Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Was heute wichtig ist Es wird ernst – dieses Mal wirklich
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
mein Name ist Camilla Kohrs und ich kommentiere heute für Sie die Themen des Tages – und zwar in neuer Form. Florian Harms hat Ihnen die neue Struktur gestern schon vorgestellt. Vielen von Ihnen hat sie besser gefallen als die alte – diesem Votum komme ich natürlich gerne nach.
Das "Team Vorsicht" setzt sich durch
Schon vor dem Corona-Gipfel kennen wir Journalisten – und damit auch Sie als Leser – oft die wichtigsten Diskussionspunkte. Beschlussentwürfe aus dem Kanzleramt oder von den Bundesländern kursieren am Tag vor den Beratungen von Bund und Ländern durch die Medienhäuser. Dieses Mal aber setzte sich Kanzlerin Angela Merkel mit einer echten Überraschung durch.
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Dabei sah es zuvor so aus, als seien die Beratungen festgefahren. Die Positionen über innerdeutsche Osterurlaube gingen so weit auseinander, dass Merkel aus Unmut die Verhandlungen unterbrach. Geplant waren fünfzehn Minuten Pause, daraus wurden fast sieben Stunden. Fünf Ministerpräsidenten wollten ihren Bürgern sogenannten "kontaktlosen Urlaub" im eigenen Bundesland ermöglichen. "So können wir vor der Öffentlichkeit nicht bestehen", wurde Merkel von Teilnehmern zitiert.
Fast elf Stunden nach Beginn der Verhandlung dann die Kehrtwende: Statt Lockerungen über Ostern gelte nun das Prinzip "Wir bleiben zu Hause", kündigte Merkel an, als sie gemeinsam mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gegen 2.45 Uhr vor die Presse trat. Heißt: Die Zeit zwischen dem 1. und 5. April wird zu einer "Ruhephase" mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen und einem Ansammlungsverbot. An dem Samstag dürfen nur Lebensmittelgeschäfte öffnen.
Dass diese Verhandlungen schwierig werden würden, stand schon vor dem Gipfel fest. Erst Anfang März wurden Öffnungsschritte durchgesetzt, nun ging es wieder um härtere Maßnahmen. Denn die Lage hat sich deutlich verschlechtert: Die Zahl der Neuinfektionen wächst exponentiell, die Belastung der Intensivstationen steigt wieder. Die Pandemie ist auf dem Weg, außer Kontrolle zu geraten. Dafür sind nicht nur die Öffnungen verantwortlich, sondern vor allem die Mutation B.1.1.7, die sich schneller ausbreitet und wohl auch gefährlicher ist.
"Das Team Vorsicht hat sich insgesamt durchgesetzt", resümierte Söder. Der Lockdown wird bis zum 18. April verlängert, für Urlauber im Ausland soll es eine Testpflicht geben. Es wird auf konsequente Testung gesetzt, auch die Teststrategie an Schulen und Kitas soll ausgeweitet werden und eine Notbremse nimmt Lockerungen zurück, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100 liegt. (Eine komplette Übersicht über die Beschlüsse finden Sie hier.)
Moment mal… Notbremse, mehr Testangebote, Schulöffnungen mit Teststrategie – das gabs doch schon alles, oder nicht? Keine Sorge, wir haben nicht versehentlich die Papiere vom gestrigen Corona-Gipfel mit denen vom 3. März vertauscht. Einige Verantwortliche brauchten offenbar einfach eine Erinnerungsstütze. Was ist mit den Vorhaben passiert, dass sie nun wieder so prominent erwähnt werden?
Die Notbremse soll dieses Mal wirklich bremsen. Eigentlich wurde dieser Mechanismus ja schon beim vorherigen Corona-Gipfel beschlossen. Für Merkel war er damals die Bedingung für die verabredeten Öffnungsschritte. Doch Brandenburg scherte zwei Tage später aus und erklärte, die Notbremse gelte dort erst ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 – nur um den Wert am vergangenen Donnerstag wieder auf 100 zu senken. In Nordrhein-Westfalen wiederum muss die Inzidenz für die Notbremse "nachhaltig und signifikant" über 100 liegen. Und als Hessen die 100er-Inzidenz überschritt, kippte Ministerpräsident Volker Bouffier zwar weitere Öffnungen – die Lockerungen nahm er aber auch nicht zurück. Angela Merkel hat in den gestrigen Beratungen offen zum Ausdruck gebracht, was sie über derlei Verweigerungshaltung denkt: "Wir beschließen heute, dass wir das einhalten, was wir das letzte Mal beschlossen haben." Nun soll die Notbremse "konsequent" umgesetzt werden.
