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Wertvolle Schusswaffen: Wie 150 gefährliche Sammlerstücke verschwanden


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Wertvolle Schusswaffen
Wie 150 gefährliche Sammlerstücke aus Behördenhand verschwanden

  • Carsten Janz
Von Carsten Janz

Aktualisiert am 31.08.2022Lesedauer: 8 Min.
Ein Blick in die Waffenkammer: Hunderte Karabiner lagerten dort. Nachdem die Polizei sie sichergestellt hatte, verschwanden offenbar besonders teure Stücke.Vergrößern des Bildes
Ein Blick in die Waffenkammer: Hunderte Karabiner lagerten dort. Nachdem die Polizei sie sichergestellt hatte, verschwanden offenbar besonders teure Stücke. (Quelle: Landeskriminalamt Schleswig-Holstein)
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Polizei und Waffenbehörde nahmen einem Sammler seine Waffen weg. Doch wo sind sie hin? Es drängt sich ein Verdacht auf.

Es ist eine Geschichte, die nur schwer zu glauben ist. Ein bis dato völlig unauffälliger Waffensammler wird verdächtigt, illegale Geschäfte zu machen. Die Waffenbehörde und die Polizei nehmen ihm deshalb seine Waffen weg. So weit ist das Alltag. Es geht allerdings um Hunderte Waffen – um wie viele genau, darüber entbrennt jetzt ein Streit. Und auch darüber, wo mehr als 150 der teuren Waffen gelandet sind.

Sie sind unauffindbar und verschwunden. Doch nicht aus der Hand des Sammlers, sondern offenbar aus der Hand der Behörden. Es drängt sich ein Verdacht auf: Gibt es einen Mitarbeiter in den zuständigen Behörden, der mit diesen eigentlich sichergestellten Waffen Handel treibt?

Waffensammler aus Leidenschaft

Es ist eine ungewöhnliche Leidenschaft: Waffen sammeln. Vor allem wenn es darum geht, die technische Entwicklung nur eines Gewehres zu dokumentieren. Doch genau das hat Peter Frank aus Schwesing in Schleswig-Holstein seit Ende der Sechzigerjahre gemacht. Mehr als 900 Waffen sind so zusammengekommen, hauptsächlich Karabiner 98. Seine Sammlung ist international bekannt und schon in einigen Fachbüchern besprochen worden. Er hat allerdings auch andere Sammlerstücke: eine Deko-MG42, Nachbauten von Panzerfäusten und Handgranaten.

Er ist ein aufgeschlossener, freundlicher Mann, grau gelocktes Haar und mit 65 Jahren im besten Alter. Frank interessiert sich für Geschichte, er war selbst in der Bundeswehr. Seine Freunde nennt er Kameraden, und wenn er etwas buchstabiert, dann nutzt er auch schon mal das phonetische Alphabet: A wie Alpha. B wie Bravo. Er bietet beim Interview Kaffee an, erklärt ruhig und freundlich, was ihm passiert ist. "Mir wurde mein Lebenswerk zerstört", sagt er immer wieder und meint seine Waffensammlung, deren Wert er auf weit mehr als 1,5 Millionen Euro schätzt.

Der Handel mit dem Österreicher

Alles beginnt mit einer Hausdurchsuchung bei ihm am 28. November 2017. Er bekommt von seiner Lebensgefährtin den Anruf, dass er schnell nach Hause kommen solle. "Sie hat gesagt: Wir haben Besuch, Peter", erinnert sich Peter Frank. Zu Hause wartet ein Kommando des Landeskriminalamts Kiel und der Waffenbehörde Husum. Der Vorwurf: illegaler Waffenhandel mit einem Österreicher.

Und ja: Tatsächlich gab es einen Handel mit einem Österreicher. Frank wollte eine Waffe importieren, um seine Sammlung zu vervollständigen. Er meldet der damals neuen Sachbearbeiterin in der Waffenbehörde den anstehenden Handel. Er geht also den normalen Weg und überweist dem Händler in Österreich den fälligen Betrag – aber schon bevor er die schriftliche Genehmigung der Behörde hatte.

