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Massentourismus auf Mallorca: Zugang für Touristen nur noch per Los?


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Tagesanbruch
Mallorca-Zugang nur noch per Losverfahren

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 28.05.2024Lesedauer: 6 Min.
Überfüllter Strand auf Mallorca.Vergrößern des Bildes
Überfüllter Strand auf Mallorca. (Quelle: imago images)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

haben Sie schon Urlaubspläne geschmiedet? Es gibt bekanntlich wenig Schöneres als die Vorfreude auf die Sommerferien. In diesem Jahr könnte sich eines der beliebtesten Reiseziele der Deutschen allerdings als Enttäuschung entpuppen: Stau statt Strandvergnügen, Frust statt Feierlaune, Groll statt Gastfreundschaft.

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Genau, ich spreche von Mallorca. Ob mit großem oder kleinem Geldbeutel: Auf der Baleareninsel konnte bisher fast jeder Tourist sein Urlaubsglück finden. Planschen in den südlichen Buchten, Wandern im nördlichen Gebirge oder Kollektivbesäufnis an der Playa de Palma – die Insel bietet für jeden Geschmack das Passende. So erfolgreich ist das mallorquinische Massentourismusgeschäft, dass es nun zum Existenzrisiko wird. Umweltschützer und Lokalpolitiker schlagen Alarm, Einwohner gehen zu Tausenden auf die Straße. Am vergangenen Wochenende waren es allein in der Inselhauptstadt Palma an die 25.000 Menschen, die sich ihren Frust von der Seele schimpften: "Hier kann ich nicht mehr leben" stand auf ihren Protestplakaten und "Mallorca ist nicht zu verkaufen".

Für ihren Ärger haben die Leute triftige Gründe: Das Verhältnis von lokaler Bevölkerung und Saisonbesuchern ist völlig aus dem Lot geraten. Nur 1,1 Millionen Einwohner leben auf den fünf Balearischen Inseln Mallorca, Menorca, Ibiza, Formentera und Cabrera – aber jedes Jahr fallen 18 Millionen Urlauber über sie her. Das hat gravierende Folgen: Die Müllberge wachsen immer höher, das Süßwasser wird knapp, die Wohnungspreise explodieren, Leihwagen verstopfen die Straßen, Klinikpatienten müssen lange auf Behandlungen warten. Zwar bringen die Touristenhorden Geld ins Land, aber dafür rauben sie den Insulanern die Lebensgrundlage: Die natürlichen Ressourcen der Inseln kollabieren; das Urlaubsparadies wird für viele Einheimische zur Alltagshölle.

Das Problem beschränkt sich nicht auf die Balearen; andere beliebte Urlaubsregionen sind ebenfalls am Anschlag. Auf den Kanarischen Inseln demonstrierten kürzlich 60.000 Einwohner gegen den Massentourismus – sie müssen pro Jahr 16 Millionen Urlauber erdulden. In ganz Spanien waren es im vergangenen Jahr 85 Millionen Touristen, darunter fast 11 Millionen Deutsche, ein neuer Rekord. Dieses Jahr dürften es noch mehr werden: Zwischen Januar und April lag die Zahl um ein Sechstel höher als im selben Zeitraum 2023.

Die Besucher bescheren den Spaniern viel Geld, mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr genau genommen. Aber der Mammon wiegt die Schäden des Raubtiertourismus nicht mehr auf. In Zeiten des wachsenden Umweltbewusstseins empfinden vor allem viele junge Menschen das Urlaubsgeschäft als Zumutung, die sie nicht länger hinnehmen wollen. Unglücksfälle wie der Einsturz eines zur Bar umfunktionierten Wohnhauses in Palma de Mallorca verstärken den Protest.

