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Corona-Impfung: Hier muss jetzt am schnellsten geimpft werden


Meinung
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Was heute wichtig ist
Hier muss jetzt am schnellsten geimpft werden

MeinungVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 28.04.2021Lesedauer: 7 Min.
Ein Wohnkomplex in Köln: In den ärmeren Vierteln vieler Städte stecken sich mehr Menschen an als in den wohlhabenderen.Vergrößern des Bildes
Ein Wohnkomplex in Köln: In den ärmeren Vierteln vieler Städte stecken sich mehr Menschen an als in den wohlhabenderen. (Quelle: C. Hardt/Future Image/imago-images-bilder)
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Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlich willkommen zum Tagesanbruch, heute geht es um Gerechtigkeit, eine Revolution und Absurdistan:

Beim Impfen darf nicht das Recht des Stärkeren gelten

Vielleicht haben auch Sie in letzter Zeit versucht, Ihre Hausärztin zu erreichen? Bei meiner geht schon seit Tagen niemand mehr ans Telefon. Nur ein Anrufbeantworter weist darauf hin, man solle doch bitte wegen Impfungen nicht anrufen. Auch keine Anfragen per E-Mail! Und vor allem bitte nicht vorbeikommen!! Seitdem hier in Berlin für das Mittel von Astrazeneca die Impfreihenfolge aufgehoben worden ist, brennen bei den Hausärzten die Telefonleitungen, manche berichten von mehr als hundert E-Mail-Anfragen pro Tag.

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Im Juni soll deutschlandweit die Priorisierung für alle Impfstoffe wegfallen. So lautet zumindest der Plan von Gesundheitsminister Jens Spahn. Aber die Ministerpräsidenten wären nicht die Ministerpräsidenten, würde nicht auch bei diesem Thema wieder jemand vorpreschen. Bayerns Markus Söder, in dieser Pandemie längst berühmt-berüchtigt für eigenmächtiges Handeln, will die Vakzine schon Mitte bis Ende Mai komplett freigeben. Zielvorgabe sei, dass jeder geimpft werden könne, der dies wolle, findet der CSU-Chef.

Ob nun Mitte Mai oder im Juni – ab dann gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ärztevertreter pochen schon länger auf die Abkehr von einer zu starren Impfreihenfolge, weil sie dann schneller und vor allem unbürokratischer impfen können. Natürlich ist jeder Geimpfte mehr ein Schritt in die richtige Richtung. Und wenn die Bürger sich selbst um die Termine kümmern können, erhöht das endlich das Tempo der Impfkampagne.

Allerdings darf die Aufhebung der Impfpriorisierung nicht dazu führen, dass die Politik sich gänzlich aus der Pflicht nimmt. Denn vor dem Virus sind eben nicht – wie es noch zu Beginn der Pandemie immer wieder beschworen wurde – alle Menschen gleich. Insbesondere in benachteiligten Stadtvierteln sind die Neuinfektionen teilweise sehr hoch. Studien in Großbritannien haben zudem ergeben, dass arme Menschen und Angehörige von Minderheiten häufiger an dem Virus sterben als Bessergestellte. In Deutschland werden diese Daten kaum erhoben. Aber es dürfte kaum anders sein.

Exemplarisch zeigt das ein Aufruf der Poliklinik Veddel in Hamburg. Besonders ärmere Stadtteile wie eben Veddel oder Jenfeld seien im Hamburger Vergleich am stärksten von der Pandemie betroffen, heißt es dort. Zahlen, die der NDR veröffentlichte, untermauern diese Aussage. Zwei- bis dreimal so viele Menschen stecken sich demnach in Vierteln mit geringer Kaufkraft an wie in gut situierten Stadtteilen. Auch in Köln, Bremen und Berlin gibt es solche Erkenntnisse, über die Nico Dragano, Professor für Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, mit meiner Kollegin Annika Leister gesprochen hat.

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Die von der Hamburger Poliklinik angeführten Gründe sind eigentlich nicht überraschend: Enger Wohnraum, Abhängigkeit vom öffentlichen Nahverkehr, wenig Möglichkeiten zum Homeoffice. Laut Professor Dragano gibt es zwar bisher noch zu wenige wissenschaftliche Untersuchungen. Wichtige Faktoren scheinen aber das Wohnumfeld und der Beruf zu sein. Besonders wichtig ist, so betont Dragano, dass es nicht um Schuldzuweisungen gehen darf. Viele der Gründe, warum genau diese Viertel betroffen sind, sind strukturell. Heißt: Die Menschen selbst haben nur wenig Einfluss darauf.

