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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Strack-Zimmermann über KSK "Die Ministerin muss diese Schlamperei jetzt beenden"
Die Spezialeinheit KSK der Bundeswehr wird nach rechtsextremen Vorfällen teilweise aufgelöst. Im Interview erklärt die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, warum das nur eine Bewährungsprobe ist.
Es waren rechtsextreme Vorfälle von enormem Ausmaß: Etliche Soldaten der Eliteeinheit der Bundeswehr, dem "Kommando Spezialkräfte", feierten offenbar eine Party mit Rechtsrock-Musik, einige von ihnen sollen den Hitlergruß gezeigt haben. Zudem hortete der KSK-Oberstabsfeldwebel Philipp S. privat zwei Kilo Sprengstoff, tausende Patronen und Schusswaffen. Der Militärgeheimdienst stuft zudem etwa 20 konkrete Extremismus-Verdachtsfälle beim KSK ein. In der Spezialeinheit dienen bislang offenbar diverse Soldaten mit einer Sympathie für rechtsextremes Gedankengut.
Am Dienstag hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ein umfangreiches Maßnahmenpaket angekündigt: Die zweite Kompanie der Gruppe wird aufgelöst, sie war schon länger unter Beobachtung durch den Militärgeheimdienst, die Rede ist von "informellen Führern" im KSK.
Die Soldaten sollen nun auf ihre politische Gesinnung hin überprüft werden, sie sollen nur einige Jahre in der Truppe bleiben und dann zu anderen Teilen der Bundeswehr wechseln. So soll eine Wagenburgmentalität verhindert werden. Auch die Waffenbestände werden künftig genau untersucht. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann erklärt im Interview mit t-online.de, was sie von den Maßnahmen hält und warum die Vorfälle aus ihrer Sicht nicht symbolisch für die Bundeswehr sind.
t-online.de: Die Verteidigungsministerin will einen Teil der Kompanie des KSK auflösen. Zieht sie damit die Notbremse, weil ihr nichts anderes mehr übrig blieb?
Strack-Zimmermann: Es wurde Zeit, dass sie endlich etwas unternommen hat – die Vorfälle sind ja nicht neu – aber: Die Notbremse zieht sie damit nicht.
Sondern?
Sie löst die zweite Kompanie des KSK auf, in der es krasse Vorfälle gab. Es war überfällig, dazwischen zu gehen. Die rechten Umtriebe dort, sind ja seit Jahren bekannt. Es gab diesbezüglich Zeugen aber eben auch eine Mauer des Schweigens. Die Auflösung dieser Kompanie ist also eher eine logische Folge, den rechten Umtrieben konsequent zu begegnen. Der große Wurf sind die einzelnen Maßnahmen allerdings nicht. Der große Wurf wäre gewesen, die Spezialkräfte des Heeres, der Marine und der Luftwaffe zusammen zu legen und dem Verteidigungsministerium direkt zu unterstellen.
Wie bewerten Sie die Maßnahmen, die Kramp-Karrenbauer angekündigt hat?
Die einzelnen Schritte machen Sinn, beispielsweise, dass eine regelmäßige Gesamtinventur des Materials und der Munition nun stattfinden soll. Ich bin allerdings sprachlos, dass dies bislang nicht passiert ist.
Sogar als verteidigungspolitische Sprecherin war Ihnen das vorher nicht bewusst?
Nein. Das muss doch eine pure Selbstverständlichkeit sein, dass da regelmäßig geschaut wird, ob das Material vollzählig ist! Da muss erst ein Rechtsextremer des KSK kistenweise Munition bei sich im Garten vergraben, bis die Verteidigungsministerin nun dafür Sorge trägt, die Munition nachzählen zu lassen.
Aber der Rechtsextremismus verschwindet damit ja nicht einfach.
