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Miese Masche auf Amazon: Paar wird von Paketen verfolgt


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Verkäufer nutzen falsche Adresse
Miese Amazon-Masche: Paar wird mit Rücksendungen zugemüllt


Aktualisiert am 25.10.2024Lesedauer: 5 Min.
Nervige Pakete: Eine Familie bekommt an ihre Anschrift reihenweise Rücksendungen von Herrenmode, die die Käufer eigentlich dem Verkäufer schicken wollen.Vergrößern des Bildes
Nervige Pakete: Eine Familie bekommt an ihre Anschrift reihenweise Rücksendungen von Herrenmode, die die Käufer eigentlich dem Verkäufer schicken wollen. (Quelle: Sturti/Christoph Wolf/getty-images-bilder)

Ein Ehepaar wird verfolgt von Paketen, die es nie bestellt hat. Das liegt am dreisten Umgang mancher Händler auf Amazon mit Rücksendungen – und Amazons langer Untätigkeit.

Bis zu fünf Pakete bekommt Familie Wolf in manchen Wochen vor ihrer Paketzustellerin nicht ausgeliefert – und dafür sind die Wolfs ihr wirklich dankbar. Seit März 2023 erhält das Paar aus einem Ort in Rheinland-Pfalz immer wieder Rücksendungen von Kunden, die unzufrieden sind mit online bestellten Textilien. Die Wolfs sind allerdings keine Händler und haben mit den Paketen eigentlich nichts zu tun.

Die Suche des Paares nach Abhilfe führte sie auf eine Odyssee durch den Amazon-Kundendienst und enthüllt eine abenteuerliche Geschichte von Geschäften mit China: Einfach und billig, solange die Ware passt und gefällt. Wenn die Hose kneift oder der Stoff nicht gefällt, kann es kompliziert werden. Hier kommt das Ehepaar Wolf unfreiwillig ins Spiel.

Beim ersten Paket dachten sie noch an einen Irrtum. Straße, Hausnummer, Postleitzahl stimmten, aber "Tuikayoo Lagerung" gibt es nicht in ihrem Haus, das sie vor einigen Jahren auf ihrem eigenen Grundstück gebaut haben. Inzwischen kommen keine Pakete mehr für "Tuikayoo", dafür aber für "Monika Jörn". Auch eine Monika Jörn wohnt dort nicht, hat dort nie gewohnt und ist auch in der Straße und im Ort nicht bekannt.

Drei falsche Pakete an einem Tag

Es gab auch schon den Tag, an dem die Post oder Hermes gleich drei Pakete bringen wollte für Monika Jörn. "Es klingelt, oft ja nicht unbedingt im passendsten Moment, man macht auf – und dann sind es wieder Pakete, mit denen wir nichts zu tun haben", berichtet Christoph Wolf. "Irgendwann nervt das." Und manchmal, wenn niemand zu Hause ist und sie die Annahme nicht verweigern können, lagen Pakete auch schon vor der Tür.

Sehr lange hat er versucht, dem Phänomen selbst auf den Grund zu gehen und zur Aufklärung beizutragen – um schließlich bei Amazon gegen die Wand zu laufen.

Denn schnell war klar: Alle Pakete, mit denen sie behelligt werden, sind Rücksendungen von Kunden, die vom Amazon Marketplace gekauft haben. Dort bieten Händler aus aller Welt über die Plattform Produkte an. Und die Ware kommt auch oft aus aller Welt – in diesem Fall Anzüge oder Oberteile geschneidert in China für den Steuerberater in Österreich und den Spediteur aus dem Sauerland.

Von diesen Käufern weiß Wolf konkret. Er hat manche Absender der Irrläufer-Pakete kontaktiert. Sie waren überwiegend misstrauisch und hatten wenig Lust, nach negativen Erfahrungen mit dem Kauf auch noch mit völlig Fremden darüber zu sprechen.

Über die Pakete und die Rücksender gelangt man auch an Namen von den Verkäufern – und findet dort in den Bewertungen weitere Hinweise. Viele positive Bewertungen gibt es einerseits – Kunden, die für Spottpreise Anzüge bekommen haben, die ihnen gepasst haben. Der Händler "waeyye" hat aber auch 31 Prozent Rückmeldungen mit lediglich einem Stern: "Rücksendung echt scheiße und viel zu teuer" heißt es da, "Katastrophe beim Reklamieren" oder auch "Artikel wurde mir zurückgeschickt", die Versandadresse sei falsch gewesen, die Telefonnummer nicht vergeben.

Unter den Bewertungen befanden sich auch Schilderungen von Käufern, die ihre Einkäufe nach China zurücksenden sollten – zu horrenden Versandgebühren. Drop-Shipping heißt das Geschäftsmodell, das mutmaßlich dahintersteckt. Ein Onlinehändler nimmt Bestellungen entgegen, hat jedoch selbst kein Lager, wickelt die Zahlung ab und lässt die Ware vom Hersteller an die Besteller verschicken. Legal, oft sehr günstig, aber mit Risiko, über das das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland gerade informiert hat: Es kann dauern, und je nach Geschäftsbedingungen und Aufklärung im Vorfeld muss der Kunde die Versandgebühren nach China selbst tragen.

