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Janine Wissler erlebte Erdbebenkatastrophe in Türkei: "Fühlte sich ewig an"


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Linken-Chefin im Erdbebengebiet
"So etwas habe ich noch nie erlebt"

  • Annika Leister
InterviewVon Annika Leister

Aktualisiert am 08.02.2023Lesedauer: 3 Min.
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Unglaubliche Zerstörung: Drohnenaufnahmen zeigen, was die Erdbeben in der Türkei angerichtet haben. (Quelle: t-online)

Linken-Chefin Janine Wissler reist gerade durch die Türkei. Sie hat das Erdbeben im Südosten des Landes miterlebt. Hier schildert sie ihre Eindrücke.

Eigentlich will Janine Wissler am Dienstag als internationale Beobachterin an einem Prozess gegen HDP-Abgeordnete in Ankara teilnehmen. Bereits am Samstag war die Vorsitzende der Linken deshalb in die Türkei gereist. In Diyarbarkir, einer Stadt im Südosten, sprach sie mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen und politischen Initiativen.

Doch in der Nacht zu Montag wurde die Stadt vom stärksten Erdbeben erschüttert, das die Region je getroffen hat. Die 42 Jahre alte Wissler erlebte es mit – zunächst in ihrem Hotel, dann auf den Straßen der teils verwüsteten Stadt. Mit t-online hat sie über die Nacht und den Morgen danach gesprochen.

t-online: Frau Wissler, wie haben Sie das Erdbeben erlebt?

Janine Wissler: Ich bin um 4.17 Uhr aus dem Schlaf gerissen worden. Alles hat gewackelt, alles hat geknarzt. Es fühlte sich an wie in einem Schuhkarton, der durchgeschüttelt wird. So etwas habe ich noch nie erlebt. Am krassesten war für mich, wie lange es nicht aufgehört hat zu beben. Eine Minute oder zwei soll das Beben gedauert haben – es fühlte sich ewig an.

Was haben Sie gedacht?

Man fühlt sich total hilflos, wenn der Boden unter einem wackelt. Ich wusste erst mal gar nicht, wo ich hingehen sollte, weil ich mich in der Stadt nicht auskenne und es Nachbeben gab. Ich bin hier mit Feleknas Uca von der HDP unterwegs, einer Abgeordneten des türkischen Parlaments, und mit Menschen, die Erdbeben gewohnt sind. Aber alle sagen: So etwas haben sie noch nie erlebt.

Wie haben Sie in der Nacht reagiert?

Wir sind auf die Straße gegangen. Die Leute waren panisch, voller Angst. Viele haben geweint. Ältere Menschen waren barfuß in Sandalen, die hatten nicht einmal die Zeit, sich richtige Schuhe oder Socken anzuziehen, so groß war ihre Angst. Und es ist richtig kalt in Diyarbarkir gerade, es liegt Schnee. Das wird für die Rettungskräfte jetzt auch eine riesige Herausforderung.

Wie war Ihr Eindruck am Morgen?

Ich bin durch die Stadt gefahren und habe viele eingestürzte Häuser gesehen. Von mehrstöckigen Wohnhäusern sind nur noch Trümmerhaufen übrig. Und man weiß natürlich: Das Erdbeben kam mitten in der Nacht, in jedem dieser Häuser sind Menschen gewesen, die friedlich schliefen und die jetzt unter Schutt und Trümmern verschüttet sind. Eine entsetzliche Vorstellung.

Deutschland und die Nato-Partner haben Hilfe angekündigt. Was muss jetzt passieren?

Wichtig ist, die Rettungsarbeiten so schnell wie möglich zu unterstützen und Hilfskräfte zu schicken. Mit Blick auf die Wetterverhältnisse ist das ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Verschütteten müssen schnellstmöglich geborgen werden. Eine sehr große Region ist betroffen, neben dem Südosten der Türkei auch große Gebiete in Nordsyrien. Dort soll das Erdbeben auch mehrere Flüchtlingscamps getroffen haben. Ersten Berichten zufolge gibt es in manchen Orten aktuell kein Trinkwasser. Und man muss auch die Frage stellen, ob genug für den Erdbebenschutz getan wird. Viele Gebäude sind nicht erdbebensicher, obwohl das Erdbebenrisiko in der Region bekannt ist.

Was erzählen Ihre Gesprächspartner aus der Region: Passiert genug beim Erdbebenschutz?

Die HDP-Abgeordneten kritisieren, dass es in den nun betroffenen kurdischen Gebieten viel zu wenig Investitionen in den Erdbebenschutz gibt, die Region insgesamt unterfinanziert ist und vernachlässigt wird. Der Katastrophenschutz ist aber offenbar auch in anderen Teilen des Landes nicht gut, auch in Istanbul gibt es wohl große Probleme.

Wo sind Sie jetzt?

Ich bin heute Morgen nach Ankara geflogen. Ich will morgen eigentlich als internationale Beobachterin an einem Prozess gegen 108 Oppositionelle teilnehmen, das ist der eigentliche Grund meiner Reise. Ich habe Menschenrechtsorganisationen und Aktive getroffen, um die demokratischen Kräfte in der Türkei zu unterstützen.

Wird der Prozess stattfinden?

Der Prozesstag wird morgen wohl eröffnet, aber vielleicht vertagt. Das steht noch nicht fest. Viele Angeklagte sind inhaftiert, befinden sich in den vom Erdbeben betroffenen kurdischen Gebieten in Gefängnissen und müssen zugeschaltet werden.

Frau Wissler, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Janine Wissler
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