Der Druck der Straße wirkt. Mallorcas Inselregierung hat beschlossen, die Zahl der Gästebetten im ersten Schritt ein wenig zu verkleinern: Das Angebot soll von 430.000 Übernachtungsplätzen auf 412.000 sinken. "Das ist der Moment, innezuhalten und Grenzen zu setzen", verkündete der Präsident des Inselrats, Llorenç Galmés. Auf den Kanaren, aber auch in Barcelona, Venedig, Rom, Paris und an anderen "Hotspots" des europäischen Massentourismus wird man seine Worte aufmerksam vernehmen. Führt der Tourismus dazu, dass sich die angestammte Bevölkerung ihre Wohnorte nicht mehr leisten kann, genügt es allerdings nicht, ein paar Hotelbetten zu streichen oder Eintrittsgeld für eine ganze Stadt zu verlangen, wie Venedig es nun vormacht. Dann braucht es kreativere Ideen.

Wie könnte eine verträgliche Lösung aussehen, um die drohende Zerstörung wunderbarer Orte zu verhindern? Wie wäre es damit: Der Zugang zu den zehn beliebtesten Urlaubsorten Europas wird künftig nur noch im Losverfahren gewährt. Wer hinreisen möchte, muss sich ein paar Wochen vorher auf einer Website bewerben. Dann werden die Zugangstickets in einem transparenten Verfahren ausgelost, und wer den Zuschlag bekommt, erhält eine nette Einladung per E-Mail: Bienvenido! Benvenuto! Bienvenue! Ein paar Nachhaltigkeitsauflagen wie eine Müllsteuer oder die Süßwasserrationierung tun dann auch nicht mehr weh. Und wer in der aktuellen Los-Runde nicht zu den Glücklichen gehört, stürzt sich eben ins Getümmel an der Ostsee. Das fühlt sich nämlich auch schon fast wie Malle an.


Empörung ist zu einfach

Apropos Inseln: Der Rassismus-Skandal auf Sylt zieht weiter Kreise. Zwischen der noblen Nordseeinsel und dem zünftigen Oberbayern dürfte es kaum einen Internet-Nutzer geben, der von dem ausländerfeindlichen Singsang der Schickimicki-Meute nichts mitbekommen hat.

Oder handelt es sich gar nicht um einen Skandal? Klar, was diese Vollpfosten angerichtet haben, ist dämlich, verletzend und womöglich auch justiziabel. Wie nun aber die ganze Republik bis hinauf zum Bundeskanzler, der Bundestagspräsidentin und dem Bundespräsidenten lauthals ihr Entsetzen über das Filmchen kundtut, wie die grölenden Dumpfbacken in den sozialen und auch in einigen Boulevardmedien regelrecht gejagt werden und wie der Rest der Medienrepublik wohlig in den Entrüstungs-Chor einfällt, das ist schon ziemlich merkwürdig. Mit dem Kampf gegen den Rechtsextremismus allein ist diese Überreaktion jedenfalls nicht zu erklären. Sonst müssten sich die wirklich gefährlichen Neonazis, die sich in Kampfgruppen, Untergrundnetzwerken und Parteien wie der AfD organisiert haben und emsig an der Zerschlagung der Demokratie arbeiten, viel größere Sorgen machen.

Die Erklärung für den aufgeregten Herdentrieb in der Causa Sylt dürfte eine andere sein. Sich über rechtsextreme Umtriebe zu empören (und über alles, was danach aussieht, selbst wenn es "nur" besoffene Jugendliche sind), ist in der krisengeschüttelten Bundesrepublik zu einem willkommenen Ventil geworden: Solange man sich einfache Gegner aussuchen kann, muss man sich nicht an die schwierigen herantrauen.

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Strahlemann mit Makel

Wer tagtäglich mit Gestalten wie Olaf Scholz, Christian Lindner und Friedrich Merz zu tun hat, dem muss Emmanuel Macron wie eine Offenbarung vorkommen: Kein Wunder, dass dem französischen Präsidenten bei seinem Staatsbesuch in Deutschland die Herzen zufliegen. Der Mann sieht blendend aus, redet brillant und versprüht noch drei Kilometer gegen den Wind mehr Charme als das ganze Ampelkabinett zusammen.

