t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikTagesanbruch

Finanzpaket: Grünen wollen nicht zustimmen – das sollte Merz jetzt tun


Tagesanbruch
Merz hat sein Ziel fast erreicht

MeinungVon Heike Vowinkel

Aktualisiert am 11.03.2025 - 07:54 UhrLesedauer: 6 Min.
GERMANY-POLITICS/COALITION PRESSERVergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Er wird bald Kanzler, braucht für sein Finanzpaket aber die Grünen. (Quelle: Annegret Hilse/reuters)
News folgen

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

ich muss Ihnen etwas gestehen: Es kommt nicht oft vor, aber in diesen turbulenten Nachwahl-Tagen vermisse ich Angela Merkel, genauer gesagt eine Eigenschaft, die sie sich einst selbst zuschrieb: die Dinge vom Ende her zu denken. Merkel, die Physikerin, meinte damit, dass sie sich erst das Ziel überlege, analysiere, wie sie dahin komme, und dann entscheide. Nur wenige haben das im Umgang mit politischen Freunden, Feinden und Parteifreunden so meisterlich beherrscht wie sie. Und nur wenige haben das so leidvoll erfahren wie Friedrich Merz, der erst nach ihrem Abgang überhaupt eine Chance hatte, das zu werden, was er 20 Jahre zuvor bereits werden wollte: Kanzler.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Ein bisschen mehr Merkel hätte auch Friedrich Merz in diesen ersten zwei Wochen nach der Wahl gutgetan. Auch vorher schon. Die erhoffte schwarz-rote Regierung wäre dann wohl nicht bereits vor Beginn der Koalitionsgespräche zur Zitterpartie geworden. Den Vorwurf des Wählerbetrugs müsste er sich dann nicht machen lassen.

Was hatten Merz und seine Leute im Wahlkampf eisern an der Formel festgehalten: sparen, sparen, sparen. Alles sei damit finanzierbar, behaupteten sie. Ob die Senkung der Strompreise, Steuerentlastungen für mittlere und höhere Einkommen, ja auch Investitionen in die Infrastruktur. Dass das nicht aufgehen konnte, wusste jeder, der die Grundrechenarten beherrscht.

Schon wenige Tage nach der Wahl wusste das dann plötzlich auch Friedrich Merz. Gut, die weltpolitische Lage hatte sich in der Zwischenzeit noch einmal dramatisch zugespitzt. Doch auch das war bereits im Wahlkampf absehbar. SPD und Union einigten sich also eilig auf ein gigantisches Finanz-, besser gesagt Schuldenpaket: 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur, plus eine Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent der Wirtschaftsleistung. Nicht einmal gedeckelt ist diese Ausnahme.

Eine solche 180-Grad-Wende ist nicht nur Wählern schwer zu verkaufen. Auch den eigenen Leuten. "Wortbruch" warf der frühere CSU-Chef Horst Seehofer den Berliner Unionsleuten am Wochenende vor. Unverfroren wirkte das aber auch auf diejenigen, die im Wahlkampf für kreditfinanzierte Investitionen in die Infrastruktur geworben hatten – und denen die Union deshalb vorwarf, sie hätten keine Ahnung von Wirtschaft. Gemeint sind: die Grünen.

Ausgerechnet diese Grünen braucht Friedrich Merz aber für seine Kehrtwende. Nur mit ihnen kommt er auf die notwendige Zweidrittelmehrheit, die er braucht, um sie noch durch den alten Bundestag zu bringen, was per se schon eine heikle Angelegenheit ist. Doch was taten Merz und seine Union? Dachten sie vom Ende her? Warben sie um die Grünen? Informierten und erklärten sie ihnen, was sie warum und wie planten? Nichts davon.

