t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikTagesanbruch

AKK greift durch: Beim KSK ist Kontrolle nicht besser als Vertrauen


Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Was heute wichtig ist
Diese Truppe ist nicht mehr zu retten

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 01.07.2020Lesedauer: 6 Min.
KSK-Fallschirmjäger bei Großübung: Elite unter Generalverdacht.Vergrößern des Bildes
KSK-Fallschirmjäger bei Großübung: Elite unter Generalverdacht. (Quelle: Carsten Rehder/dpa)
News folgen

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages, heute stellvertretend für Florian Harms:

WAS WAR?

Mit Vertrauen ist das scheinbar einfach. Man genießt Vertrauen, oder eben nicht. Steht schon im Grundgesetz, in Artikel 68: Der Bundestag kann dem Bundeskanzler auf dessen Frage hin das Vertrauen aussprechen. Helmut Schmidt erfuhr Ende 1982, dass ohne Vertrauen alles enden kann. Als Helmut Kohl ihn mit Hilfe der FDP stürzte.

Angela Merkel bewies in ihren frühen Kanzlerinnenjahren, dass "vollstes Vertrauen" auch nicht gut sein muss. Oft schenkte sie selbiges ihren Ministern wenig später nicht mehr.

So kompliziert ist das mit dem Vertrauen.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Gestern sickerte durch, dass eine Ministerin ihren Untergebenen nicht mehr vertraut: Annegret Kramp-Karrenbauer entzieht dem Kommando Spezialkräfte (KSK) das kostbare Gut. Eine von vier Kompanien wird aufgelöst, die Truppe stehe unter "Bewährung" bis Oktober, hieß es gestern. Eine vollständige Auflösung steht im Raum.

Eine Elite unter Bewährung? Was für ein Paukenschlag.

Bereits in den Wochen zuvor war durchgesickert, dass sich die KSK knapp 25 Jahre nach ihrer Gründung zur braunen Ecke der Truppe entwickelt hat. Die Zahl der mutmaßlichen Rechtsextremisten ist im Verhältnis fünfmal so hoch wie in der gesamten Bundeswehr. Dazu ein laxer Umgang mit Waffen. 85.000 Schuss Munition werden vermisst, dazu 62 Kilogramm Sprengstoff.

Der Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, berichtete am Montag im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags, er sei bei Ermittlungen zu den Vorgängen auf eine "Mauer des Schweigens" gestoßen. Man habe im KSK "keine Untergrund-Armee entdeckt, sehr wohl aber Netzwerke oder Beziehungsgeflechte".

Der vor zwei Jahren eingesetzte KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr zieht gemeinsam mit der Ministerin die Notbremse. Es hätte sie sonst selbst hinweggefegt.

Ob die Maßnahmen ausreichend sind? Zumindest retten sie Annegret Kramp-Karrenbauer erst einmal den Kopf. Ob die KSK noch zu retten ist? Die Buchmacher würden nicht darauf wetten.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte meinem Kollegen Tim Kummert gestern Abend, die Ankündigung könne nur der Anfang sein: "Der große Wurf wäre gewesen, die Spezialkräfte des Heeres, der Marine und der Luftwaffe zusammen zu legen und dem Verteidigungsministerium direkt zu unterstellen."

Wer scharf schießen kann, braucht Vertrauen dringend als Arbeitsgrundlage. Wie soll die Bundeswehr der Bevölkerung auch dienen, wenn das fehlt? Die Krieger beim KSK hätten das im Soldatengesetz nachschlagen können. Dort steht im Paragraph 17 über das Verhalten des Soldaten: "Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert."

Darum geht es: Vertrauen. Wir setzen es in alle staatlichen Organe. Ohne das geht es nicht. Ohne Vertrauen kann niemand handeln, der uns Bürgern dienen soll. Anders ausgedrückt: Demokratie fußt nicht nur auf Regeln und Gesetzen, sondern maßgeblich auf der Übereinkunft, dass wir finden, dass unsere Gesellschaft im Großen und Ganzen gut funktioniert. Vertrauen in Institutionen wie die Bundeswehr ist das Fundament, dass alles andere tragen muss.


WAS STEHT AN?