"Danke für die Blumen"

Der Händler will die Waffe bereits losschicken. Doch Frank sendet ihm eine E-Mail mit einem vielleicht entscheidenden Satz: "Da die neue Sachbearbeiterin nicht so schnell wie die Vorgängerin ist, werde ich wohl noch einige Zeit auf die Einfuhrgenehmigung warten müssen." So erinnert sich Frank. Er leitet diesen Mailverkehr mit dem Verkäufer später an die Sachbearbeiterin weiter, eigentlich nur, weil hierin auch Fotos vom Personalausweis des Verkäufers sind.

Schnell bekommt er Antwort von ihr: "Danke für die Blumen." Sie meint damit den Satz, der ihre Arbeitsweise beschreibt. "Ich sehe heute, dass es unglücklich ist, aber ich meinte es so, wie es da steht. Sie konnte noch nicht so schnell sein. Sie war neu", sagt Frank heute dazu. t-online hat die Behörde mithilfe des Informationszugangsgesetzes dazu gebracht, die Kommunikation offenzulegen. Und sie deckt sich mit den Erzählungen von Frank.

Behörde ignoriert Aktenlage

Aus dem Schriftwechsel geht auch hervor, dass die Sachbearbeiterin die Einfuhr genehmigt, einen Tag später aber das Landeskriminalamt einschaltet. Der Vorwurf: Frank verstoße gegen Waffenrecht, habe keine Waffenherstellungserlaubnis und stelle angeblich illegal Waffen her. Ob diese Vorwürfe tatsächlich zutreffen, daran bestehen allerdings große Zweifel.

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t-online liegt ein weiteres Dokument vor. Nämlich Franks Antrag zur Herstellung von Waffen. Darauf hat ein Behördenmitarbeiter händisch geschrieben: mündlich bereits genehmigt. Laut Paragraf 108 des Landesverwaltungsgesetzes kann ein Verwaltungsakt auch mündlich ergehen, wovon hier laut dem Behördenmitarbeiter Gebrauch gemacht wurde.

Erhebt die Sachbearbeiterin gegenüber dem LKA also Vorwürfe, die sie mit einem Blick in Franks Akte selbst hätte entkräften können?

Die Razzia

Folge der Vorwürfe ist jedenfalls die erste Razzia im Hause Frank. Seine Waffenkammer wird versiegelt, ein paar Waffenteile werden schon mitgenommen und Peter Frank wird die Zuverlässigkeit für den Waffenbesitz entzogen. Dem ehemaligen Bundeswehrsoldaten, der jede seiner Waffen genau dokumentiert und Jahre vorher sogar Vordrucke zur Erfassung von Waffenteilen für die Waffenbehörde erstellt hatte.

"Eine vorherige Sachbearbeiterin hat mich immer gelobt für meine Ordnung und mein penibles Dokumentieren", sagt er. "Und dann war ich plötzlich unzuverlässig." Als Beleg für seine Zuverlässigkeit zeigt er t-online ein Dokument, das die Vorgängerin verfasst hatte. Darin schreibt sie wörtlich an den Zoll: "Ich habe Herrn Frank als sehr verantwortungsbewussten und gewissenhaften Waffenbesitzer kennengelernt."

Klar ist: Nach der Durchsuchung verbleiben noch mehr als 800 Waffen in Franks Waffenkammer, die eher einem Museum gleicht. Er gibt die Schlüssel dafür ab, die Kammer wird behördlich versiegelt. Das nächste Mal geöffnet wird sie erst Jahre später – am 4. Februar 2021, also fast vier Jahre, nachdem die Behörde die Vorwürfe erhoben hatte.

An diesem Tag kommt die Mitarbeiterin der Waffenbehörde gemeinsam mit Mitarbeitern des Landeskriminalamts aus Kiel wieder zu Frank. Sie wollen die Waffen nun schlussendlich alle mitnehmen. Frank wird in seinem Wohnzimmer in Arrest genommen und darf der Durchsuchung trotz des Drängens seiner Anwälte nicht beiwohnen. "Das ist eindeutig rechtswidrig", sagt sein Anwalt Werner Linn. "Natürlich hätte er dabei sein dürfen. Vielleicht hätte es so verhindert werden können, dass weit über hundert Waffen jetzt verschwunden sind." Eine Liste der Waffen, die die Behörden mitnehmen, bekommt Frank am Ende der Durchsuchung auch auf Nachfrage nicht.