Testen, testen, testen: Die beiden ostdeutschen Länderchefs Bodo Ramelow (Linke) und Michael Kretschmer (CDU) hatten schon vor dem Gipfel angekündigt, dass sie ohne eine "strenge Teststrategie" keinen Spielraum für Lockerungen sehen. "Ohne Kontaktnachverfolgung und ohne Testen bin ich nicht fürs Öffnen, da bin ich für gar nichts", stellte der Thüringer Ramelow in typischer Manier klar. Schon beim Corona-Gipfel Anfang März war eigentlich klar gewesen, dass eine groß angelegte Teststrategie erst Schritt für Schritt kommen könnte. Es gab einfach nicht genügend Selbsttests. Eilig wurde eine Taskforce benannt, Gesundheitsminister Spahn und Verkehrsminister Scheuer sollten es richten. Wie Zahlen der Bundesregierung nun zeigen, ist die Mission gelungen. Durch die Vermittlung der Taskforce können die Länder aus einem Kontingent von mehr als 130 Millionen Selbsttests schöpfen.
Die Schulen und Kitas sollen mit der Teststrategie nun wirklich sicherer werden. Die Öffnungen der Bildungseinrichtungen sind ein zentrales Anliegen vieler Länderchefs. Jeder Tag, an dem Kinder nicht in Schulen und Kitas gehen könnten, bedeute auch "einen Verlust von Zukunftschancen", sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Anfang März. "Testen und Impfen" wurde damals als Konzept versprochen.
Was ist daraus geworden? Laut dem Deutschen Lehrerverband nicht viel. "Wenn es den Bundesländern ernst damit gewesen wäre, Schulen trotz stark steigender Inzidenzzahlen offen zu halten, hätte man dafür sorgen müssen, dass jetzt Lehrkräfte geimpft und Schulen mit Schnelltests in ausreichender Zahl ausgestattet sind. Davon sind wir aber an neun von zehn Schulen noch meilenweit entfernt", sagte Lehrerpräsident Heinz-Peter Meidinger der "Rheinischen Post" (Achtung, Bezahlschranke). Der bayerische Lehrerverband drohte in einem Brandbrief an Markus Söder (CSU) gar, dass die Lehrkräfte nach Ostern nicht in die Schule zurückkehren, sollte es keine Impfangebote geben. Schon vergangene Woche mahnte Regierungssprecher Steffen Seibert die Länder, sie sollten doch bitteschön das Testkonzept strikt umsetzen.
Die Sorgen scheinen berechtigt: Das Robert Koch-Institut verzeichnet bereits eine rasche Zunahme von Ausbrüchen in Kitas – und vermutet, dass sich das in den etwas später wieder geöffneten Schulen ähnlich entwickeln wird.
Dass die Länder am Tag nach dem Gipfel gern ihr eigenes Süppchen kochen, ist nichts Neues. Auch heute werden viele Ministerpräsidenten vor die Presse treten und über die Regeln in ihrem Bundesland informieren. In vielerlei Hinsicht ist ein regionales Vorgehen durchaus sinnvoll. Wieso sollten im größten Hotspot Greiz mit einer Inzidenz von mehr als 571 die gleichen Regeln gelten wie in Cochem-Zell mit einem Wert von unter 10? Einigkeit aber sollte darüber bestehen, dass die stundenlang ausgehandelten Kompromisse wirklich umgesetzt werden – und nicht beim nächsten Gipfel in drei Wochen noch einmal neu versprochen werden müssen. Denn sonst verspielen wir wertvolle Zeit, während das Virus durch seine Mutationen schneller wird.
