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Lambrecht weg, Pistorius kommt: Die Alternative zur Ampel ist nicht besser


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Tagesanbruch
Neue Minister: Die Alternative ist auch nicht besser

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 17.01.2023Lesedauer: 5 Min.
Kanzler Scholz sieht sich durch CDU-Chef Merz herausgefordert.Vergrößern des Bildes
Kanzler Scholz sieht sich durch CDU-Chef Merz herausgefordert. (Quelle: Florian Gaertner/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Christine Lambrechts verkorkster Abgang ist in den vergangenen Stunden hoch und runter kommentiert worden. Die Selbstverteidigungsministerin hat so ziemlich alles falsch gemacht, was man in diesem Amt falsch machen kann – und dann auch noch ihr Rücktrittsschreiben vermasselt. Von einer "Frechheit" schreibt unsere Reporterin Annika Leister.

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Der Fall Lambrecht beschädigt auch den Bundeskanzler: Eine "Zeitenwende" hatte Olaf Scholz nach Putins Angriff vor knapp einem Jahr ausgerufen, eine historische Kurskorrektur der naiven deutschen Sicherheitspolitik. Großer Auftritt im Bundestag, viel Lob in der Presse. Der Kanzler sonnte sich im Glanze – und sah dann monatelang zu, wie seine wichtigste Ministerin das Projekt in den Sand setzte:

  • Von den 100 Milliarden Euro des Sondervermögens ist erst ein Bruchteil abgerufen worden, in der Bundeswehr fehlt es immer noch am nötigsten.
  • Bei den Nato-Partnern schüttelt man den Kopf über die erratische deutsche Diskussion über Waffenlieferungen für die Ukraine.
  • Im Verteidigungsministerium liefern sich Lobbyisten der Teilstreitkräfte eifersüchtige Hahnenkämpfe, während Rüstungsfirmen mit Ministerialreferenten Katz und Maus spielen.
  • Den Überblick über die deutsche Verteidigung, von der Gesamtstrategie bis zur fehlenden Schraube am Hubschrauber, hat niemand mehr.

Keine Frage: Nach diesem Debakel steht nicht nur das Ministerium, nicht nur der Kanzler, sondern die gesamte Ampelkoalition düpiert da. Wenn es doch nur diese eine Baustelle wäre! Doch auch in anderen Ministerien läuft es 13 Monate nach Start des Bündnisses von SPD, Grünen und FDP nicht rund:

  • Verkehrsminister Wissing scheitert an den Klimaschutzzielen und verbummelt nebenbei die überfällige Digitalisierung der Verwaltung. Millionen Bürger ärgern sich über kaputte Straßen, verspätete Züge und monatelange Wartezeiten auf dem Amt. Kann man alles nicht von heute auf morgen ändern, aber mehr als Absichtserklärungen wären schon gut.
  • Bauministerin Geywitz wird das Versprechen der Koalition kassieren müssen, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Dabei können sich immer mehr Stadtbewohner die horrenden Mieten nicht mehr leisten; die "Süddeutsche Zeitung" schreibt von einer "sozialen Katastrophe".
  • Innenministerin Faeser hat schon so viele Dinge angekündigt, dass man mitunter übersieht, wie wenig sie umgesetzt bekommt – vom Kampf gegen Neonazis über die Cybersicherheit bis hin zur besseren Koordination der Flüchtlingsaufnahme.
  • Bildungsministerin Stark-Watzinger müsste das Föderalismuschaos in der Bildungspolitik lichten und den Ländern dabei helfen, den Notstand in Tausenden Schulen zu beheben. Kommt auch nicht voran.
  • Außenministerin Baerbock hat sich bei der China-Strategie mit dem Kanzleramt verhakt. Nun herrscht in der Diskussion über den Umgang mit dem wichtigsten deutschen Handelspartner erst mal Stillstand.

Alles nicht erfreulich, und dabei ist der Name Lauterbach noch gar nicht gefallen. Selbst wenn man der Ampelkoalition zugutehält, dass Putins Krieg und dessen Folgen ihre ursprünglichen Pläne über den Haufen geworfen haben und sie seitdem im Krisenmodus agieren muss, fällt die Bilanz nicht toll aus.

Oder?

In der Politik ist alles eine Frage der Alternativen. Dass die rot-grün-gelbe Mannschaft eigentlich doch ganz passabel regiert, fällt erst auf, wenn man einen Augenblick lang über die Alternative im Falle einer (hypothetischen) Neuwahl nachdenkt: eine Bundesregierung unter Führung von CDU und CSU.