Was jetzt folgt, erwartet man eher in einem ARD-"Tatort". Denn am Ende sind mehr als 150 Waffen weg, die in der Waffenkammer waren.

Mehr als 150 Waffen weg

Das Landeskriminalamt und die Waffenbehörde hatten schon 2017 mit mehr als 300 Fotos die große Waffenkammer von Frank dokumentiert. Alle Waffen sind also auf den Fotos von 2017 zu sehen, sie liegen t-online vor. Im Februar 2021 schafften die Mitarbeiter des LKA und die Waffenbehörde dann nach und nach Waffen raus und fertigten dazu Listen an, auch diese Listen liegen t-online vor.

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Die Listen sind schlampig geführt. Laufende Nummern werden übersprungen, mehrfach belegt, Seriennummern der Waffen nicht vollständig ausgefüllt oder Waffen doppelt gelistet. 727 Waffen sind am Ende vom LKA dokumentiert. Frank hat sich aber die Mühe gemacht, die Bilder, seine akribischen Aufzeichnungen, die Daten aus dem nationalen Waffenregister und die Listen der Behörden zu vergleichen. Demnach fehlen auf den Ausräumlisten der Waffenbehörde gut 154 Waffen. Teilweise mit einem Wert von mehr als 30.000 Euro pro Waffe.

Hier ist also etwas schiefgelaufen. Ob die Waffen bewusst nicht auf die Listen geschrieben wurden oder ob es nur ein Fehler war, ist unklar. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass die verschwundenen Waffen absichtlich nicht auf den Listen registriert wurden", sagt Franks Anwalt Werner Linn. "Auf jeden Fall sind hier aus der Hand der Behörden weit über 100 Waffen abhandengekommen." Linn ist Experte in Sachen Waffenrecht.

"Ich habe so einen Fall noch nicht erlebt. Wenn bei der Bundeswehr nur wenige Patronen fehlen, muss dies bereits dem Verteidigungsministerium gemeldet werden und eine große Untersuchung wird gestartet." Er sagt das mit einem ungläubigen Unterton. "Aber wenn bei Behörden circa 150 Waffen abhandenkommen, dann passiert nichts?" Linn hat im Namen seines Mandanten Peter Frank Anzeige gegen unbekannt erstattet. Die Waffenbehörde wiederum beschuldigt Frank selbst, er habe Waffen vor der Abholung aus der Kammer entwendet.

Was verbergen die Behörden?

Aber die Siegel waren noch an der Tür, so steht es in der Akte, Frank hatte also keinen Zugang zur Kammer. Und Details aus den Ermittlungsakten erwecken einen ganz anderen Eindruck. Denn: Auf der Liste, die Mitarbeiter des LKA damals während der Abholung geschrieben haben, gibt es eine Position mit der Nummer 727.

Die Nummer ist händisch in ein Feld eingetragen, so als ob eine weitere Waffe dort notiert werden sollte. Doch das ist nicht geschehen, die Felder für Seriennummern und Hersteller bleiben frei. Erst mal anscheinend nur Schlamperei. Um genau zu klären, wo welche Waffe jetzt eigentlich ist, hatte Anwalt Linn aber das LKA angeschrieben und eine geordnete Liste gefordert. Nach einiger Zeit hat er die dann auch bekommen.

Darauf zu sehen: die Position 727 mit genau der Waffe, die im Handel einen Wert von gut 30.000 Euro hätte. Plötzlich ist die Waffe also doch wieder da. Auf den Fotos der Waffenkammer von 2017 ist sie auch zu sehen, doch genau über dieser Waffe liegt eine baugleiche. Die ist auf keiner Liste zu finden.

Eine teurere Waffe wird also erst auf Nachfrage auf einer nachträglich erstellten Liste gefunden und eine identische Waffe, die bei der Razzia genau über dieser Waffe lag, ist nirgendwo mehr auffindbar. "Das sind mir zu viele Zufälle", sagt Linn.

Auch Dokumente sind nicht auffindbar

Wo sind also die gut 150 Waffen? Alles wäre einfach nachzuvollziehen. Die genaue Anzahl der verschwundenen Waffen und ob das Ganze vielleicht auch nur ein Missverständnis ist. Denn wie viele Waffen Frank wirklich hatte, steht auf seinen Waffenbesitzkarten. Die hatte er bei einer Durchsuchung den Behörden netterweise mitgegeben, damit es denen leichter fällt, die vielen Waffen zu ordnen. "Das war ein Riesenfehler", sagt Frank heute.