Ärmere Menschen hat diese Pandemie von Beginn an härter getroffen als andere – auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Anfang März vergangenen Jahres etwa, noch vor dem ersten Lockdown, konnten viele Tafeln kaum noch genug Essen ausgeben. Weil viele Menschen hamsterten, fiel für die Tafel-Betreiber weniger zum Verteilen ab. Auch der Fernunterricht war zwar für alle Familien eine Herausforderung. Wenn aber Kinder kein eigenes Zimmer und nicht einmal einen eigenen Schreibtisch haben, wird er ungleich schwieriger – von der Verfügbarkeit von Computern ganz zu schweigen. Und wohl kaum jemand kann bestreiten, dass sich ein Lockdown in einem Eigenheim mit Garten besser aushalten lässt als zu viert auf 60 Quadratmetern.

Nun – in der Impfkampagne – werden die nächsten Probleme offenkundig: Gerade in ärmeren Regionen und Stadtteilen gibt es oft weniger Hausärzte. Zugleich beschreiben Experten wie Nico Dragano, dass auch die Gesundheitsbildung eine wichtige Rolle spielt. Menschen mit niedriger Bildung fällt es zum Teil schwerer, Informationen zu finden und zu verstehen.

Das gilt auch für Menschen, die nicht gut oder gar kein Deutsch sprechen. Damit sich mehr Menschen mit Migrationshintergrund impfen lassen, fordert die NRW-Integrationsbeauftragte Serap Güler mehrsprachige Anschreiben. "Wenn ich an die Anschreiben denke, die die erste und die zweite Priorisierungsgruppe erhalten haben, da haben Deutsche schon ein Problem, diesen Brief zu verstehen", sagte die CDU-Politikerin bei RTL. Häufig passiere es dann, dass die Empfänger die Briefe einfach zur Seite legten und vergäßen.

Hier ist die Politik dringend gefordert: Es braucht Aufklärungskampagnen – und zwar in mehreren Sprachen und auf mehreren Wegen. Über Instagram erreicht man vielleicht die Jüngeren, die Älteren aber vielleicht eher im Stadtteilpark, im Supermarkt oder ganz altmodisch über Flyer im Briefkasten. Außerdem könnten die Impfmobile, die eben noch die Pflegeheime abgeklappert haben, dort stationiert werden, als zusätzliche Impfstation zu den Hausarztpraxen.

Und: Man sollte zusätzliche Impfstoffe in die Brennpunkte schicken. Natürlich würden das einige Menschen ungerecht finden. Aber, wie mein Kollege Sven Böll es Ihnen im gestrigen Tagesanbruch beschrieb, hat das in einigen Grenzregionen wahre Wunder bewirkt. Nun brauchen die Stadtviertel mit prekärer Lage die Solidarität, die Städte wie Passau zuvor erfahren haben. Denn die Pandemie ist erst zu Ende, wenn sie überall besiegt ist.


Fahrradland Deutschland?

Verkehrsminister – oder wie er selbst es in diesen Tagen gern betont: Fahrradminister Andreas Scheuer will Deutschland noch in diesem Jahrzehnt zum "Fahrradland" machen. So viel Geld "wie nie zuvor" liege nun bereit, hat der CSU-Minister verkündet. Knapp 1,5 Milliarden Euro will der Bund bis 2023 bereitstellen, um unter anderem Fahrradparkplätze, Radschnellwege und überhaupt Radwege zu bauen. Ziel des Nationalen Radverkehrsplans 3.0 ist es, dass Rad- und Autoverkehr gleichberechtigt nebeneinander existieren.

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Von einer "kleinen Revolution" sprach Herr Scheuer. Und das stimmt gewissermaßen: Denn in der Vergangenheit scheiterten solche Vorhaben in den Kommunen oft daran, dass sie die Eigenanteile nicht aufbringen konnten. Damit ist nun Schluss.

Schaut man allerdings nach Paris, wirken die deutschen Pläne fast unterambitioniert. Dabei war die französische Hauptstadt noch vor wenigen Jahren mitnichten fahrradfreundlich. Wer Paris kennt, weiß, dass – entgegen dem gängigen Klischee – die wenigsten Pariser mit Baguette unterm Arm lässig durch die Stadt radeln, sondern auf die Metro und das Auto setzen. Umso erstaunlicher, dass die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Sommer mit dem Versprechen wiedergewählt wurde, Paris radikal umzubauen – hin zu einer grünen, fahrradfreundlichen Stadt, in der Autos eine untergeordnete Rolle spielen.

