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Tagesanbruch: Hier sind Angela Merkels Regierungsjahre eine Nullnummer


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Was heute wichtig ist
Kein Anschluss unter dieser Nummer

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 19.11.2019Lesedauer: 6 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Digitalpolitisch war ihre Regierungszeit bisher wenig erfolgreich.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Digitalpolitisch war ihre Regierungszeit bisher wenig erfolgreich. (Quelle: Janine Schmitz/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Falls Sie regelmäßig Zug fahren, kennen Sie das Problem. Falls Sie in Sigmaringen, Lörrach oder Görlitz wohnen, trifft es Sie noch härter. Kommunizieren, navigieren, arbeiten, schmökern, gucken, shoppen, daddeln: Unser Alltag beruht immer stärker auf einem kleinen Gerät, kaum größer als eine Zigarettenschachtel. Doch wenn unser Smartphone schlechten Empfang hat, reißt uns der Geduldsfaden. Dann fühlen wir uns wie im Dschungel, fluchen vor uns hin und fragen uns: Wie kann es sein, dass in einem so modernen, wohlhabenden Land vielerorts Funklöcher klaffen oder die Verbindung hundsmiserabel ist?

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Im Vergleich zu anderen Staaten sind Deutschlands Handynetze vorsintflutlich, rangieren noch hinter Albanien. Die Unbekümmertheit, mit der die Bundesregierung den mobilen Wandel verbummelt und sich Jahr um Jahr mit den Ausflüchten von Telekom und Co. zufriedengegeben hat, dürfte als eines der großen staatspolitischen Versäumnisse in die Annalen eingehen. Die digitale Welt braust mit schnellem Mobilfunk in die Zukunft, entwickelt neue Technologien und Märkte – Deutschland kriecht hinterher. Das schnelle LTE-Netz ist auf einem Drittel der Landesfläche nicht erreichbar. Digitalpolitisch sind die Merkel’schen Regierungsjahre eine Nullnummer.


Mit ihrem vierten Kabinett will die Bundeskanzlerin nun endlich aufholen, was jahrelang versäumt wurde. 297 Mal haben CDU, CSU und SPD das Wort "digital" in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, Kanzleramtschef Helge Braun kündigte im t-online.de-Interview eine "Gesamtstrategie Mobilfunk" an, Digitalisierungsstaatsministerin Dorothee Bär twittert und instagramt, was das Zeug hält, und die Kanzlerin versammelte ihre Minister publicityträchtig zur Digitalklausur.

Was kam dabei heraus, außer dass die "Tagesschau"-Liveschalte aus Meseberg abbrach, bezeichnenderweise aufgrund eines, genau, Funklochs? Der wichtigste Beschluss entspricht der bekannten Methode Groko: Problem erkannt, Problem mit Staatsgeld zugeschüttet. In den kommenden fünf Jahren sollen alle Funklöcher in Deutschland verschwinden, mindestens 5.000 sind es. Eigentlich wäre das die Aufgabe der Mobilfunkbetreiber, aber die weigern sich, in den betroffenen Gegenden Sendemasten aufzustellen. Sei nicht rentabel. Also gründet die Regierung eine eigene Infrastrukturgesellschaft und baut selbst Masten. Kosten: Mehr als eine Milliarde Euro, die gerade erst in der 5G-Frequenzauktion eingesammelt wurden.

Staunend über so viel Flickschusterei, werfen wir einen kurzen Blick in die Bilanzen der Mobilfunkanbieter. Die Deutsche Telekom macht seit Jahren Milliardengewinne, Vodafone dito. Warum die Bundesregierung sich nicht traut, den Firmen abzuverlangen, wozu sie verpflichtet sein sollten, nämlich allerorten einen anständigen Netzempfang zu garantieren? Auf eine schlüssige Antwort warten wir vergebens. Kein Anschluss unter dieser Nummer.


WAS STEHT AN?

Manchmal stimmen die schlichten Maximen: Man soll seine Nase nicht in fremde Angelegenheiten stecken. Zumindest dann, wenn die fremde Angelegenheit eine demokratische Wahl in einem anderen Land ist – und man selbst ein Staat ist, der Demokratien eher als Gegner betrachtet.

Ja, wir reden über Russland. Russisches Geld, russische Unterstützung, russische Manipulation fördern alles, was sich als Spaltpilz eignet: den Brexit, den Trump, den Salvini in Italien, die FPÖ in Österreich; hierzulande kommt die russische Rückendeckung vor allem dem Umfeld der AfD zu. Die ehrwürdige Partei der Konservativen in Großbritannien hat es inzwischen auch in diesen dubiosen Klub geschafft, zumal es seit dem Durchmarsch von Polit-Hallodri Boris Johnson mit der Ehrwürdigkeit nicht mehr so weit her ist. Spenden von den Russen? Immer her damit!

Nun ist Russland in Großbritannien nicht besonders wohl gelitten, was daran liegen mag, dass Agenten aus Moskau dort gelegentlich Nervengift oder radioaktive Substanzen hinterlassen, um unliebsame Exil-Bürger zu entleiben. Umso brisanter ist deshalb der Inhalt der Untersuchung, die sich mit dem Ausmaß der russischen Aktivitäten befasst: von Spionage über Unterwanderungsversuche bis zu Undercover-Kampagnen, um Wahlen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Schon im März war der Bericht fertig, wurde monatelang geprüft, als geeignet zur Veröffentlichung befunden, schließlich landete er bei Boris Johnson auf dem Tisch. Und dort, finden der Premier und sein Stab, soll er erst einmal bleiben. Bis nach den Wahlen im Dezember, die über Herrn Johnsons politisches Schicksal genauso entscheiden wie über das der gesamten Nation: den Brexit.

