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Putin kämpft immer noch brutal – doch der Ukraine-Krieg gerät in Vergessenheit


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Tagesanbruch
Und plötzlich wird das Undenkbare möglich

MeinungVon Tim Kummert

Aktualisiert am 09.08.2023Lesedauer: 5 Min.
Russlands Präsident Putin: Nun gerät sein Land unter Druck.Vergrößern des Bildes
Russlands Präsident Putin: Nun gerät sein Land unter Druck. (Quelle: IMAGO/Gavriil Grigorov)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wenn Sie nicht wegschauen, können Sie das Leid täglich sehen. Die Bilder der Nachrichtenagenturen kommen immer noch im Stundentakt aus der Ukraine an. Sie verbreiten sich rasend schnell im Netz. Es sind Bilder von Menschen mit aschgrauer Haut, wutverzerrten Mienen und schlaflosen Augen. Mancher steht in den Trümmern des eigenen Lebens, aus verbrannten Küchen steigt der Rauch auf. In einige Gesichter hat sich die Trauer gefressen wie Furchen in einen Acker.

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Es sind Bilder, die in unserer westlichen Welt in diesen Wochen in den Hintergrund rücken. Vorn auf der medialen Bühne finden jetzt andere Debatten statt. Schlagzeilen über das Wetter machen die Runde, es wird über ein Löwen-Wildschwein in Berlin diskutiert und über die Frage, welche neuen Verbraucherregeln ab September gelten. Verstehen Sie mich nicht falsch, liebe Leserinnen und Leser, natürlich sind solche Nachrichten nicht egal. Doch unter diesem Teppich der mehr oder weniger wichtigen Meldungen ist das Unglück der Ukraine riesig. Immer noch schlagen die russischen Raketen dort ein, immer noch heulen die Sirenen in den Städten, immer noch sterben Junge, Erwachsene, Alte. Sie werden brutal ermordet. Jeden Tag.

Seit 17 Monaten leidet die Ukraine nun, Putin beweist in seinem Krieg eine beachtliche Ausdauer. Gerade deshalb ist es brandgefährlich, wenn sich bei uns eine trügerische Ruhe breitmacht. Wenn manch einer hier glaubt, das werde "schon irgendwie laufen". Das ist Humbug. In Kriegen läuft nie irgendwie etwas von sich aus. Die Geschichte ist voll von Beispielen dafür.

Putins Motiv ist der Grund dafür, warum der Westen bei seiner Unterstützung nicht nachlassen darf. Denn dem russischen Gewaltherrscher geht es nicht nur um die Ukraine. Sondern um das westliche Leben, die demokratische Art von Herrschaft, die Selbstbestimmung der Bürger. Die Freiheit ist Putin ein Dorn im Auge. Einer, den er mit Gewalt herausziehen will, weil sonst seine Macht schwindet. Deshalb klammert er sich an diesen Krieg.

Nun werden Sie vielleicht sagen, liebe Leserinnen und Leser: Die Ukraine verzeichnet doch gerade etliche Erfolge, mehrere Meldungen darüber machen die Runde. Das stimmt. Und ja, das noch vor einem Jahr Undenkbare scheint möglich: Russland verliert den Krieg, die Ukraine erobert ihre Gebiete zurück. Damit hatten die westlichen Geheimdienste nach Ausbruch des barbarischen Überfalls nicht gerechnet. Doch so weit ist es noch lange nicht.

Erst im Juni erklärte Putin, es brauche eine neue Mobilisierung, wenn man noch mal einen Angriff auf Kiew wolle. Das Maximalziel des Krieges ist für den Despoten im Kreml also keineswegs vom Tisch. Die ukrainischen Teilerfolge sind Siege einer Schlacht, noch lange nicht der Gewinn des Krieges.

Alexander Gabujew, der das Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin leitet, sagte dem "Spiegel" über Gespräche, die er im deutschen Kanzleramt und im Außenministerium führt: "Man stellt sich auf einen langen, schlimmen Konflikt ein. Aber das sagen westliche Offizielle nur im Privaten, um die Ukraine nicht zu entmutigen." Dieser Krieg wird sich ziehen.