Die "Institution" ist zugleich das Stichwort des Tages. Deutschland übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft. Und jetzt bitte einmal festhalten, Kauderwelsch-Alarm: Ab heute leiten wir die Arbeit des "Rates der Europäischen Union" und den "Europäischen Rat". Nebenbei koordinieren wir auch die EU-Außenpolitik.

Dann mal los.

Sie wissen nicht, wie das mit diesen beiden Institutionen gehen soll? Kein Wunder. Unsere Kanzlerin hat für die nächsten sechs Monate noch nicht einmal eine formale Rolle in diesem Begriffssalat. Verständlich ist das kaum.

Um den Salat verdaulicher zu machen hat sich inzwischen statt "Europäischer Rat" schlicht der Begriff "EU-Gipfel" durchgesetzt. Man trifft sich mindestens einmal im Quartal, zum Abstimmungstreffen aller EU-Staaten.

Der "Rat der Europäischen Union" ist landläufig unter "Ministerrat" bekannt. Dort wird die EU-Gesetzgebung koordiniert, der Rat selbst kann aber keine Gesetze in die EU einbringen. Muss man nicht verstehen. Funktioniert trotzdem.

Ich gebe zu: Dieser Versuch einer Kurzerklärung der Ratspräsidentschaft kann nur scheitern. Die europäischen Institutionen sind kompliziert, ihr Zusammenspiel für mündige Bürger kaum zu verstehen. Und hier liegt das Problem: Transparenz ist wichtig, sonst kann kaum Vertrauen in Institutionen entstehen. Wir wollen wissen, wer uns wie regiert.

Wie unfassbar riesig die Aufgaben der kommenden EU-Ratspräsidentschaft sind, hat meine Kollegin Madeleine Janssen aufgeschrieben. In ihrem Text zählt sie sieben Baustellen auf, von Corona-Krise über Brexit bis hin zum Klima.

Viel Arbeit, schwierige Abstimmungsmechanismen. Da kann man das Fazit schon zu Beginn formulieren: Es wird Angela Merkel nicht vergönnt sein, mit der Ratspräsidentschaft ein fulminantes Ende ihrer Kanzlerschaft zu feiern. Es wäre schon ein Erfolg, wenn Deutschland einigermaßen unfallfrei durch die nächsten sechs Monate steuert.

Ich will optimistisch bleiben: Wer, wenn nicht Merkel kann in Krisenzeiten über das Denkbare hinauswachsen.


Spoiler-Alarm: Merken Sie sich den Namen Michael Roth. Aus zwei Gründen. Zum einen gilt der Staatsminister im Auswärtigen Amt als Nachwuchshoffnung der SPD. Nur knapp hat er im vergangenen Jahr die Stichwahl um den Vorsitz verpasst (Platz 3!). Zum anderen wird er die deutsche Ratspräsidentschaft in seiner Rolle ganz maßgeblich beeinflussen. Die Kollegen Madeleine Janssen und Johannes Bebermeier haben ihn deshalb interviewt. Er sagt: "Der Erfolg der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird sich daran bemessen, ob wir neues Vertrauen zueinander finden." Im Laufe des Tages erscheint der Artikel auf t-online.de.


Schweift der Blick Richtung Osten, brauchen wir von Vertrauen nicht mehr zu sprechen. In Russland endet die mehrtägige Volksabstimmung über die größte Verfassungsänderung der Geschichte des Landes. Wenn Präsident Wladimir Putin den gewünschten Erfolg einfahren kann, darf er bis 2036 regieren. Er hat viel dafür getan, auch im letzten Winkel des Landes wurde dafür geworben. Noch am Abend werden Ergebnisse erwartet. Mit einer Überraschung rechnet niemand.

Loading...
Loading...
Täglich mehr wissen

Abonnieren Sie kostenlos den kommentierten Überblick über die Themen, die Deutschland bewegen. Datenschutzhinweis


Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will sich zu Annexionsplänen im Westjordanland äußern, bis zu 30 Prozent des Gebietes will Israel annektieren. Beobachter rechnen damit, dass dann auch unmittelbar erste Fakten geschaffen werden. Es könnte auch vorerst bei einer Willensbekundung bleiben.


"Die Grundrente kommt!" klang zu lange nach Appell, nun kommt sie. Zum Pech für die SPD ging die Einigung mit der Union in der Flut anderer Ereignisse nun fast unter.