Wie kann sich die deutsche Automobilbranche modernisieren?
Vom Corona-Gipfel zum Auto-Gipfel: Kanzlerin Merkel berät sich heute mit Vertretern der Automobilbranche. Dabei soll es vor allem um den Strukturwandel zu klimafreundlicheren Antrieben gehen, hinzu kommt die Digitalisierung. Doch es gibt auch Bedenken: Vor allem bei vielen kleinen und mittleren Zulieferern hängen noch viele Jobs am Verbrennungsmotor. Außerdem fürchtet die Branche, dass mögliche strengere EU-Emissionsvorschriften ein Ende für den Verbrennungsmotor durch die Hintertür bedeuten könnten. Aber so ist es eben: Nicht Verbrennungs-, sondern Elektromotoren gelten als Antrieb der Zukunft – allerdings werfen sie viele Fragen auf. In unserem Podcast "Ladezeit" geben die Mobilitätsexperten Don Dahlmann und Richard Gutjahr Antworten.
Gedenken an eine andere Krise
Es ist gerade mal fünf Jahre her, dass eine andere Krise die täglichen Schlagzeilen bestimmte: Die des islamistischen Terrors in Europa. Fünf Monate, nachdem Attentäter das junge Leben in Paris mitten ins Herz trafen und 130 Menschen ermordeten, schlug dieselbe Terrorzelle in Brüssel zu. Am 22. März sprengten sich zwei Selbstmordattentäter am Flughafen Zaventem in die Luft, ein weiterer zündete in der U-Bahnstation Maelbeek seinen Sprengsatz. Sie rissen 32 Menschen mit sich in den Tod, mehr als 340 wurden verletzt.
Belgien hat die Opfer am Montag mit einer Gedenkzeremonie gewürdigt, das Königspaar besuchte die Anschlagsorte. "Vor fünf Jahren ist das Undenkbare passiert", sagte Regierungschef Alexander De Croo. "Eine Vielzahl von Existenzen wurde für immer auf den Kopf gestellt." Wenige Wochen nach den Anschlägen hatten die Kollegen der "Zeit" die Überlebenden und Hinterbliebenen besucht und genau danach gefragt: "Gibt es ein Leben nach dem Terror?" Die Geschichten sind auch heute noch bemerkenswert.
Was lesen?
Seitdem klar ist, dass Trainer Marco Rose Borussia Mönchengladbach im Sommer verlassen wird, kommt der Klub nicht mehr zur Ruhe. Als Nachfolgekandidaten wurden die unterschiedlichsten Namen gehandelt – nur einer nicht: Xabi Alonso. Doch genau ihm werden nun plötzlich beste Chancen eingeräumt. Ist er gut genug für die Bundesliga? Mein Kollege Alexander Kohne kennt die Antwort.
Am Sonntagabend tauchten Millionen Zuschauer in die Welt von "Ku'damm 63" ein. Und sahen die Geschichte von starken Frauen in einer anderen Zeit. Darstellerin Sonja Gerhardt hat mit meinem Kollegen Sebastian Berning über Frauenbilder von damals und heute gesprochen.
Als am Samstag rund 20.000 "Querdenker" in Kassel unerlaubt demonstrierten, stellten sich ihnen einige Gegendemonstranten in den Weg. Unter ihnen eine Frau, die von der Polizei rabiat aus dem Weg geräumt wurde. Sie hat meinem Kollegen Lars Wienand berichtet, wie sie aus Frust zur Aktivistin wurde – und jetzt noch enttäuschter ist.
Man mag davon halten, was man will, aber die ersten deutschen Urlauber sind auf Mallorca angekommen. Wie sieht der Urlaub auf der Lieblingsinsel der Deutschen in Corona-Zeiten aus? Meine Kollegin Sandra Simonsen kann es Ihnen erklären.
Was amüsiert mich?
Sind Sie auch schon so gespannt auf die neuen Regeln in Ihrem Bundesland?
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Morgen schreibt mein Kollege Florian Harms wieder für Sie den Tagesanbruch.
Ihre
Camilla Kohrs
Redakteurin Politik/Panorama
Twitter: @cckohrs
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Mit Material von dpa.
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