Gewissermaßen liegt der radikale Umbau ja in der Pariser Tradition. Zwischen 1853 und 1870 schuf Georges-Eugène Haussmann jene Boulevards, für die Paris heute so berühmt ist – und ließ dafür ganze Häuserreihen plattmachen und die Bewohner umsiedeln. Nun sollen also die Autos weichen. Seit die Stadt Ende 2019 zahlreiche Pop-up-Radwege initiierte, steigen bereits viel mehr Pariser auf das Rad. Die Hälfte aller Parkplätze soll nun gestrichen werden, um mehr Raum etwa für Radwege, Bürgersteige und Grünflächen zu schaffen.

"Wir können nicht 50 Prozent der Hauptstadt den Autos zur Verfügung stellen, wenn sie nur 13 Prozent der Fahrten ausmachen", sagt David Belliard, der für den Umbau zuständige Mitarbeiter von Hidalgo, dazu – und spricht damit einen wichtigen Punkt an. Denn selbst wenn man in Deutschland nicht so radikal vorgehen möchte: Wer in dicht bebauten Städten mehr Platz – und auch mehr Sicherheit – für den Radverkehr schaffen will, muss ihn woanders wegnehmen. Im autoverliebten Deutschland mag das ein sensibler Punkt sein. Aber ein bisschen französische Revolution wäre doch auch bei uns ganz schön.


Die Niederlande sperren wieder auf

Heute endet in unserem Nachbarland die umstrittene nächtliche Ausgangssperre, auch Cafés und Geschäfte dürften teilweise öffnen. Dabei liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei über 337. Die Niederlande sind nicht das einzige europäische Land, das nun die Geduld verliert, wie mein Kollege Patrick Diekmann berichtet.


Schwierige Gespräche mit China

Heute schaltet sich Kanzlerin Angela Merkel mit Chinas Premier Li Keqiang zusammen. Es könnten schwierige Gespräche werden, denn das traditionell eher gute Verhältnis zwischen den beiden Ländern hat sich jüngst verschlechtert. Über den Wandel der Beziehungen zwischen den beiden Staaten berichten Ihnen die Kollegen des Deutschlandfunks.


Was lesen?

Die deutsche Autoindustrie leidet – und zwar unter Chipmangel. Genau, das sind diese kleinen Halbleiterdinger, ohne die heutzutage nichts mehr geht. Unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld meint: VW, Daimler und Co. haben sich das Problem selbst eingebrockt.

Bei Elon Musk hingegen läuft der Laden rund: Tesla hat – nicht zuletzt wegen des Bitcoin-Investments – ein Rekordquartal hingelegt. Kann VW da noch mithalten? Meine Kollegin Nele Behrens hat darüber mit Branchenkennern und Aktienanalysten gesprochen.


In der EU ist er noch nicht zugelassen, doch in weiten Teilen der Welt wird der Coronavac-Impfstoff aus China bereits genutzt. Doch trotz des Impfturbos kommt es in Südamerika derzeit zu großen Virusausbrüchen. Entpuppt sich der chinesische Impfstoff als unwirksam? Meine Kollegin Melanie Weiner hat sich die Daten genauer angeschaut.


Es war die Sportnachricht des gestrigen Tages: Julian Nagelsmann, derzeit noch Trainer bei RB Leipzig, wechselt zum FC Bayern. Eine gute Nachricht für die Münchner, aber eine schlechte für die Bundesliga, kommentiert unser Sportchef Robert Hiersemann.


"Fehler sind menschlich": Dieser Satz ist wahr, wird aber meist wie eine Phrase behandelt. Wirklich zu ihren Fehlern stehen wollen gerade in Deutschland nur wenige Menschen – auch im Sport. Mein Kollege Benjamin Zurmühl ist dem Thema Fehlerkultur im deutschen Fußball nachgegangen.


Rund 100 Tage ist Joe Biden nun Herr im Weißen Haus – und hat bereits jetzt mehr geleistet als sein Vorgänger Donald Trump. "Statt Chaos gibt es nun Kompetenz im Weißen Haus", sagt der Politologe Stephan Bierling im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke. Trump hingegen schmollt und sinnt auf Rache. An wem und wofür, das lesen Sie hier.


Polizisten durchsuchen das Haus eines Richters, weil er unter fragwürdigen Umständen Masken- und Testpflicht an zwei Schulen ausgesetzt hat. Wie es dazu kam, erklärt Ihnen mein Kollege Lars Wienand.


Was amüsiert mich?

Willkommen in Absurdistan!

Morgen debütiert an dieser Stelle mein Kollege Steven Sowa. Ihm und Ihnen allen wünsche ich einen sonnigen Mittwoch.

Ihre

Camilla Kohrs
Redakteurin Politik/Panorama
Twitter: @cckohrs

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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