Wer 33 Jahre gearbeitet hat, bekommt ab 1. Januar mindestens so viel, wie es für 80 Prozent des Durchschnittslohns gegeben hätte. Ohne detaillierte Prüfung der Bedürftigkeit. Bei einem Arbeitsleben von 35 Jahren im Westen rund 925 Euro, im Osten 893 Euro. Die Sozialdemokraten können einen Haken an ihr Herzensthema dieser Legislatur machen; ein Scheitern hätten sie der eigenen Klientel auch kaum erklären können. Leicht war die Einigung nicht, mit 1,3 Milliarden Euro pro Jahr auch nicht preiswert.


WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?

Es gibt viele Besuche in unserer Redaktion. Einige davon sind besonders.

Vor wenigen Tagen trafen hier die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner und CSU-Politiker Peter Gauweiler zum Streitgespräch an: "Am Tag nach der Brexit-Entscheidung habe ich einer Ortsgruppe der Jungen Union zwei Fässer Augustiner gestiftet", sagte Gauweiler. Die Anekdote löste bei Brantner Entsetzen aus. Gauweiler provoziert gern. Die beiden haben diametrale Vorstellungen davon, wo die EU in den nächsten sechs Monaten hinsteuern muss. Gauweiler stellt sich "Europa als die Schweiz der Welt" vor, Brantner räumt solchen Ideen wenige Chancen ein. Sie sagt: "Es gibt zu viele Akteure um uns herum, die keinerlei Respekt vor der Europa-Schweiz hätten." Besonders hitzig wurde die Diskussion an einem Punkt: dem Einsatz der Bundeswehr.

Es ist ein hitziges Streitgespräch geworden, das meine Kollegen Tim Kummert und Marc von Lüpke mit den beiden Europapolitikern führten. Prädikat: stilprägend.


Die Mindestlohnkommission hat entschieden: Sie empfiehlt der Bundesregierung, den Mindestlohn von derzeit 9,35 Euro auf 10,45 Euro zu erhöhen. In vier Schritten, bis zum 1. Juli 2022. Der erste Schritt zum Januar ist mit 15 Cent recht überschaubar. SPD-Chefin Saskia Esken ist das viel zu wenig. "Das reicht bei weitem nicht", sagte sie meinem Kollegen Johannes Bebermeier gestern – und macht einen Vorschlag, wie das mit einem größeren Sprung in Zukunft klappen könnte.


Antibiotika zählen zu den wichtigsten medizinischen Errungenschaften, sie retten Leben. Die WHO warnt nun, sie würden in der Corona-Krise zu häufig eingesetzt. Dadurch steigt die Zahl der Resistenzen. Welche Erkrankungen drohen und warum der Einsatz von Antibiotika bei Covid-19 fraglich ist, erklärt meine Kollegin Melanie Weiner.


Mit Corona kennt sich Clemens Tönnies aus. Er könnte sich vermutlich Besseres vorstellen. Doch nach den Corona-Ausbrüchen in seinen Betrieben legt der Schlachterkönig nun sein Amt als Aufsichtsratschef beim FC Schalke 04 nieder. Nach über einem Vierteljahrhundert im Klub. Klub-Legende Klaus Fischer sprach danach mit meinem Kollegen David Digili. Seine Prognose: "Ohne Clemens Tönnies geht Schalke ganz schweren Zeiten entgegen".


WAS AMÜSIERT MICH?

In der Corona-Krise haben wir uns daran gewöhnt, viele neue Regeln befolgen zu müssen. Dem einen fällt das leichter, dem anderen schwerer. Gesunder Menschenverstand hilft trotz allem. In diesem Supermarkt wird er besonders gefordert. Wer hier Geld abheben will, soll Abstand halten - zumindest zum Vordermann. Seitlich nicht. Wenn's hilft...

Anmerkung: Das Bild zeigt keinen US-Supermarkt, wie zunächst geschrieben.

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Wochenstart. Morgen schreibt der stellvertretende Chefredakteur Florian Wichert an dieser Stelle.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

Den täglichen Newsletter von Florian Harms hier abonnieren.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel



TelekomCo2 Neutrale Website