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Deutschland in der Waschküche: Ist das schon die Klimakrise?


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Tagesanbruch
Ist das schon die Klimakrise?

MeinungVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 15.07.2021Lesedauer: 7 Min.
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Eine überflutete Straße in Hagen: Das Wasser hat jede Menge Geröll von umliegenden Hängen in die Straßen gespült. (Quelle: reuters)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

heute geht es um große Mengen Wasser, ein ehrgeiziges Klimaprogramm und einen schwierigen Besuch für Armin Laschet.

Deutschland in der Waschküche

Da sinken endlich die Corona-Zahlen, immer mehr Menschen sind geimpft und dann das: ein Wetter wie in der Waschküche. An manchen Tagen ist es so heiß und schwül, dass man am liebsten keinen Schritt tun möchte, an anderen regnet es so viel, dass man ohnehin lieber auf dem Sofa bleiben will.

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Während aber bei den einen nur die Freizeitpläne ins Wasser fallen, plagen andere Regionen Deutschlands heftige Unwetter und Starkregen. Braune Schlammmassen überfluteten Straßen, Keller liefen voll. Zwei Feuerwehrmänner starben bei Rettungsarbeiten im Sauerland, ein 53-Jähriger wird im sächsischen Jöhstadt noch vermisst, nachdem er am Dienstagabend von einer Sturzflut mitgerissen wurde.

Im nordrhein-westfälischen Hagen lag so viel Geröll auf den Straßen, dass selbst die Feuerwehrwagen sie nicht mehr befahren konnten. "Die Leute sind verzweifelt", sagte ein Feuerwehrsprecher mit Blick auf die vielen vollgelaufenen Keller in der Stadt.

Auch in der Nacht sorgte der Dauerregen in vielen Teilen Nordrhein-Westfalens und in Rheinland-Pfalz sowie im Saarland für Überschwemmungen, Hochwasser und Stromausfälle. In Wuppertal herrschte der Ausnahmezustand, Alarmsirenen heulten in der Stadt. Die Wupper-Talsperre war übergelaufen. Die neuesten Entwicklungen erfahren Sie in unserem Newsblog.

Ist das schon die Klimakrise? Nun ist Wetter ja bekanntlich nicht gleich Klima, wie Meteorologen nicht müde werden zu betonen. Die Erklärung ist tatsächlich auch etwas vielschichtiger. Ein Teil der Antwort ist: Wenn sehr viel Regen fällt, fehlt dem Wasser an vielen Orten schlicht der Platz. Denn in den letzten Jahrhunderten haben die Menschen die Natur überall in eine unnatürliche Form gepresst: Kaum ein großer Fluss in Deutschland fließt heute noch so, wie es die Natur mal für ihn vorgesehen hatte. Sie wurden für die Schifffahrt begradigt, Dörfer und Städte stehen in ihren ursprünglichen Überflutungsgebieten. Auch das ist ein Grund für solch heftige Überflutungen.

Natürlich gehören Unwetter und Starkregen zum Wetter dazu. Gleichwohl beobachten Experten Veränderungen. "Wegen der Erderwärmung ist die Luft auf unserem Kontinent und darum herum wärmer und kann damit mehr Wasserdampf aufnehmen. Das Klima wird tropischer", sagte der Chef-Meteorologe Joachim Schug vom Wetterdienst DTN meinem Kollegen David Ruch. Die Folge: Es fällt über einem Ort mehr Regen. Außerdem beobachten er und seine Kollegen, dass die Winde in der Höhe abnehmen und die Gewitter dadurch länger über einem Ort bleiben. Die Folge: noch mehr Regen. An die Waschküche müssen wir uns also gewöhnen.

Noch etwas fällt auf: die Häufigkeit. Auch im Juni gab es immer wieder heftige Gewitter, im Juli setzt sich das unvermindert fort. Auch dafür gibt es einen Grund. Die folgende Grafik zeigt, dass nicht nur die durchschnittliche Niederschlagsmenge steigt – sondern auch die Unterschiede zwischen den Jahren. Heißt: Es gibt immer mehr ungewöhnlich trockene und ungewöhnlich nasse Jahre. Mehr dazu sehen Sie auch in unserem Video mit der Wetterexpertin Michaela Koschak.

Dieses Wechselspiel hat massive Folgen: Fällt heftiger Regen auf den über Jahre ausgetrockneten Erdboden etwa an Hängen, gibt der schneller nach. Das Ergebnis: Boden und Wasser formen – wie nun in Hagen – eine Schlammmasse, die große Schäden anrichten kann.