Dass Putin nicht nur die Ukraine im Blick hat, zeigt sich aktuell in Belarus. Verschiedene Soldaten der Söldnertruppe Wagner, die im Juni eine Art Putsch in Russland versucht hatten, sind in dem Land stationiert – und es rumort ordentlich. So sehr, dass Polen schon mehr Soldaten an die Grenze zu Belarus schickt.

Diese Grenze war schon vor dem Ukraine-Krieg unter Spannung. Belarus benutzte Flüchtlinge als eine Art menschliche Waffe, um die Europäische Union unter Druck zu setzen. Was Putin als Nächstes tut, ist schlicht nicht vorherzusagen. Er ist unberechenbar. Mal legt er eine Finte, mal ist ein Angriff ernst. Sein Taktieren zu unterschätzen, kann lebensgefährlich sein.

Sicher ist nur: Wer sich abwendet von der Brutalität, wer dem Leid der Ukrainer nicht mehr ins Gesicht sehen will und keine Schlüsse daraus ziehen mag, der handelt nicht nur herzlos. Sondern er spielt das makabre Spiel Putins mit – und am Ende wird das mit der eigenen Freiheit bezahlt.


Was steht an?

Alles soll digitaler werden: Heute um 11 Uhr stellt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Details zu seinem geplanten elektronischen Rezept vor. Bis Anfang 2024 soll das dann großflächig zu haben sein, der Umgang mit Ärzten soll für die Patienten deutlich leichter werden. Bis Anfang 2025 will Lauterbach dann auch elektronische Patientenakten einführen.

Vor 78 Jahren explodierte "Fat Man": Die von einem US-Bomber abgeworfene Atombombe tötete in Nagasaki etwa 70.000 Menschen sofort, weitere 75.000 wurden verletzt. Es war die zweite Atombombe, die von den USA abgeworfen wurde – unter dem Eindruck der Zerstörungen kapitulierte Japan damals in den letzten Zügen des Zweiten Weltkriegs. Die Stadt Nagasaki gedenkt heute des Abwurfs mit einer Zeremonie.

Es war ein schrecklicher Fund: Vor vier Jahren wurden in einem Mönchengladbacher Park in einem Koffer die Leichenteile eines 48-jährigen Obdachlosen entdeckt. Die Tat ist bislang nicht vollständig aufgeklärt, heute beginnt gegen drei Männer aus Mönchengladbach der Prozess. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem Körperverletzung mit Todesfolge und erpresserischer Menschenraub.


Ohrenschmaus

Kennen Sie Thees Uhlmann? Ich traf den Sänger vor knapp vier Jahren, in der U-Bahn-Station Alexanderplatz in Berlin. Uhlmann trug einen Jogginganzug, ausnahmsweise. Denn sonst saß er damals bestens gekleidet in Talkshows und bewarb sein frisch erschienenes Album. Sein Lieblingslied von der Platte, so erzählte er es mir damals unter den vorbeirauschenden Straßenbahnen, sei: "Ein Satellit sendet leise". Der Song ist eine Hymne auf große Freundschaften – ohne dass er dabei zu kitschig wird. Ich verspreche Ihnen: Das Hören lohnt sich.

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Lesetipps

Die Wirtschaft in Russland schrumpft – trotzdem ist die Arbeitslosigkeit in Russland so niedrig wie selten. Wie kann das sein? Meine Kollegin Clara Lipkowski hat die Details.

Wechselt er nun oder wechselt er nicht? Seit Wochen wabern die Gerüchte über den Stürmer Harry Kane – der für eine Rekordablösesumme zu einem bekannten Münchner Fußballverein wechseln könnte. Unser Sportressortchef Andreas Becker beschreibt das Gerangel.


Zum Schluss

Manche haben ihre ganz eigene Sicht auf den vom taiwanesischen Konzern TSMC beschlossenen milliardenschweren Bau einer Chipfabrik in Dresden.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diesen Mittwoch. Morgen lesen Sie den Tagesanbruch von meiner Kollegin Janna Halbroth aus unserem Unterhaltungsressort.

Ihr Tim Kummert
Politischer Reporter im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @TKummert

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Mit Material von dpa.

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