Was käme dabei heraus? Ein Kanzlerwahlverein, der eigentlich nur noch eine Bevölkerungsgruppe repräsentiert: ältere weiße Männer. Junge Leute, Menschen mit Migrationshintergrund und viele Frauen erreicht die Union mit ihrem Personal, ihrem Programm und ihrer Kommunikation kaum noch. Von weiten Teilen der Bevölkerung ist sie entkoppelt, versteht auch deren Wünsche, Sorgen und Nöte offenbar nicht mehr. In 16 Merkel-Jahren hat sie es zugelassen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich unanständig weit geöffnet hat. Nicht verwunderlich, dass CDU und CSU seit Jahren Mitglieder verlieren. Sie haben keinen Seismografen mehr für Stimmungen in der Bevölkerung.

Das Problem beginnt beim Führungspersonal: CDU-Chef Merz und sein Generalsekretär Czaja, CSU-Boss Söder sowie die Landesfürsten Wüst (NRW), Kretschmer (Sachsen), Haseloff (Sachsen-Anhalt), Rhein (Hessen) und Günther (Schleswig-Holstein) wollen die ausgezehrte Union neu beleben – und merken gar nicht, wie ähnlich sie alle ticken. Eine Antwort auf die immer vielfältigere Gesellschaft und die Mammutherausforderungen durch Klimakrise und Artensterben hat die Union bislang nicht. Stattdessen schreckt sie Demokraten ab, indem sie einen Verschwörungsschwurbler wie Hans-Georg Maaßen in ihren Reihen duldet und Parteichef Merz pauschal gegen die Nachkommen von Einwanderern wettert. "Man spuckt all denjenigen ins Gesicht, die hier seit zwei, drei Generationen leben", hat der Politikwissenschaftler Carlo Masala treffend dazu gesagt.

CDU und CSU müssen sich grundlegend erneuern, ehe sie im Bund zu einer ernst zu nehmenden politischen Alternative werden. Das wird Jahre dauern, Erfolg ungewiss. Das macht die Fehler der Ampelleute nicht kleiner. Aber es relativiert sie.


Es geht los in Davos

Zum ersten Mal seit drei Jahren findet wieder das Spektakel in Davos statt: Beim Weltwirtschaftsforum in den Graubündner Bergen reden 2.700 Teilnehmer aus 130 Ländern über das Thema "Zusammenarbeit in einer zersplitterten Welt". Und auch wenn man Vorbehalte gegen den elitären Zirkel im Schweizer Nobelskiort hegen kann, auch wenn US-Präsident Joe Biden und Chinas Diktator Xi Jinping abgesagt haben und Kanzler Olaf Scholz, der morgen erwartet wird, als einziger Chef eines G7-Landes dabei ist: In einer Zeit multipler Krisen muss jede Möglichkeit des Austauschs genutzt werden.


Geständnisse zum Juwelenraub

Schmuckstücke mit Diamanten im Wert von mehr als 113 Millionen Euro raubten Diebe 2019 aus dem Grünen Gewölbe in Dresden. Im Prozess gegen die mutmaßlichen Einbrecher werden heute deren Erklärungen erwartet. Nach der Rückgabe eines Großteils der leider beschädigten Beute haben Verteidiger, Staatsanwälte und Richter einen Deal geschlossen, der fünf der sechs Angeklagten betrifft: Gegen "glaubhafte Geständnisse" sollen sie eine geringere Strafe erhalten. Vier von ihnen haben schon zugestimmt, der Fünfte wird seine Entscheidung wohl heute mitteilen. Der sechste Beschuldigte streitet eine Beteiligung mit Verweis auf ein Alibi ab. Gerechnet wird mit mehrjährigen Haftstrafen für die älteren Beschuldigten und mehrmonatigen für die jüngeren.


Was lesen und hören?

An ihrem 15. Geburtstag wurde Rachel Hanan nach Auschwitz verschleppt. Was gab ihr die Kraft, in der Hölle durchzuhalten? Meinem Kollegen Marc von Lüpke hat sie es erzählt.





So kalt und dunkel draußen, brrr, schnell fliehen! Ist gar nicht schwer: einfach 40 Jahre zurückträumen, als der weltbeste Mark das weltbeste Solo zupfte.


Was amüsiert mich?

Wie war das noch mit den Dienstgraden?

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Ich wünsche Ihnen einen gut orientierten Tag.

Herzliche Grüße

Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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