Botschaften hat er auch mitgebracht: In seiner teils auf Deutsch (!) vorgetragenen Rede vor der Dresdener Frauenkirche wandte sich Monsieur le Président speziell an seine jungen Zuhörer, warnte zwei Wochen vor der Europawahl eindringlich vor dem Scheitern des europäischen Projekts und warb für die Unterstützung der Ukraine.

Der dritte Tag seines Besuchs beginnt heute mit einer Ehrung: Im historischen Rathaus in Münster erhält Macron den Internationalen Preis des Westfälischen Friedens. Nach dem Aachener Karlspreis ist es bereits die zweite gewichtige Auszeichnung, die er in Deutschland bekommt.

Am Nachmittag holt den Besucher aus Paris dann aber der politische Alltag ein: In Schloss Meseberg bei Berlin steht ein Treffen des deutsch-französischen Ministerrats auf dem Programm, bei dem es um gemeinsame Rüstungsprojekte und die europäische Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und China gehen soll. Dann beginnt nach allem Pomp wieder die schwierige Suche nach Gemeinsamkeiten und Kompromissen. Mit Kanzler Olaf Scholz liegt Macron nicht nur bei seinen Überlegungen zur Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine über Kreuz, sondern auch in Sachen transatlantische Orientierung. Und bei der Waffenhilfe redet der Franzose seit Monaten mehr, als er tut. Schöne Worte und Charme sind eben doch nicht alles.


Showdown in New York

Im Strafprozess gegen Donald Trump wird es spannend: Heute halten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Schlussplädoyers vor den zwölf Geschworenen. Dem Angeklagten wird Dokumentenfälschung in 34 Fällen im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels vorgeworfen. Bei einer Verurteilung droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Die könnte zwar auch zur Bewährung ausgesetzt werden, doch viele Anhänger würden sich womöglich von dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber abwenden. Trump plädiert auf unschuldig, na klar.


Dichtmachen oder weiterwurschteln?

Heute haben es die Gläubiger von Galeria Karstadt Kaufhof selbst in der Hand: Sie stimmen über den vom Insolvenzverwalter ausgetüftelten Plan zur Sanierung der perspektivlosen Warenhauskette ab. Um wenigstens 76 der bislang bundesweit 92 Filialen noch ein Weilchen zu erhalten – und mit ihnen 11.400 Arbeitsplätze –, müssen Vermieter, Lieferanten und weitere Gläubiger wie der Bund zwar auf mehrere 100 Millionen Euro verzichten. Bei einer Ablehnung droht ihnen jedoch ein Totalverlust und Galeria die Zerschlagung. Am Nachmittag soll das Ergebnis feststehen.


Ohrenschmaus

Nicht immer ist es ein Vergnügen, spätabends den Tagesanbruch zu schreiben. Gestern fiel es mir leichter, weil ich ein wunderbares Lied aus meiner Jugend wiederentdeckt habe.


Das historische Bild

Im Jahr 1957 schickten die Sowjets tatsächlich eine Hündin ins All. Prompt konterten die Amerikaner mit einem anderen Geschöpf.


Lesetipps

Israels Premier Netanjahu steht unter maximalem Druck der internationalen Gemeinschaft – und reagiert eiskalt: In der überfüllten Stadt Rafah im Gazastreifen ließ er zwei Hamas-Leute beschießen und nahm dabei erneut viele zivile Opfer in Kauf. Augenzeugen berichten von "Horrorszenen", schreiben die Kollegen von Tagesschau.de.


Nächste Runde im Ampelstreit: Der Kanzler lässt alle Minister antanzen, die nicht sparen wollen. Die Gespräche sind zum Erfolg verdammt, schreibt unser Reporter Florian Schmidt.



Der FC Bayern setzt auf Vincent Kompany als Trainer. Die Konsequenzen könnten fatal sein, schreiben meine Kollegen Robert Hiersemann und Florian Wichert.


Zum Schluss

Macrons Staatsbesuch umweht ein Hauch von Historie.

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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