überzeugung, dass das U-Boot schon keine nationalen Küstengewässer verletzen wird, scheint man in Washington zumindest nicht zu teilen. Wie das Analyseportal "itamilradar" berichtet, flog die US-Navy vergangene Woche alleine drei Aufklärungsflüge in der Region, um das U-Boot aufzuspüren.
Demnach starteten zwei U-Boot-Jagdflugzeuge des Typs Boeing P-8 Poseidon vom Militärflugplatz Sigonella auf Sizilien, um das russische Kriegsschiff zwischen Sizilien und Malta zu finden. Die Jets flogen mehrmals in konzentrischen Kreisen über einen relativ kleinen Meeresabschnitt – laut Experten ein deutlicher Hinweis, dass sie nach einem Unterseeboot suchten.
Keine leichte Aufgabe: Atom-U-Boote müssen nicht auftauchen und hinterlassen kaum Spuren für ihre Verfolger. Insbesondere Exemplare der modernen Yasen-Klasse fahren auch bei hoher Geschwindigkeit leise und gelten als schwer aufspürbar.
Ersatz für "Marschall Ustinov"?
Bereits zuvor gab es für die Nato-Luft- und Seeaufklärung viel zu tun: Der russische Kreuzer "Marschall Ustinov" verließ nach achtmonatiger Mission das Mittelmeer. Begleitet wurde er von dem Zerstörer "Admiral Kulakov" und einem Versorgungsschiff. Die Flottille verließ das Mittelmeer durch die Meerenge von Gibraltar und steuerte nahe der irischen und britischen Küste Richtung Norden.
Die Gruppe wurde von Fregatten und Korvetten der Nato begleitet. Die irischen Streitkräfte erklärten in einem Statement, man sei über die Aktivitäten der Schiffe informiert und "beobachte die Lage."
Wie die italienische Tageszeitung "La Repubblica" berichtet, schienen die russischen Kriegsschiffe bei ihrer Tour kein Problem mit der Begleitung zu haben und schalteten die automatische Schiffserkennung – das sogenannte AIS-System – nicht aus. Offenbar war dies als Täuschungsmanöver der russischen Marine gedacht, um die Aufmerksamkeit von dem U-Boot im Mittelmeer abzulenken, vermutet die Zeitung.
Das hat offenbar nicht geklappt.
- navalnews.com: New Intelligence: Russia Sends Nuclear Submarine To Mediterranean (englisch)
- repubblica.it: "Un sottomarino nucleare russo davanti alla Sicilia" (italienisch)
- lasiciliaweb.it: Sottomarino russo vicino alla Sicilia: ‘Era noto’ (italienisch)
- www.itamilradar.com: Russian submarine off Sicily? (englisch)
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