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TV-Duell zwischen Mario Voigt und Björn Höcke: Und der Gewinner ist…?


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Tagesanbruch
Hat er jetzt gewonnen?

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 12.04.2024Lesedauer: 6 Min.
Bodo Ramelow (Linke): Der Ministerpräsident von Thüringen war bei dem TV-Duell am Donnerstag nicht anwesend.Vergrößern des Bildes
Bodo Ramelow (Linke): Der Ministerpräsident von Thüringen war bei dem TV-Duell am Donnerstag nicht anwesend. (Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler/imago)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

vom Boxen verstehe ich nicht besonders viel. Eine Handvoll Kämpfe habe ich mir bisher in meinem Leben angesehen. Was ich weiß, ist Folgendes: Man duelliert sich in einem Ring, versucht, mit gezielten Schlägen den Gegner zu schwächen. Bei besonders guten Treffern schwirrt dem anderen schonmal der Kopf. Alles dreht sich – und im besten Falle verliert das Gegenüber das Gleichgewicht, geht zu Boden und steht dann nicht mehr auf. Ein Sieg durch K.o. eben.

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Gestern Abend hatte der Nachrichtensender Welt einen "Boxring der Demokratie" aufgebaut. Vor laufenden Kameras hatte sich der CDU-Vorsitzende Thüringens, Mario Voigt, mit dem AfD-Landeschef Björn Höcke duelliert. Beide wollen Ministerpräsident in ihrem Bundesland werden, wo im September ein neues Parlament gewählt wird. Höckes AfD liegt in den Umfragen aktuell klar auf Rang eins, dahinter folgt Voigts CDU.

Es war eine ungewöhnliche und bereits im Vorfeld heftig kritisierte Fernsehdebatte. Denn der AfD-Mann Höcke ist selten zu Gast in solchen Runden: Sein Landesverband wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Höcke selbst gilt als Vordenker der extremen Rechten innerhalb der Partei. Ermittlungen gegen einen Demonstranten, der Höcke auf einem Plakat 2023 als "Nazi" bezeichnet hatte, wurden von der Staatsanwaltschaft Frankfurt eingestellt. Die Begründung: Es habe sich damals nicht um eine Beleidigung, sondern um ein "an Tatsachen anknüpfendes Werturteil" gehandelt.

Muss man jemandem wie Höcke eine Bühne bieten? Kann ein Politiker der Mitte überhaupt gegen einen Rechtsextremisten in einer sachlichen Diskussion gewinnen? Mario Voigt ließ sich von den Bedenken nicht beirren. Er wollte Höcke in einer Diskussion "stellen" und mit seinen Argumenten zu Boden gehen lassen. Zum Teil ist ihm das gelungen. Und tatsächlich machte der AfD-Politiker an vielen Stellen eine schlechte Figur.

Wirkungstreffer landete Voigt etwa bei dem Thema EU: Die Europäische Union nannte der AfD-Mann Höcke einen "Wohlstandvernichter", den Deutschland in dieser Form verlassen müsse. Auch Großbritannien habe der Ausstieg nicht geschadet. Dabei hat die Migration auf der Insel nach dem EU-Ausstieg weiter zugenommen und ihr auch wirtschaftlich schwer geschadet. Voigt konterte die falsche Darstellung und rechnete vor, dass jeder Thüringer ohne die EU 1.000 Euro weniger pro Jahr verdienen würde.

Beim Thema Migration streute Höcke dann immer wieder das Wort Remigration ein. Dabei lieferte er plötzlich eine völlig neue Interpretation des umstrittenen Begriffs: Statt der zwanghaften Ausweisung von Ausländern aus Deutschland meine er damit auch, deutsche Bürger aus dem Ausland wieder zurückzuholen.