Nicht nur in Deutschland spielt das Wetter gerade verrückt, auch in anderen Teilen der Erde. Die Menschen im Westen der USA und Kanadas plagen Hitzewellen mit über 50 Grad – allein in der kanadischen Provinz British Columbia wurden mehr als 700 plötzliche und unerwartete Todesfälle gemeldet. Die extreme Hitze hat auch für die Tierwelt verheerende Folgen: US-Meeresbiologen schätzen, dass Hunderte Millionen Meeresbewohner umkamen. An der Pazifikküste stapelten sich am Strand tote Krebse, Seesterne und Muscheln. Es sei wie in einem postapokalyptischen Film, beschrieb es ein Biologe der "New York Times".

Einen passenderen Termin hätte sich Ursula von der Leyen also kaum aussuchen können, um das seit Langem erwartete EU-Klimaprogramm vorzustellen. Eindrücklich unterstreichen die aktuellen Ereignisse, warum es das nun dringend braucht.

Nur, wird es den Anforderungen auch gerecht?

Das Paket "Fit for 55" klingt zwar ein wenig nach einem Krankenkassenprogramm, hält aber tatsächlich einige harte klimapolitische Entscheidungen bereit. Vor allem Anhänger von Verbrennungsmotoren dürften die empfindlich treffen, denn die EU will das Aus für Diesel und Benziner. 2035 soll ein Verkaufsverbot für diese Autos kommen. Und schon davor dürfte das Fahren teurer werden. Denn Steuervorteile für Öl, Gas und Diesel sollen wegfallen (das betrifft in Deutschland den Diesel), zusätzlich sollen sie europaweit noch mit dem CO2-Preis belastet werden. Im Gegenzug will die EU Elektroautos attraktiver machen und auch einen sozialen Ausgleich für ärmere EU-Staaten und -Bürger sieht der Plan vor. Mehr dazu und zur Frage, welche weiteren Entscheidungen Sie als Verbraucher direkt betreffen, hat meine Kollegin Theresa Crysmann hier für Sie aufgeschrieben.

Bis 2030 sollen die EU-Staaten 55 Prozent des CO2-Ausstoßes im Vergleich zu 1990 einsparen – daher auch der Name. 2050 soll die EU dann klimaneutral sein. "Unser Ziel ist es, den Planeten erhalten zu wollen, wir wollen aber auch unseren Wohlstand erhalten", sagte von der Leyen dazu.

Die Reaktionen fielen erwartungsgemäß gespalten aus. Auf der Seite der Skeptiker steht – neben einigen Vertretern der Autoindustrie – CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet. "Ich finde nicht, dass Politik ein Datum setzen muss. Das wird sich ergeben", sagt der CDU-Chef mit Blick auf das Verbrenner-Enddatum 2035. Insgesamt aber seien die Vorschläge in Ordnung. Nicht scharf genug finden sie hingegen einige Umweltvertreter. Greenpeace und der WWF kritisierten die Ziele als zu niedrig. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold sagte hingegen: Das Klimaschutzpaket sei zwar noch nicht perfekt, "doch vor Kurzem war es noch fast undenkbar, dass solche Reformen überhaupt kommen könnten." Lob kam auch aus der Wissenschaft: Es sei das umfangreichste Klimapaket seiner Art, ein großer Wurf, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer: "Es gibt jetzt keinen Weg zurück mehr."

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Fest steht: Die EU hat etwas vorgelegt, was weit über bisherige Pläne in den Mitgliedsstaaten hinausgeht. Darin liegt die Stärke des Programms – aber eben auch seine Schwäche. Denn nun müssen die Länder darüber abstimmen. Ob es die Agrarreform, der Rechtsstaatsmechanismus oder die gemeinsame Migrationspolitik ist – viele große EU-Vorhaben haben in diesem Schritt ordentlich Federn lassen müssen. Etwa zwei Jahre wird es wohl dauern, bis das Paket beschlossen wird. Auch von der Leyens Vize Frans Timmermans räumte ein: "Alles, was wir heute vorgestellt haben, wird nicht einfach – es wird verdammt hart."

