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Propaganda aus Russland: Putin führt hybriden Krieg gegen Deutschland


Tagesanbruch
Deutschland wird angegriffen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 06.09.2024Lesedauer: 6 Min.
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Panzerwrack vor der russischen Botschaft in Berlin. Im Hintergrund eine deutsche Bundesbehörde.Vergrößern des Bildes
Panzerwrack vor der russischen Botschaft in Berlin. Im Hintergrund eine deutsche Bundesbehörde. (Quelle: imago images)

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Manchmal geschehen merkwürdige Dinge: Sie lesen wie gewohnt den Tagesanbruch – doch plötzlich macht Sie etwas stutzig: Was zur Hölle, steht denn da? "An immer mehr Frontabschnitten rücken die russischen Truppen vor", heißt es in einer Passage über den Krieg in der Ukraine, "im Osten bei Tschassiw Jar und Otscheretyne, aber auch im Norden bei Sumy überrennen sie die amerikanischen Stellungen." Wie, die amerikanischen Stellungen? Hat der Harms sich im Stress verschrieben oder hat er etwa herausgefunden, dass die westliche Verstrickung in den Krieg doch viel größer ist als gemeinhin bekannt? Sind die russischen Soldaten womöglich gar nicht Täter, sondern Opfer?

An einem anderen Tag lesen Sie im Tagesanbruch über den Kandidatenwechsel bei den US-Demokraten von Joe Biden zu Kamala Harris. Es geht um die Auswirkungen auf Donald Trumps Wahlkampf, und dort steht: "Trump muss umdenken. Seine Strategie, einen vermeintlich unfähigen, drei Jahre älteren Mann zu diskreditieren, ist mit Joe Bidens Rückzug verpufft. Er und seine Republikaner müssen sich nun auf eine 59-jährige, schlagfertige Kämpferin einstellen – und sie haben dafür einen Arsch im Ärmel." Wie bitte? Hat der Tagesanbruch-Autor noch alle Tassen im Schrank oder ist er jetzt endgültig in die sprachliche Jauchegrube gestürzt?

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Es gibt weitere Beispiele, die uns von verwunderten, empörten oder gar erbosten Lesern geschickt wurden. Mal sind es vulgäre Beschimpfungen, mal Versatzstücke von Verschwörungstheorien, mal ist es einfach nur Textsalat. Und was soll man sagen: Die Leser haben recht! Das steht da wirklich so. Jedenfalls in den Newsletter-Texten, die die Abonnenten per E-Mail erhalten haben. Verschickt haben wir Redakteure diesen Stuss selbstverständlich nie. Irgendetwas muss also geschehen sein zwischen dem Absenden des Tagesanbruch-Newsletters und dessen Empfang auf den Computern und Smartphones einiger Leser. Aber was?

Wer nach einer Antwort auf diese Frage sucht, kann in Häusern fündig werden, in die man nur nach einer Sicherheitsüberprüfung gelangt. Die deutschen Geheimdienste haben eine Menge Herausforderungen und eigentlich keine Zeit, sich um manipulierte Wörter in einem Newsletter zu kümmern. Wenn diese Manipulationen Amerika und die westliche Unterstützung für die Ukraine in ein schlechtes Licht rücken oder einen Putin-kritischen Autor als vermeintlichen Legastheniker diskreditieren, passt das allerdings in ein größeres Bild. Und dieses Bild ist beängstigend.

Schon einmal haben wir im Tagesanbruch thematisiert, was gegenwärtig direkt vor unserer Nase stattfindet, aber viel zu wenige Bürger als Gefahr erkennen: Putins Regime führt einen hybriden Krieg gegen Deutschland und andere Nato-Staaten. Dieser Krieg wird nicht mit Panzern und Kampfjets ausgetragen, aber mit Waffen, die langfristig kaum weniger zerstörerische Wirkung entfalten können: Sie sollen unsere Gesellschaft spalten, verunsichern und lähmen. Sie sollen die Unterstützung für die Ukraine schmälern und den Boden bereiten für den militärischen Angriff auf Deutschland, mit dem Sicherheitsdienste und Bundeswehrstrategen in den kommenden Jahren rechnen. Mal sind es Hassparolen als Graffiti an Hauswänden, mal Brandanschläge auf Bahnstrecken und Rüstungsfabriken. Mal ist es Aufwiegelung zu Protest gegen die Bundesregierung, mal ist es ein Mordkomplott gegen einen Topmanager. Mal werden politische Randgruppen per TikTok, Facebook, X und Telegram aufgehetzt und die staatlichen Institutionen schlechtgemacht.