Es war einer dieser Momente, in denen der AfD-Mann erstmals angezählt wirkte und überhaupt nicht glaubwürdig war. Später hing er dann wirklich in den Seilen, als er darauf angesprochen wurde, ob er immer noch dafür sei, dass die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz Deutschland verlassen müsse. Das nämlich fordert er in seinem sechs Jahre alten Buch. Immer wieder wich Höcke den hartnäckigen Nachfragen des Moderators aus, konnte sich angeblich nicht mehr an das Zitat erinnern und behauptete, er müsse den genauen Kontext in dem Buch nachlesen. Er gab sich sogar unsicher, um welche Politikerin es sich denn überhaupt gehandelt habe. Zur Erinnerung: Aydan Özoğuz ist die Vizepräsidentin des deutschen Bundestages.

Weniger eindeutig ist das Ergebnis, wenn wir uns anschauen, warum die beiden überhaupt in den Ring gestiegen sind. Höckes Kalkül war klar: Jeder öffentliche Auftritt abseits von Parlament und Parteiveranstaltungen kommt ihm gelegen. Das trägt dazu bei, dass die AfD präsenter, greifbarer und trotz ihrer radikalen Positionen als "normaler" wahrgenommen wird. Das dürfte ihm an diesem Abend gelungen sein.

Das Duell zeigt zudem, wie schwierig es ist, einen Populisten wie Höcke "zu stellen". "Ein normaler Diskurs ist mit Rechtspopulisten und -extremisten meist nicht möglich. Sie verweigern sich nachvollziehbaren Argumenten und Diskussionen. Inhaltliche Qualität spielt keine Rolle", sagte uns im Vorfeld der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.

Oder anders gesagt: Selbst wer sie auf Ungereimtheiten anspricht oder beim Lügen überführt, dem begegnen sie mit weiteren Lügen, die sie im Brustton der Überzeugung vortragen. Sie negieren Fakten. Es gibt also gar keine Basis, auf der es sich mit ihnen diskutieren lässt. "Klar, wer jetzt Mario Voigt zum Sieger erklärt, macht sich lächerlich", jubelte der AfD-Spitzenkandidat der Europawahl, Maximilian Krah, auf der Plattform X. Mit dieser Taktik hat es auch Donald Trump schon ein Mal ins Weiße Haus geschafft, möglicherweise gelingt ihm das im November erneut.

Das Risiko, als Verlierer dazustehen, war daher zwar innerhalb seiner eigenen Anhängerschaft für Höcke gering. Doch für alle, die ihn bislang nicht kannten, war es die Chance, zu sehen, wie unglaubwürdig dieser Mann argumentiert.

Und Mario Voigt? Kannten Sie ihn vor dem gestrigen Duell überhaupt? Vermutlich nicht, und damit wären wir bei dem ersten Grund, warum der CDU-Mann sich auf den Boxkampf einließ. Denn wer mit seinen Botschaften als Politiker durchdringen will, muss überhaupt erst als Person wahrgenommen werden. Voigt hat damit schon in seiner Heimat Probleme: Bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten hätte er aktuell gegen den Amtsinhaber Bodo Ramelow genauso wenig Chancen wie Höcke. Nach dem gestrigen Abend dürfte seine Bekanntheit nun immerhin deutschlandweit gestiegen sein. Diesen Punkt hat Voigt auf jeden Fall gemacht.

Ramelow ist der zweite Grund, warum Voigt wohl eingewilligt hat. Denn der Ministerpräsident Thüringens war gestern Abend eben nicht im Fernsehstudio dabei. Zuletzt nannte er das Duell im Interview mit t-online einen Fehler. Es liegt nahe, dass Voigt den kommenden Wahlkampf auch zu einem reinen Duell zwischen Höcke und ihm erscheinen lassen will. In den Umfragen liegt Höckes AfD rund 10 Prozentpunkte vor der CDU, knapp dahinter folgt Ramelows Linke.