Der Ball liegt jetzt aber bei den Mitgliedsstaaten. Es sollte allerdings auch in ihrem Interesse sein, dass das Paket nicht allzu sehr verwässert wird. Bisher hat sich die Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 1,2 Grad erwärmt – und die Auswirkungen bekommen wir schon jetzt schmerzlich zu spüren. Ohne die Klimakrise, das hat die Forschungsgruppe World Weather Attribution errechnet, wäre etwa die Hitzewelle in den USA und Kanada "praktisch unmöglich" gewesen. Und selbst mit der aktuellen Erderwärmung dürfte es sich wohl nur um ein Jahrtausendereignis gehandelt haben. Sollte sich die Erde allerdings um insgesamt zwei Grad erwärmen, sehen die Prognosen der Forscher ganz anders aus: Die Zahl von Extremwetterereignissen könnte sprunghaft ansteigen, Hitzewellen dieser Art könnten sich alle fünf bis zehn Jahre wiederholen. Besser, wir testen nicht aus, ob die Vorhersagen stimmen.


Streit vorprogrammiert

CSU-Chef Markus Söder und sein CDU-Pendant Armin Laschet haben bekanntlich nicht das einfachste Verhältnis. Heute besucht Laschet die Höhle der Löwen, genauer: die Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon. Eigentlich will die Union vor der Wahl Geschlossenheit demonstrieren, allerdings zeichnet sich ein Streitpunkt bereits ab. Denn dass Laschet am Sonntag im ARD-"Sommerinterview" verkündete, für Steuererleichterungen sei kein Geld da, kam bei der Schwesterpartei überhaupt nicht gut an. Und Söder macht nicht den Anschein, nachgeben zu wollen. Das stehe so "schwarz auf weiß" im gemeinsamen Wahlprogramm, sagte er gestern. Nun sei "die Zeit für einen steuerpolitischen Aufbruch in Deutschland."

Update: Angesichts der Unwetter-Lage hat Laschet seinen Besuch abgesagt.


US-Präsident Joe Biden empfängt heute Angela Merkel in Washington. Nach dem zwischenzeitlichen Tief der Beziehungen in der Ära seines Vorgängers Donald Trump ist die Stimmung wieder deutlich besser. Für Merkel steht einiges auf dem Programm: Nach einem Frühstück mit Vizepräsidentin Kamala Harris und einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern erhält sie die Ehrendoktorwürde der Johns-Hopkins-Universität. Danach empfängt Biden sie im Weißen Haus. Der Tag schließt mit einem Abendessen zu Ehren der Kanzlerin. Ihr heutiger Besuch ist Merkels letzte USA-Reise als Kanzlerin. Wie sie in 16 Jahren mit vier US-Präsidenten umgegangen ist und was das für das transatlantische Verhältnis bedeutet, berichtet mein Kollege Bastian Brauns für Sie.


Die Tour de France geht in die 18. Etappe. Heute radeln die Profis um Titelverteidiger Tadej Pogačar zwar "nur" 129,7 Kilometer, müssen aber gleich zwei Anstiege meistern: Zunächst führt die Strecke über den legendären Col du Tourmalet, bevor es nach einer Abfahrt in den Schlussanstieg nach Luz Ardiden geht.


Was lesen?

Die Gewalt in Südafrika fordert immer mehr Todesopfer. Auf den Straßen fallen Schüsse, ein Einkaufszentrum brennt, selbst das Militär scheint machtlos. Im Land entlädt sich eine Wut, die sich lange aufgestaut hat, berichtet mein Kollege Patrick Diekmann.


Die Missbrauchsaffäre sorgt in Köln für viele Kirchenaustritte. Ein Musiker wollte mit einer Kampagne helfen – verwirklicht wurde sie nie. Nun sieht er sich um Vorleistungen gebracht, schreibt mein Kollege Jonas Mueller-Töwe.


Polizeireporter Julian Stähle ging seiner Arbeit nach, als er plötzlich von einem Polizisten zu Boden gestoßen und gewürgt wurde. Er zeigte den Beamten an, die Polizei stellte eine Gegenanzeige. Nun nimmt der Fall eine überraschende Wendung, die Ihnen meine Kollegen Philip Friedrichs, Adrian Röger und Lars Wienand erzählen.


Die Niederlande hatten am 26. Juni fast alle Corona-Maßnahmen aufgehoben. Jetzt steigen die Zahlen in unserem Nachbarland wieder massiv, Lockerungen werden zurückgenommen. Was Sie über die Situation in den Niederlanden wissen sollten, hat meine Kollegin Sandra Simonsen für Sie aufgeschrieben.


Das amüsiert mich

Kommen jetzt die Hamsterkäufe mit Autos?

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen – und hoffentlich unwetterfreien – Donnerstag. Morgen lesen Sie an dieser Stelle von meinem Kollegen Johannes Bebermeier.

Ihre

Camilla Kohrs
Redakteurin Politik/Panorama
Twitter: @cckohrs

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Mit Material von dpa.

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