Händler wollte lieber Preisnachlass geben

Amazons Regeln für Verkäufer schließen genau dies innerhalb der entsprechenden Fristen aus. Sie schreiben drei Wege für die internationale Rückgabe vor: volle Rückerstattung der Ware, ohne eine Rücksendung zu verlangen, frankiertes Rücksendeetikett für eine internationale Rücksendung oder eine Rücksendeadresse innerhalb Deutschlands.

Die Regeln können jedoch nicht verhindern, dass Verkäufer dennoch versuchen, diese zu umgehen und Käufern eine falsche Adresse zur Rücksendung nennen – wie im Falle der Familie Wolf. Eine Antwort von "waeyye" an einen Käufer zeigt, dass er das nicht passende Kleidungsstück behalten solle und ein neues kostenlos bekommen könne. Doch der wollte lieber Geld zurück. Der jüngste Fall eines Rücksenders, ein Steuerberater aus Österreich, wurde von waeyye bekniet, die Sendung zu behalten und dafür einen Teil des Geldes zurückerstattet zu bekommen. Er nahm das Angebot nicht an und schickte mit dem Rücksendeetikett zurück.

Und Christoph Wolf nahm wiederum das Paket nicht an, als es vor wenigen Tagen bei ihm ankam. Es gab zwischenzeitlich immer wieder Wochen, in denen die Familie keine Pakete erhalten hatte. "Wir haben mit der Paketbotin gesprochen. Sie hat uns gesagt, dass sie die Pakete im Zustellstützpunkt schon nicht annimmt." Gut möglich, heißt es von einem Sprecher der Deutschen Post DHL auf t-online-Anfrage: "Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denken mit und können natürlich ein Paket direkt zurückgehen lassen, wenn sie wissen, dass es nicht zustellbar ist." Die Post schickt dann an den Versender zurück. Und der hat dann seinen unerwünschten China-Anzug wieder.

Amazon wollte Informationen und konnte nicht helfen

In manchen Wochen, so Wolf, waren es fünf Pakete, die ihnen die Zustellerin nach deren Schilderung erspart habe. Nur: Paketboten wechseln, es gibt Vertretungen. Zudem verfahren andere Paketdienstleister nicht so, da deren Fahrer oft wechseln.

Als jetzt nach einigen Wochen Ruhe das Paket des Österreichers kam, war für Wolf das Maß voll: Er wandte sich an t-online und forderte Amazon ultimativ auf, endlich etwas zu unternehmen.

Das Paar kann einige Korrespondenzen und Telefonate mit Amazon vorweisen. Per Mail wurde Wolf gebeten, möglichst viele Informationen zu senden. Machte er mit detektivischem Eifer mehrfach. Er bekam Antworten mit dem Schlusssatz "Unser Ziel: das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein" – jedoch nie Hilfe. Das Social-Media-Team kapitulierte schließlich: "Es steht Ihnen selbstverständlich frei, eigenständig weiterführende Maßnahmen zu ergreifen." Ein Angebot von Amazon war für Wolf wenig tröstlich: "Sie haben uns gesagt, wir können die Pakete annehmen und behalten. Aber was wollen wir damit?"

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Beim Social Media-Team hatte offenbar niemand Ratschlag und kannte niemand einen hilfreichen Link. Den hat Familie Wolf jetzt nach einer Beschwerde an die Geschäftsführung von Amazon erhalten, als sie rechtliche Schritte androhte: Es gibt eine Seite, um unerwünscht zugeschickte Pakete zu melden.

Dabei geht es aber vor allem um ein anderes Phänomen – "Brushing": Es werden nie bestellte Pakete geliefert, die auch nicht bezahlt werden müssen. Dem Shop, der solche Sendungen an irgendwelche Adressen schickt, geht es darum, sich für Verkäufe selbst gute Bewertungen zu geben und Glaubwürdigkeit aufbauen zu können. Der Fall, dass Verkäufer Kunden mit falschen Rücksendeadressen täuschen, ist auf dieser Amazon-Hilfeseite nicht erwähnt.

Amazon macht auch keine Angaben, wie verbreitet das Phänomen ist. Eine Sprecherin beantwortete keine konkrete Frage, teilte lediglich mit: "Verkaufspartnern ist es untersagt, unaufgefordert Pakete an Kund:innen zu senden." Amazon ergreife Maßnahmen, wenn wir einen Verstoß gegen unsere Richtlinien feststellen: unter anderem, indem wir Zahlungen zurückhalten, Verkaufsberechtigungen aussetzen und Akteure mit schlechten Absichten den Strafverfolgungsbehörden melden." Käufer sollen in solchen Fällen durch die "A-Z-Garantie" von Amazon ihre Rückerstattung erhalten.

Von "waeyye" finden sich nun keine Artikel mehr bei Amazon – der Shop wurde vom Marketplace entfernt. Ein anderer Shop, der die Adresse der Wolfs ebenfalls nutzte, ist hingegen weiterhin vertreten. Zumindest hat dieser aber jetzt keine Herrenmode der Marke Tiavllya mehr im Sortiment, die die einzige Marke bei "waaeyye" war. Eine Anfrage von t-online beantwortete Tiavllya nicht.

Die Wolfs hoffen jetzt, dass das Problem bei Amazon angekommen ist und bei ihnen oder anderen falschen Adressen keine Rücksendungen mehr ankommen. Christoph Wolf: "Mit der Masche ist hoffentlich Schluss."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Christoph Wolf
  • Anfragen an Amazon, Deutsche Post DHL und die beteiligten Shops
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