Erst kurz bevor sie ihre Pläne der deutschen Öffentlichkeit bekannt gaben, informierten sie die Grünen pflichtschuldig. In den anschließenden Gesprächen zeigten sie kaum Bereitschaft, auf die Bedenken der Grünen einzugehen. Etwa, dass es notwendig sei, klarer festzulegen, was die schwarz-rote Koalition unter Investitionen versteht, wie meine Kollegen Johannes Bebermeier und Sara Sievert schreiben. Die Grünen nämlich – Achtung: verkehrte Welt – fürchten, die Sondervermögen könnten nicht etwa für "zusätzliche" Investitionen genutzt werden, um so die Wirtschaft zukunftssicher zu machen, sondern um Spielräume für teure Wahlkampfgeschenke im eigentlichen Haushalt zu schaffen.

Parallel drosch die CSU dann auch noch beim politischen Aschermittwoch auf die Grünen ein: "Goodbye, gute Reise, auf Nimmerwiedersehen!" rief ihnen Markus Söder im Bierzelt hinterher. Von "Ramschware", die die Grünen seien, sprach sein Generalsekretär. Eine Charmeoffensive sieht anders aus. Kurzum: Das Nein der Grünen zum gemeinsamen Abstimmen über das schwarz-rote Finanzpaket im Bundestag war absehbar. Niemand, der auch nur ein bisschen vom Ende her denkt, durfte am Montagmittag davon überrascht gewesen sein.

Friedrich Merz und die Union sind gut beraten, die Kritik der Grünen nun nicht nur am Stil ernst zu nehmen. Auch ihre Forderungen sind berechtigt. Das Sondervermögen für Investitionen sollte dringend nur für zusätzliche Investitionen genutzt werden, und diese sollten zukunftsorientiert sein und auch Klimaschutzziele beachten. Würde Merz wie Merkel denken, wüsste er die Punkte, an denen er den Grünen ohnehin näher ist als der SPD, für sich zu nutzen – sei es bei der Verteidigungspolitik oder in der Frage der Investitionen.

Noch scheint das aber nicht der Fall zu sein. Am Abend endete ein Treffen zwischen der Grünen-Fraktionsspitze mit Merz, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und SPD-Co-Chef Lars Klingbeil nach eineinhalb Stunden. Worüber gesprochen wurde, dazu wollte sich keiner äußern. Eine Woche lang habe man sich Zeit gegeben, um zu schauen, ob eine Einigung möglich sei, sagte Felix Banaszak, Co-Parteichef der Grünen, anschließend. Spätestens dann, am 18. März, müsste das schwarz-rote Finanzpaket im Bundestag beschlossen werden.

Was Merkel immer wusste, was Merz aber offenbar noch lernen muss: Wer seine Ziele erreichen will, braucht Verbündete. Die kann man sich nicht immer aussuchen. Aber man muss wissen, wann man sie braucht, was ihre Schmerzpunkte sind, und auf gar keinen Fall sollte man das Tischtuch zerschneiden, wenn man nicht ganz sicher ist, dass man sie nicht doch noch einmal braucht.

Merz hat sein Ziel, Kanzler zu werden, fast erreicht. Will er diese Kanzlerschaft wirklich zum Erfolg führen, sollte er machtpolitisch jetzt schleunigst von der Frau lernen, die für ihn zum Fluch wurde. Die Grünen malen ihm gerade mit feurigen Buchstaben ein Menetekel an die Wand.


Ohrenschmaus

Diesen Song spielte die Bundeswehr beim Großen Zapfenstreich für Angela Merkel zu ihrem Abschied vor vier Jahren. Es war ein Lied ihrer Jugend. Heute wird die Sängerin, Nina Hagen, 70 Jahre alt. Ich gratuliere der "Godmother of Punk" – mit ihrem größten Hit zu DDR-Zeiten.


Was steht an?