Meine Kollegen Jonas Mueller-Töwe und Lars Wienand haben in einer aufsehenerregenden Recherche gezeigt, wie der Kreml Websites deutscher Qualitätsmedien – vom Spiegel bis zu t-online – kopiert und verfälscht, um Leser in die Irre zu führen, soziale Konflikte zu schüren und Deutschlands Beziehungen zu anderen Staaten zu trüben. Amerikanische Geheimdienste haben nun herausgefunden, dass die AfD bei dieser hybriden Kriegskampagne der Russen eine große Rolle spielt.


  • Mehr über die Recherche kopierter Medienseiten hier im Podcast:
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Und noch etwas wird dabei immer wichtiger: künstliche Intelligenz. Massenhaft von Algorithmen erzeugte Fake-Profile auf X, täuschend echt wirkende, aber gefälschte Bilder und eben auch manipulierte Texte in E-Mails sind dank der jüngsten Digitalrevolution kein Hexenwerk mehr, sondern binnen Minuten herzustellen. Per Trojaner landet das Zeug auf Ihrem Computer oder Handy: Irgendwann klicken Sie arglos auf einen Link, den Ihnen vermeintlich ein Freund per WhatsApp, SMS oder E-Mail geschickt hat – schon nistet sich die Schadsoftware bei Ihnen ein und übernimmt die Kontrolle über Ihre Kommunikationskanäle.

Deutschland wird seit Monaten überschwemmt von digitalen Fälschungen. Sie sollen die Gesellschaft mürbe machen. Wie ein Lamm, das so lange vom Wolf gehetzt wird, bis es eine leicht erlegbare Beute ist. Umso erstaunlicher, dass kaum ein Politiker über diese Bedrohung spricht. Natürlich ist es leichter, im Empörungsfuror über Gewalttaten nur Messerverbote und Abschiebungen zu fordern. Aber bannen lässt sich das Teufelszeug aus dem Kreml damit kaum. Solange die Gefahr des hybriden Kriegszugs gegen Deutschland hierzulande unterschätzt wird, kann man als Journalist deshalb nur eines tun: möglichst gründlich recherchieren und möglichst oft darüber schreiben. Ach ja, und natürlich inständig hoffen, dass dieser Text hier unverfälscht auf Ihrem Bildschirm landet. Und nicht wieder ein russischer Hacker dazwischenfunkt.


Anschlag in München

Schon wieder eine Gewalttat im öffentlichen Raum, schon wieder mit islamistischem Hintergrund – aber diesmal Gott sei Dank ohne Todesopfer außer dem Attentäter selbst: Gestern Morgen fielen Schüsse in der Münchner Innenstadt im Bereich Karolinenplatz, laut Polizei feuerte sie ein Mann mit einer "Repetierwaffe älteren Baujahrs" nahe dem israelischen Generalkonsulat und dem NS-Dokumentationszentrum ab. Beamte streckten den Schützen mit mehreren Schüssen nieder, er starb noch am Einsatzort an seinen Verletzungen. Möglicherweise habe es sich um einen geplanten Anschlag auf das Konsulat gehandelt, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann – just am 52. Jahrestag des Olympia-Attentats von 1972, bei dem palästinensische Terroristen die israelische Mannschaft überfallen und elf Mitglieder des Teams getötet hatten.

