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Krönung von König Charles: Das gefällt nicht jedem


Meinung
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Tagesanbruch
Geht es auch eine Nummer kleiner?

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.05.2023Lesedauer: 6 Min.
Die Krönungsgewänder des Königs Charles III.: Muss dieser Prunk wirklich sein?Vergrößern des Bildes
Die Krönungsgewänder des Königs Charles III.: Muss dieser Prunk wirklich sein? (Quelle: IMAGO/Pool / i-Images)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

drei tolle Kollegen in unserer Redaktion sind kürzlich befördert worden. Bringen seit Jahren Top-Leistung, hängen sich rein, mischen ganz vorne mit. Beim FC Bayern steht Joshua Kimmich kurz davor, das Kapitänsamt zu übernehmen. Auch das ist total verdient, der Mann spielt astreine Pässe, ackert für die Mannschaft, schlichtet Konflikte. Boris Pistorius beweist ebenfalls, dass er sein Ministeramt zu Recht bekommen hat: Endlich räumt jemand den deutschen Verteidigungsmurks auf! Sie sehen also: Ob Unternehmen, Sport oder Politik, überall kann man verdient Karriere machen, wenn man Einsatz zeigt, Verantwortung übernimmt, mehr arbeitet als andere. Bleibt man dann auch noch empathisch und kollegial, wird einem jeder den Aufstieg gönnen.

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Anders in England. Genauer: in London. Noch genauer: in der Westminster-Abtei, einer Kapelle neben dem Parlament. Dort wird morgen ein 74-jähriger Herr die oberste Karrierestufe erklimmen, die es in Großbritannien und dessen Commonwealth-Partnerländern gibt: Charles Philip Arthur George bekommt einen Haufen Gold aufs graue Haupt gesetzt – zack, schon ist er gekrönter König. Nicht, weil er in seinem Leben besonders viel geleistet hätte, sondern weil er das Kind seiner Eltern und in der Thronfolge nun eben an der Reihe ist.

Was spricht für Charles? Man mag dem passionierten Umweltschützer zugestehen, dass er sich seit Jahren für Natur und Klimaschutz engagiert und obendrein unzählige Repräsentationstermine auf sich genommen hat. Für 800 Wohltätigkeitsinitiativen steht er Pate. Vorher hat er Archäologie, Anthropologie und Geschichte studiert und seiner Mutter zuliebe Walisisch gebüffelt. Seither kann er Sätze sagen wie "Mae cymraeg yn iaith anodd", was tatsächlich etwas bedeutet (können Sie ja googeln). Bei der BBC hat er mal den Wetterbericht vorgelesen, sapperlot. Außerdem malt er gern und beherrscht ein paar Zaubertricks, auch nicht schlecht. In Ecuador haben sie eine Froschart nach ihm benannt, den Hyloscirtus Princecharlesi, was ich jetzt einfach mal so stehen lasse. Unterm Strich wird man Herrn Charles aber nicht zu nahe treten, wenn man ihn – rein persönlich gesehen – als recht gewöhnlichen Durchschnittsbriten bezeichnet.

Das ist er aber natürlich nicht. Er ist die Majestät, die Nummer eins im Volk und in den Herzen von Millionen Royalisten. Er darf auf Staatskosten ein Leben in Saus und Braus führen; eine Heerschar von Bediensteten liest ihm jeden Wunsch von den Augen ab. Einfach nur deshalb, weil er qua Geburtsfolge der Gebieter ist. Selbst wenn man die konstitutionelle Monarchie gelassen sieht und den Rummel bei der Krönung morgen belächelt, selbst wenn man Charles III. zugutehält, dass er nur 2.000 Gäste eingeladen hat statt 8.000 wie seine Mutter Elizabeth II. anno 1953, bleibt doch ein gewisses Gefühl der Irritation, das man als Demokrat verspürt.

Mehr als 280 Millionen Euro Steuergeld soll das Spektakel morgen angeblich kosten, Tausende von Polizisten beschützen Emmanuel Macron, Frank-Walter Steinmeier, Herrn Bongbong von den Philippinen und weitere 30 Präsidenten, Vizepräsidenten und Ministerpräsidenten sowie 30 Monarchen aus aller Welt, darunter König Tupou VI. aus Tonga und der bulgarische Zar Simeon II.

Es ist also morgen in London richtig was los, und es kostet einen Haufen Moos. Sie haben es sicher schon bemerkt: Ich blicke eher skeptisch auf das Bohei. Nicht, weil ich Groß-Events doof fände oder Freunden großer Egos und großer Hüte das Defilee missgönne. Sondern weil ich den Eindruck habe, dass da ein Spektakel veranstaltet wird, das in unsere krisengeschüttelte Welt nicht mehr hineinpasst. Damit bin ich nicht allein: Mehr als die Hälfte der Deutschen hält die britische Monarchie für unzeitgemäß, berichtet mein Kollege Steven Sowa.

Keine Frage: Die Welt braucht Vorbilder, erst recht in Krisenzeiten. Ein royales Lagerfeuer mag ein paar Millionen Menschen für zwei, drei Stunden vor den Flimmerscheiben zusammenrücken lassen, vielleicht auch das. Aber geht es nicht eine Nummer kleiner? So, dass die Zeremonie der tatsächlichen Bedeutung des Amtes eher entspricht?