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Ob Ramelow aber wirklich isolierter dasteht, lässt sich noch nicht sagen. Möglicherweise ist er am Ende auch der Gewinner dieses Abends. Bis zur Wahl im September kann sich in den Umfragen ohnehin noch viel ändern. Aber wer in Thüringen gestern weder von Voigt noch von Höcke überzeugt wurde, könnte wieder in die Arme des Landeschefs getrieben worden sein.


Auf großer Reise

So lange nimmt sich Olaf Scholz für gewöhnlich nicht Zeit. Am Samstag wird der Bundeskanzler zu seiner zweiten, dreitägigen Reise nach China aufbrechen. Ob Scholz sich vielleicht auch deshalb gerade erst auf der chinesischen Plattform TikTok angemeldet hat? Wissen wir nicht. Auf dem Terminplan stehen offiziell der Besuch eines Kunststoffherstellers und einer deutschen Niederlassung zur Produktion nachhaltiger Wasserstoffantriebe. Mit dabei sind auch zahlreiche deutsche Wirtschaftsbosse.

Die Wirtschaft ist das eine Thema. Doch vermutlich wird es hinter geschlossenen Türen noch um ganz andere Fragen gehen: Wenn Scholz am Dienstag in Peking den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und Ministerpräsidenten Li Qiang trifft, dürften wohl auch der Krieg in der Ukraine und Chinas Beziehungen zu Russland zur Sprache kommen.

Die Erwartungen an das Treffen sind hoch, wohl auch beim Kanzler selbst. Schließlich sprach sich die chinesische Führung nach seinem ersten Besuch 2022 gegen den Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine aus. Für Scholz ist es vermutlich bis heute sein größter außenpolitischer Erfolg als Kanzler.

Doch die Vorzeichen sind diesmal anders. Russlands Präsident Wladimir Putin hat zuletzt wieder häufiger mit seinen Nuklearwaffen gedroht – und vor Scholz war zuletzt Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Peking zu Gast. Prompt kamen aus China Forderungen für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Ob man diese Forderung ernst nehmen oder als Feigenblatt für die chinesische Untätigkeit bewerten soll, darüber war sich auch mein Kollege Patrick Diekmann zuletzt nicht sicher. Vielleicht sind wir nach der Reise alle etwas schlauer.


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Ein junger Kanadier rührte 1980 die Welt zu Tränen. Er hatte sich eine ungeheure Leistung vorgenommen. Welche? Das lesen Sie hier.


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Wenn wir gerade bei Kanada sind: Von dort kam auch schon eine Menge gute Musik, wie zum Beispiel dieses Lied.


Lesetipps

Die EU verschärft ihre Asylpolitik deutlich. Annalena Baerbock verteidigt die Reform als "Meilenstein". Andere Grüne sehen einen "historischen Fehler". Die Migrationspolitik wühlt die Partei weiter auf, schreibt mein Kollege Johannes Bebermeier.


Aus Angst vor den Wählern treten Donald Trump und die Republikaner beim Thema Abtreibung plötzlich den politischen Rückzug an. Doch Kritiker warnen bereits vor einer Falle, schreibt unser US-Korrespondent Bastian Brauns.


Zuletzt häuften sich die Hiobsbotschaften von der ukrainischen Front. Der Krieg wird stetig brutaler, sagt Militäranalyst Franz-Stefan Gady meinem Kollegen Simon Cleven.


Eine Serie brutaler Angriffe versetzt Obdachlose in Dortmund in Unruhe. Mehrere Tote und Verletzte befeuerten zuletzt ihre Ängste, schreibt mein Kollege Patrick Schiller.


Zum Schluss

Augen auf in der Grillsaison ...

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Freitag und einen guten Start ins Wochenende. Dann hören Sie in unserem Podcast mit Lisa Fritsch unter anderem t-online-Chefredakteur Florian Harms und US-Korrespondent Bastian Brauns.

Herzliche Grüße

Ihr

David Schafbuch
Stellvertretender Ressortleiter Politik & Wirtschaft
X: @Schubfach
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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