Die Regierung müsse "gründlich prüfen", sagt Downing Street, bedauerlicherweise dauere das halt. Aber keiner glaubt's. Auf vielen Wegen ist Geld aus dem Osten in die Kassen der Tories geflossen. Besonders heikel: Prominente russische Geschäftsleute und Strippenzieher dürfen sich zu Boris Johnsons persönlichem Freundeskreis zählen. Inzwischen ist durchgesickert, dass die Regierung widerrechtlich Personen aus dem Bericht tilgen will, die dem Premier nahestehen.

Heute wird Boris Johnson noch weniger als sonst darüber reden wollen, denn er tritt gegen seinen Hauptkontrahenten in einer Fernsehdebatte an: Labour-Chef Jeremy Corbyn. Wie alles in Großbritannien dieser Tage ist auch das demokratische Ritual des Spitzenkandidaten-Duells vor Gericht gelandet: Die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei wollten ihre Teilnahme erzwingen – sonst seien die Optionen, die den Wählern präsentiert würden, ja von vornherein beschnitten. Anders als Labour sprechen sich die beiden kleineren Parteien nämlich eindeutig gegen den Brexit und für ein neues Referendum aus – vertreten also Positionen, die zwar von vielen Briten geteilt werden, die es aber ohne Richterspruch nicht zur Primetime auf den Bildschirm schaffen. Doch die Richter winkten ab.

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Well. Darüber, ob die Briten sich einer funktionierenden Demokratie erfreuen können, wird nicht in einer TV-Debatte und auch längst nicht mehr nur an der Wahlurne entschieden. Es entscheidet sich anhand eines toxischen Berichts voller russischer Namen auf dem Schreibtisch des Premiers. An ihm wird sich zeigen, ob man die brisante Einmischung einer ausländischen Macht, die in ganz Europa die Säulen der Demokratie untergräbt, unter dem Tisch halten kann. Damit das Volk ahnungslos abstimmen möge. Sehen wir also hin. Und halten wir auch bei uns die Augen auf.


Die SPD beschäftigt sich seit zweieinhalb Jahren mit der Suche nach dem richtigen Chef. Nun läutet sie die nächste Runde ein: Bei der Stichwahl um den Vorsitz können die Mitglieder ab heute zwischen zwei Kandidatenteams wählen: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans oder Klara Geywitz und Olaf Scholz. Das erste Team will politisch weiter nach links, das zweite will vor allem weiter regieren. Was die Genossen wirklich wollen, könnte allerdings auch nach dem Wahlergebnis unklar bleiben. In der ersten Runde hatte sich gerade mal die Hälfte der Mitglieder beteiligt.


Wagt Friedrich Merz den Aufstand gegen Annegret Kramp-Karrenbauer oder sägt er nur weiter an ihrem Stuhl? Der CDU-Parteitag ab Freitag in Leipzig wird spannend, der Frust über die Verluste bei den letzten Wahlen steckt den Delegierten in den Gliedern. Einer, der sich traut, den Frust laut anzusprechen, ist Tilman Kuban. "Wir müssen wieder ein klares Profil bekommen und zeigen, wofür die CDU steht", sagt der Chef der Jungen Union im Interview mit meinen Kollegen Tim Blumenstein und Tim Kummert. Die CDU dürfe "nicht nur anderen Bewegungen hinterherlaufen, die uns aufgezwungen werden." Und was sagt er über die CDU-Vorsitzende? Na das.


DIE GUTE NACHRICHT

Es kommt selten vor, dass ich Sie hier auf eine offizielle Pressemitteilung der Bundesregierung hinweise. Heute mache ich eine Ausnahme. Vergangene Woche schrieb ich über den Südsudan, dass Bildung ein Schlüssel sei, um die Menschen aus dem Elend zu holen. Das gilt nicht nur dort, sondern vielerorts in Afrika. Deshalb ist die heute beginnende Konferenz "Compact with Africa", zu der die Kanzlerin zwölf afrikanische Staats- und Regierungschefs empfängt, ein wichtiger Impuls – und die Initiative von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) ebenfalls bemerkenswert: Er investiert fast 270 Millionen Euro in mehr als 200 Digitalprojekte in Afrika.


ZITAT DES TAGES

"Die Menschheit befindet sich in Geiselhaft von Wahnsinnigen."

Na geh, das ist doch mal ein gepfefferter Satz. Gesagt hat ihn Rainhard Fendrich. Genau, der mit dem "Herzblatt", "Macho Macho" und "Es lebe der Sport". Aber was genau meint er damit? Das hat er im Interview mit meinen Kollegen Jerome Baldowski, Arno Wölk und Axel Krüger erzählt.


WAS LESEN?


WAS AMÜSIERT MICH?

Umweltschutz ist eine feine Sache. Aber etwas entspannter dürfen wir dabei schon sein.

Ich wünsche Ihnen einen vernünftigen Tag. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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