Loading...
Loading...
Täglich mehr wissen

Abonnieren Sie kostenlos den kommentierten Überblick über die Themen, die Deutschland bewegen. Datenschutzhinweis

Grönland wählt ein neues Parlament. In normalen Zeiten wäre das wohl keine so große Nachricht. Doch die Zeiten sind nicht normal, was vor allem am US-Präsidenten liegt. Der agiert alles andere als normal und möchte gern die größte Insel der Erde kaufen, erobern oder was auch immer. Auf jeden Fall begehrt er sie wegen ihrer geostrategischen Lage und ihrer Bodenschätze. Allerdings gibt es da zwei Probleme: Grönland gehört zu Dänemark. Und die meisten der 57.000 Grönländer wollen nicht von Trump gekauft oder erobert werden. Zu Dänemark wollen viele Grönländer aber auch nicht mehr gehören. Wer sie in den kommenden Jahren im Parlament vertreten wird, steht wohl erst im Laufe des Mittwochs fest.


Die Ukraine verhandelt mit den USA. In der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda sollen Gespräche zwischen den USA und der Ukraine für ein Ende des russischen Angriffskriegs beginnen. Die ukrainische Delegation besteht nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj aus seinem Kanzleichef Andrij Jermak, Außenminister Andrij Sybiha, Verteidigungsminister Rustem Umjerow und Jermaks Stellvertreter Pawlo Palissa. Selenskyj selbst wird wohl nicht teilnehmen. Die US-Delegation wird von Außenminister Marco Rubio geleitet. Alle wichtigen Nachrichten dazu können Sie in unserem Newsblog verfolgen.


In Wolfsburg findet die Jahrespressekonferenz von Volkswagen statt. Sie fällt in eine Zeit der wirtschaftlichen Krise. Nur noch 17,3 Prozent der weltweit produzierten Autos stammen von deutschen Autobauern, wie die "Automobilwoche" gestern unter Berufung auf den Branchenverband VDA berichtete. Das ist der geringste Wert der vergangenen fünf Jahre. Wie schwierig die Lage für den VW-Konzern tatsächlich ist und mit welchen Rezepten er in diesem Jahr darauf reagieren will, darüber wird Wirtschaftsredakteurin Frederike Holewik Sie bei t-online informieren.


Wie groß ist der Mangel bei der Bundeswehr? Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, legt in Berlin ihren Jahresbericht zur Lage in den Streitkräften vor. Bereits zum Jahreswechsel hatte die SPD-Politikerin mehr Anstrengungen gefordert, um Männer und Frauen für die Bundeswehr zu gewinnen.


Historisches Bild

Tausende Menschen standen dem Fotografen Arthur Mole Modell für seine gigantischen Aufnahmen, sie dienten dem Patriotismus. Mehr lesen Sie hier.


Lesetipps

Muskelspiele am Golf von Oman: Am Montag starteten China, Iran und Russland ein gemeinsames Marine-Manöver. Nicht nur die USA sind alarmiert. Was hinter der Militärübung am Golf von Oman steckt, erklärt mein Kollege Peter Riesbeck.

Drohungen gegen Deutschland: Wladimir Putin profitiert in seinem Ukraine-Krieg davon, dass US-Präsident Donald Trump die ukrainische Armee geschwächt hat. Auch deswegen richten sich russische Drohungen nun gegen die europäischen Nato-Mitglieder, schreibt Auslandsredakteur Patrick Diekmann.

Skrupellose Manipulation: Norwegen hat zugegeben, Skisprung-Anzüge bewusst manipuliert zu haben. Noch ist das Ausmaß des Skandals unklar. Der Weltverband muss dennoch nun so schnell wie möglich handeln, kommentiert meine Kollegin Melanie Muschong.


Zum Schluss


Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Dienstag. Morgen schreibt Ihnen meine Kollegin Annika Leister.

Herzliche Grüße

Ihre Heike Vowinkel
Textchefin t-online
X: @HVowinkel

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Gefällt Ihnen der Tagesanbruch? Dann leiten Sie diesen Newsletter an Ihre Freunde weiter.

Haben Sie diesen Newsletter von einem Freund erhalten? Hier können Sie ihn kostenlos abonnieren.

Alle bisherigen Tagesanbruch-Ausgaben finden Sie hier.
Alle Nachrichten von t-online lesen Sie hier.

Mit Material von dpa.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel



Telekom