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Michail Gorbatschow gestorben: Er hielt es für möglich


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Tagesanbruch
Er schaffte das Undenkbare

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 31.08.2022Lesedauer: 6 Min.
Michail Gorbatschow (Mitte) und seine Frau Raissa (r.) inmitten einer begeisterten Menschenmenge auf dem Bonner Marktplatz am 13. Juni 1989.Vergrößern des Bildes
Michail Gorbatschow (Mitte) und seine Frau Raissa (r.) inmitten einer begeisterten Menschenmenge auf dem Bonner Marktplatz am 13. Juni 1989. (Quelle: picture alliance/dpa)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

es ist ein Morgen, an dem ein ganz Großer von uns gegangen ist. Michail Gorbatschow ist tot.

Mir kommt sofort dieser eine Satz in den Sinn. Der ihm, dem Friedensnobelpreisträger, allgemein zugeschrieben wird: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Die Wahrheit ist komplizierter, Gorbatschow hat das so vermutlich nie gesagt. Was bei seinem Besuch zum 40. Jahrestag in der DDR im Oktober 1989 entscheidend war: Er machte unmissverständlich klar, dass Moskau dem Berliner Regime das Vertrauen entzogen hatte. Wir Deutsche haben ihm viel zu verdanken.

Gorbatschows Lebensleistung ist, eine Vision von Frieden und Freiheit durchgesetzt zu haben. In einem Land und einer Welt, in der diese undenkbar schien.

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Er vermochte es, einen verkrusteten Staat wie die Sowjetunion von innen heraus zu reformieren. Ohne Blutvergießen, ohne Rache. Er war einer, der an eine bessere Welt glaubte und handelte. Nach den vielen Jahren des Kalten Krieges machte Gorbatschow damit allen Menschen Hoffnung. Er hat eine ganze Generation geprägt.

Als ich 1993 zum ersten Mal nach Russland reiste (Gorbatschow war da längst entmachtet), war an jeder Straßenecke der Aufbruchswille der Menschen zu spüren. Alles schien möglich, alle blickten hoffnungsvoll in die Zukunft.

Gorbatschow trat den Beweis an, dass Veränderung zum Guten möglich ist, auch wenn man sie in diesem Moment nicht für möglich hält. Und das in ganz großem Maßstab.

In Russland wird Gorbatschow heute in einem anderen Licht gesehen. Doch man tut ihm unrecht. Er war nicht derjenige, der das Land zugrunde gerichtet hat. Allein allerdings konnte er die von ihm losgetretene Entwicklung in seiner Heimat bald nicht mehr beherrschen.

Einen Staatsmann wie Gorbatschow hat die Welt bis heute nicht mehr gesehen.

Was von ihm bleibt? Er zeigt uns, wie viel ein einzelner Mensch bewegen kann. Und wo wir an unsere Grenzen stoßen. Mein Kollege Marc von Lüpke hat einen Nachruf über das Leben des Ausnahmepolitikers geschrieben. Politiker und Staatschefs aus der ganzen Welt haben sich schon in der vergangenen Nacht betroffen geäußert. "Michail Gorbatschow schrieb Geschichte und eröffnete Chancen, die der Westen jedoch verspielte", schreibt unser Kolumnist Gerhard Spörl in seinem Nachruf über den verstorbenen Sowjetpräsidenten. "Der Westen trägt Mitschuld daran, dass der Kairos vorüberging."

Gorbatschow hat übrigens den Ausspruch "Wer zu spät kommt ..." in seine Autobiografie übernommen. Ihm gefiel der Satz.


Entscheidende Tage in der Ukraine

Das führt zurück ins Heute. Die militärische Lage in der Ukraine ist unübersichtlich. Klar ist so viel: Die ukrainische Armee hat vor zwei Tagen im Süden in der Region Cherson eine größere Offensive gestartet.

Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von großflächigen Angriffen, westliche Geheimdienste bestätigen Gefechte an mehreren Frontabschnitten. Offenbar wurde eine Reihe von strategisch wichtigen Brücken zerstört. Die russische Armee bestätigte Vorstöße der ukrainischen Truppen, erklärte sie aber für gescheitert.

Wir lesen die Nachrichten. Und wünschen uns, dieser Krieg möge endlich enden. Oder zumindest bald eine entscheidende Wendung zugunsten der Ukraine nehmen.

Doch lässt sich Russland tatsächlich auf dem Schlachtfeld besiegen? Die Frage versuchen Militärexperten und Beobachter seit Monaten zu beantworten. Womöglich geht es noch um etwas anderes.

Der Krieg läuft nicht, wie Wladimir Putin es ursprünglich geplant hat. Die Offensive auf Kiew scheiterte schon zu Beginn, der Vormarsch im Osten und Süden geht nur langsam voran, die Zahl der russischen Gefallenen ist hoch.

Deshalb wurde vor einigen Wochen angekündigt, es solle im September in den besetzten Gebieten Referenden über einen Anschluss an Russland geben. In Donezk, Luhansk und eigentlich auch in Cherson und Saporischschja.

Ein schlauer Schachzug abseits des Schlachtfeldes. Denn gehört der Südosten wie die Krim erst einmal zu Russland (zumindest aus Sicht des Kremls), ist der Status quo festgeschrieben.

Es wäre eine grundlegende Richtungsentscheidung. Würde am Verhandlungstisch über einen Waffenstillstand oder Frieden verhandelt, wäre die Zugehörigkeit des Südostens zu Russland nahezu unumkehrbar geworden.