Denn auch die Waffenbesitzkarten sind derzeit nicht mehr auffindbar, zumindest warten Franks Anwalt und auch die Staatsanwaltschaft seit Monaten vergebens darauf, dass die Waffenbehörde oder das Landeskriminalamt diese zur Verfügung stellt. "Ich glaube, den Behörden ist klar, dass hier etwas im Argen liegt", sagt Linn, Peter Franks Anwalt. Spannend: In einem Vermerk des verantwortlichen LKA-Ermittlers zitiert dieser noch im März 2022 aus den Waffenbesitzkarten, dennoch fehlen sie in der Ermittlungsakte. Alles Zufall?

Waffen einfach vernichtet

Es gäbe natürlich die Möglichkeit, die abgenommenen Waffen einfach noch einmal zu zählen oder genauer anzuschauen und den Missstand zu beheben. Doch das ist nicht mehr möglich. Mittlerweile haben die Behörden einen Großteil der Waffen einfach schon vernichten lassen. In einem Hochofen in Bremen, der diese Tätigkeit für mehrere Bundesländer erledigt. Eine Liste aber, welche Waffen vernichtet wurden, fehlt in der Akte.

"Die Waffen wurden offensichtlich rechtswidrig vernichtet. Es drängt sich auf, dass dies zu dem Zweck geschah, die rechtswidrige Aneignung von Schusswaffen zu verschleiern", sagt Anwalt Werner Linn. Die Behörde hätte Herrn Frank nach Paragraf 45 und Paragraf 46 des Waffengesetzes die Möglichkeit geben müssen, einem anderen Berechtigten die Waffen zu übergeben. Frank hatte auch jemanden benannt, doch aus E-Mails geht hervor, dass dieser der Behörde nicht passte.

Dann wurden offenbar Fristen von der Waffenbehörde ignoriert und schon 14 Tage nach der Abholung der Waffen wurde ein unbekannter Teil einfach vernichtet und mutmaßlich das Waffengesetz umgangen. "Die Sachbearbeiterin wollte anscheinend gar keine Lösung des Problems. Ich denke, ihr ging es lediglich darum, mir zu schaden", sagt Peter Frank.

t-online hat nachgefragt, ob die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, ob die Rolle des LKA und der Waffenbehörde überprüft wird. Die Antwort: "Dem Vorwurf, es wären rund 150 Waffen aus dem Verantwortungsbereich der Behörden verschwunden, wird nachgegangen. Die Ermittlungen dauern an, sodass diesbezüglich derzeit keine weiteren Angaben gemacht werden können." Für Unterschlagung oder Handel mit den Waffen lägen "der Staatsanwaltschaft keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor".

Natürlich hat t-online auch die Waffenbehörde mit den Vorwürfen konfrontiert. Weil es sich aber um ein schwebendes Verfahren handele, könne sie die Fragen "jedoch zurzeit leider nicht beantworten". Nur so viel: "Die Vorwürfe entbehren jeder sachlichen Grundlage." Das Landeskriminalamt und das Innenministerium in Kiel wollten sich nicht äußern.

Ende September soll ein Prozess gegen Peter Frank starten. Wegen diverser Verstöße gegen das Waffenrecht. Wie der ohne die fehlenden Informationen geführt werden soll, ist Franks Anwalt schleierhaft. "Gegen unseren Mandanten wurde wegen relativ harmloser angeblicher Delikte ermittelt, während hier das Verschwinden von mehr als hundert gefährlichen Waffen bis jetzt noch nicht einmal Anlass zu ernsthaften Ermittlungen war."

Er hofft, dass die Ermittlungen gegen die Behörden wegen der fehlenden Waffen langsam Fahrt aufnehmen. "Von meinem Mandanten ging zu keiner Zeit Gefahr aus. Aber wir wissen nicht, wo seine Waffen jetzt sind", wiederholt er. "Das Schlimmste wäre, wenn sie jetzt tatsächlich in der Hand von gefährlichen Menschen wären. Und sie vielleicht gezielt eingesetzt werden." Was dann los wäre, das möchten sich Werner Linn und Waffensammler Peter Frank gar nicht vorstellen

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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