Das ist leider richtig. Rechtsradikalismus insgesamt flammt vermehrt in der Gesellschaft auf. Bei der Terrorgruppe "Nationalsozialistischen Untergrund" hat sich das ja in schockierender Weise gezeigt. Es ist schrecklich, aber nicht wirklich überraschend, dass dies vereinzelnd auch in der Bundeswehr vorkommt. Das KSK ist jetzt besonders im Fokus und nun auf Bewährung – es ist vollkommen offen, wie das ausgeht.
Alle KSK-Soldaten, die mit den Extremisten nichts zu tun haben, und das sind die meisten, sollten diese Chance jetzt nutzen, das Problem von innen heraus zu lösen und auf den Tisch legen, was die gegebenenfalls wissen oder ihnen aufgefallen ist. Ich darf aber auch daran erinnern, dass in der Bundeswehr 182.000 Soldatinnen und Soldaten dienen und auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Denen sind wir es schuldig, diese unerträglichen Fälle zu entdecken und sie aus der Truppe zu entfernen.
Gegründet wurde das KSK im Jahr 1996, weil die Bundeswehr nicht auf die Hilfe anderer Staaten bei der Rettung von Deutschen angewiesen sein wollte. Wann verwandelte sich das KSK in eine Einheit, in deren Kompanien teilweise NS-Lieder gesungen werden?
Das wird ein schleichender Prozess gewesen sein. Sicher war die Berufung des KSK ein Projekt, das seinerzeit mit heißer Nadel gestrickt worden ist: Es wurde eine freie Kaserne in einem geographisch relativ abgelegenen Gebiet in Baden-Württemberg ausgesucht. Das KSK ist die Elitetruppe der Bundeswehr. Dort werden Soldaten unter härtesten Bedingungen für Extremfälle ausgebildet, um deutsche Staatsbürger weltweit aus Geiselhaft zu befreien. Natürlich herrscht dort ein besonderer Druck und eine spezielle Isolation im Vergleich zum Rest der Truppe. Hinzu kam wohl, dass einige Führungspersonen ihre rechtsextreme Weltanschauung in die Truppe getragen und sie geprägt haben – der extreme Korpsgeist verstärkte das offensichtlich.
Wie meinen Sie das?
Im KSK spielt Kameradschaft eine elementare Rolle: Die Einheiten bestehen dort aus vier Mann. Diese verstehen und vertrauen sich blind. Ein falscher Handgriff kann den Tod des Kameraden bedeuten. Das entschuldigt natürlich nicht, rechtsextreme Tendenzen der anderen Soldaten mitzutragen oder auch nur zu dulden.
Die Soldaten wurden in den letzten Jahren immer wieder ins Ausland geschickt – doch zu solch spektakulären Einsätzen, wie sie eigentlich ausgebildet werden, kam es wohl selten. Liegt in dem Frust darüber auch ein Grund für die Entgrenzung?
Jetzt wird vieles ins Feld geführt und gemutmaßt. Das ist bitter, aber sollte nicht wirklich ein Grund sein, sich zu radikalisieren!
Welche Rolle spielt das Führungspersonal des KSK für den Skandal?
Führung trägt immer Verantwortung. Dort waren offenbar über Jahre Männer in Verantwortung, die diese Umtriebe nicht ernst genommen oder gar befördert haben. Mit Markus Kreitmayr ist nun ein General eingesetzt, der die Missstände deutlich anspricht.
Ende Oktober will Kramp-Karrenbauer Bilanz ziehen, wie es um das KSK steht. Muss sie zurücktreten, wenn der Rechtsextremismus dann in der Elitetruppe nicht eingedämmt ist?
Sie hat dieses schwere Paket von ihren Vorgängern und ihrer Vorgängerin von der Leyen übernommen. Die Ministerin muss diese Schlamperei jetzt beenden. Da werden vermutlich noch einige weitere Dinge ans Licht kommen. Sie muss jetzt handeln und steht jetzt nach Einleitung der richtigen Maßnahmen natürlich auch unter Bewährung, denn das Signal muss sein: Wir dulden keinen Rechtsextremismus in der Bundeswehr.
Frau Strack-Zimmermann, danke für dieses Gespräch.