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Der mutmaßliche Attentäter ist der 18-jährige Österreicher Emra I., zuletzt wohnhaft in Neumarkt im Salzburger Land. Er soll bosnische Wurzeln haben und den österreichischen Behörden im vergangenen Jahr wegen möglicher islamistischer Radikalisierung aufgefallen sein. So sei er in der Schule als strenggläubiger Muslim in Erscheinung getreten und habe Gewaltfantasien geäußert. Nach einer Hausdurchsuchung, bei der Material entdeckt wurde, das eine dschihadistische Gesinnung vermuten ließ, soll gegen Emra I. ein Waffenverbot verhängt worden sein. Der Fall bestätigt auf dramatische Weise Behördenwarnungen, dass der Krieg in Gaza die Stimmung in der europäischen Islamisten-Szene aufheizt und sich auch Einzelpersonen motiviert fühlen, schwere Gewalttaten zu begehen. Umso bestürzender, dass die Sicherheitsbehörden bislang nicht konsequenter gegen die Hassprediger vorgehen.


Selenskyj in Ramstein

Kriegsverbrecher Putin überzieht die Ukraine weiter mit Bombenterror. Dabei wendet er die schon in Syrien erprobte Doppelschlag-Taktik an, bei der ein Ziel zweimal nacheinander angegriffen wird, um auch herbeigeeilte Ersthelfer und Rettungskräfte zu töten. So will der Kremldiktator die ukrainische Zivilbevölkerung mürbe machen und das Land übernahmereif schießen.

Das ist die Lage, wenn heute auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein die Kontaktgruppe der Ukraine-Unterstützerländer zusammenkommt. Wohl letztmals vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl treffen sich auf Einladung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ranghohe Militärs und zahlreiche Verteidigungsminister, um über weitere Waffenhilfen zu beraten. Für Deutschland ist Boris Pistorius dabei.

Erwartet wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Offenkundig hält es der Staatschef für nötig, seinen westlichen Verbündeten persönlich den Ernst der Lage zu schildern. Vor allem weitreichende Raketen und mehr Flugabwehr benötigt seine Armee dringend.


Neuer Mann, neuer Versuch

Er war Umweltminister unter Mitterrand, Außenminister unter Chirac, Landwirtschaftsminister unter Sarkozy und führte als EU-Chefunterhändler die Brexit-Verhandlungen: Fehlendes politisches Gewicht lässt sich Michel Barnier nicht vorwerfen. Emmanuel Macron hat den 73-jährigen Konservativen nach wochenlangem Zögern zum neuen Premierminister Frankreichs ernannt. Ob es diesem gelingt, wie vom Präsidenten gewünscht eine "Regierung des Zusammenschlusses" zu bilden, wird spannend zu sehen sein. Die Parlamentswahl hatte schließlich das vereinte Linksbündnis NFP gewonnen, das sich nun düpiert fühlt. Immerhin gilt Barnier nicht als Polarisierer, was ein Misstrauensvotum gegen ihn unwahrscheinlicher macht.


Ohrenschmaus

Gestern zufällig einen Song aus meiner Jugend gehört. Fühlte mich gleich wieder jung.


Lesetipps

Russland soll Millionen Dollar an rechte Kommentatoren gezahlt haben, um Kreml-Propaganda zu verbreiten. Deren Ziel: Donald Trump soll wieder Präsident werden. Unser Korrespondent Bastian Brauns berichtet.


Nach den Niederlagen in Sachsen und Thüringen ringt die SPD um Geschlossenheit. Die nächste Wahl in Brandenburg könnte zum Kipppunkt werden, schreibt unser Reporter Daniel Mützel.



Autos, Reisen, Konsum: Was nach der Wende als erstrebenswert galt, wird angesichts der Klimakrise zum Problem. Auch deswegen lehnen viele Ostdeutsche tiefgreifende Veränderungen ab, meint unsere Kolumnistin Sara Schurmann, die selbst im Osten aufgewachsen ist.


Zum Schluss

Der CDU-Chef setzt die Ampelleute mächtig unter Druck.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und bedanke mich herzlich für die vielen netten Zuschriften anlässlich des siebenjährigen Tagesanbruch-Jubiläums.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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