Bei mir um die Ecke gibt es ein Steakrestaurant. Hat ein Gast Geburtstag, serviert die Kellnerin einen Eisbecher mit einem besonderen Extra: dem Goldregenraketchen. Das Ding sprüht 30 Sekunden lang goldenen Konfettiregen, dazu gibt's einen Glückwunsch. Frisch, fröhlich, fertig.

Ehrlich: Ginge es nach mir, würde ein Goldregenraketchen für den Charles morgen völlig reichen.


Ohrenschmaus

Die Briten haben einen König, wir nur einen Kanzler? Nee, was die können, können wir auch!


Roter Überflieger

Von Herrn Pistorius war oben ja schon die Rede, der hat wirklich Auftrieb: Seit seinem Amtsantritt im Januar führt der SPD-Verteidigungsminister die Beliebtheitsliste der deutschen Politiker an. Ob bei Truppenbesuchen, der Reform des Beschaffungswesens oder dem Umbau seines Ministeriums: Der Mann mit "Bock auf den Bendlerblock" verströmt Tatkraft und Entschlossenheit; selbst die Opposition staunt beeindruckt.

Auch sein heutiger Termin dürfte auf das Macher-Image einzahlen: Gemeinsam mit seinem dänischen Amtskollegen Troels Lund Poulsen besucht Pistorius die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Leopard-Kampfpanzern. Am Bundeswehrstandort Klietz in Sachsen-Anhalt werden die Männer in die Lage versetzt, das Waffensystem zu nutzen und zu warten. Bislang wurden schon mehr als 3.000 Ukrainer geschult, bis Ende des Jahres sollen es 9.000 sein.


Grüner Tiefflieger

Während Boris Pistorius höchste Popularität genießt, hat ein anderer Ampelminister an Ansehen verloren: In der "Trauzeugen-Affäre" steht Robert Habeck unter Druck – obwohl er den Fehler seines Staatssekretärs Patrick Graichen bei der Kür des neuen Chefs der Deutschen Energie-Agentur eingeräumt hat und das Verfahren zur Besetzung des Postens neu gestartet werden soll. Doch die Opposition hat das Erregungspotenzial des Falls längst erkannt und will Herrn Graichen am kommenden Mittwoch in den Wirtschaftsausschuss vorladen. Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann bringt sogar schon einen Untersuchungsausschuss ins Spiel.

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Besonders prekär sind die Filzvorwürfe für den grünen Wirtschaftsminister, weil sie seine Glaubwürdigkeit und Integrität ankratzen. Und das zu einem Zeitpunkt, da er seine ganze Energie und Argumentationskraft eigentlich bräuchte, um für die Sinnhaftigkeit der in seinem Ressort geplanten Zumutungen zu werben (Stichwort Heizungsgesetz).

Immerhin, den Versuch unternimmt er trotzdem: Heute Vormittag besucht der Vizekanzler eine Konferenz der Grünen-Bundestagsfraktion zum Thema "Grüne Wärme für alle", danach lädt er zum Photovoltaik-Gipfel in sein Ministerium. Dabei sollen 50 Politiker und Wirtschaftslenker eine Strategie vorlegen, um die Hürden für den schnellen Ausbau von Solaranlagen abzubauen. Soll die Energiewende wirklich gelingen, muss Deutschland das Ausbautempo nämlich verdreifachen.


Endspurt in Bremen

Es ist ein deutschlandweit einmaliges Phänomen: Seit Gründung des Bundeslands im Jahr 1947 stellt in Bremen die SPD den Bürgermeister. Da kann nicht mal die bayerische CSU mithalten. Aber nun bröckelt die rote Machtbasis an der Weser: 2019 wurde mit 26,7 Prozent der Stimmen erstmals die CDU stärkste Kraft, nur mangels Koalitionsoptionen konnte sie nicht die Regierung übernehmen. Seither führt Andreas Bovenschulte ein Bündnis aus SPD (zuletzt 25 Prozent), Grünen (knapp 18 Prozent) und Linken (gut 11 Prozent). Um bei der Bürgerschaftswahl am 14. Mai vielleicht doch mal einen Wechsel herbeizuführen, schickt die CDU heute im Wahlkampfendspurt ihren schleswig-holsteinischen Hoffnungsträger Daniel Günther in Bremen in die Bütt. Für die Gegenseite gastieren Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Janine Wissler (Linke) in Bremerhaven.


Rätselhafte Justiz

Der deutsche Gewalttäter Christian B. gilt als Hauptverdächtiger im Fall Maddie McCann. Trotzdem könnte er in Kürze freikommen. Unser Rechercheur Carsten Janz kennt den Grund.


Lesetipps

Um seine Macht zu verteidigen, hofft der türkische Präsident Erdoğan bei der Wahl auf die Stimmen vieler Deutschtürken. Wie groß ist sein Rückhalt hierzulande noch? Unser Außenpolitikredakteur Patrick Diekmann gibt Ihnen Einblicke.


Waren es die Russen doch selbst? Der Drohnenabschuss über dem Kreml sorgt für Spekulationen. Mein Kollege Tobias Eßer ordnet sie ein.



Die EZB stemmt sich gegen die Inflation, nimmt bei der Zinswende aber das Tempo heraus. Die Währungshüter stecken in einem Dilemma, schreibt mein Kollege Florian Schmidt.


Zum Schluss

Der Kurs der Notenbanken hat Folgen.

Bleiben Sie gelassen. Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Freitag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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