Doch jetzt kommt es anders. Die Referenden finden vorerst nicht statt. Statt Vorbereitungen gibt es bislang nur ominöse Umfragen von russischer Seite in der dortigen Bevölkerung.

Denn der Kreml hat ein Problem: Nach wie vor hat die russische Armee nur etwa 60 Prozent des Gebiets von Donezk besetzt, das Gleiche gilt für die Region Saporischschja. Experten gehen davon aus, dass die Referenden erst dann abgehalten werden, wenn die Gebiete vollständig eingenommen worden sind.

Deshalb ist die Gegenoffensive der ukrainischen Armee im Süden nicht nur militärisch entscheidend. Sie könnte auch die Referenden auf absehbare Zeit verhindern.

Der Ausgang der Offensive ist ungewiss. Ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn ist zumindest die Hoffnung auf einen Etappensieg greifbar.


Es tut sich was in der Kunst

Pablo Picasso hat Olaf Scholz nie getroffen. Das ist bedauerlich, schließlich war Picasso nicht zuletzt auch ein großartiger Porträtmaler.

Jetzt im August 2022 ändert sich alles. Ich lasse Picasso malen.

Erstmals gibt es dafür eine öffentlich zugängliche Software, die beliebige Bilder durch Eingabe von Text erzeugt. Alles, was ich dazu tun musste, war in ein Texteingabefeld zu tippen: "Olaf Scholz, by Pablo Picasso." Et voilà, hier kommt unser Kanzler, wie Picasso ihn vielleicht gemalt hätte.

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Wohin das führt? In den nächsten Jahren erwartet uns wohl eine Flut neuer Werke. Die Software beschränkt sich dabei nicht nur auf billige Kopien, die Maschine erschafft auch ganz eigene Kreationen. Hier: "Eine Landschaft im Nebel."

Der einzige Nachteil: Die Maschine ist immer nur so schlau wie die Daten, mit denen sie gefüttert wurde. Doch das Ergebnis sieht schon erstaunlich gut aus.


Ende einer Klassenfahrt

Die Bundesregierung beendet heute ihre Klausurtagung mit einem seltenen Schauspiel: Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner geben eine gemeinsame Pressekonferenz. Geht es nach Scholz, haben sich in Meseberg wieder alle vertragen. Doch auch bei dieser Pressekonferenz gilt: Manchmal sagen Blicke mehr als Worte.


Ende einer Gaslieferung

Von heute an wird für drei Tage kein Gas mehr über die Ostseepipeline Nord Stream 1 fließen. Wartungsarbeiten, mal wieder. Kennen wir ja schon. Oder wie der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte: Die Wartungsarbeiten seien technisch nicht nachvollziehbar. Am Samstag will Gazprom den Hahn wieder aufdrehen.


Ende der Gratismentalität

Heute enden Spritpreis-Subvention und 9-Euro-Ticket. Zumindest Letzteres geht als Erfolgsmodell in die Geschichte der Verkehrswende ein. Doch auf eine Nachfolgeregelung konnte sich die Ampel bislang nicht einigen. Nur in der Bundeshauptstadt wird es ab Oktober noch einmal für drei Monate ein 9-Euro-Ticket geben. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sieht das als Übergang bis zu einer bundesweiten Lösung.


Anfang eines neuen Antriebs

BMW-Vorstandschef Oliver Zipse will zusammen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder in Garching bei München die Produktion des ersten Brennstoffzellen-Systems für den BMW iX5 Hydrogen starten. Zunächst will der Autobauer mit der Kleinserie Erfahrungen sammeln, dann sollen in Asien solche Autos bald auch in höheren Stückzahlen verkauft werden.


Was lesen oder ansehen

Am 31. August 1997 starb Prinzessin Diana in Paris bei einem Autounfall. Vor genau 25 Jahren. Meine Kollegin Maria Bode hat mit einem Experten über das Erbe der Princess of Wales gesprochen, darüber, wie sie die britische Royal Family nachhaltig verändert hat. Zudem hat sie aufgeschrieben, wie Trevor Rees-Jones heute lebt. Er war damals der Leibwächter und überlebte als einziger.


Die Ampel übt sich derzeit vor allem in Selbstzerfleischung. Derweil nutzt Außenministerin Annalena Baerbock den Spielraum für ihre eigene Russland-Politik. Unser politischer Korrespondent Fabian Reinbold über eine Außenministerin, die ihr Ding macht.


Wenn die Polizei große Mengen an Waffen beschlagnahmt, darf man eigentlich erleichtert sein. Eigentlich. Der Kollege Carsten Janz hat in Schleswig-Holstein einen dubiosen Fall recherchiert, bei dem mehr als 150 beschlagnahmte Gewehre verschwunden sind. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.


Fleißig und produktiv sollten die Arbeiter der Sowjetunion sein. Die Kommunisten halfen dabei mit der Erfindung eines "Superarbeiters" etwas nach. Wie das vonstattenging, zeigt unser Historisches Bild.


Was mich amüsiert

Das Jahr 2022 bescherte uns den sonnigsten Sommer aller Zeiten. Endlich also mal eine gute Nachricht. Oder? Nicht? Doch!

Morgen schreibt Florian Harms wieder an dieser Stelle. Ich wünsche Ihnen bis dahin einen friedlichen Mittwoch.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de

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