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Tagesanbruch: Kramp-Karrenbauer hat mit Merz jetzt einen Balljungen


Meinung
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Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 11.01.2019Lesedauer: 6 Min.
Kapitänin mit Balljunge.Vergrößern des Bildes
Kapitänin mit Balljunge. (Quelle: Jan Woitas/dpa)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Afrikanische Innenpolitik spielt in deutschen Medien selten eine größere Rolle. Das mag man kurzsichtig finden angesichts der wachsenden Bedeutung Afrikas, man denke nur an das Bevölkerungswachstum. Meist erfahren wir von den Ländern südlich der Sahara nur in kurzen Meldungen über Gewalt, Putsche, Epidemien.

Heute möchte ich dieser Praxis eine positivere Meldung entgegenstellen. Sie erreicht uns aus der Demokratischen Republik Kongo. Die Menschen haben dort einen Präsidenten gewählt. Es ist weder der Amtsinhaber noch dessen favorisierter Nachfolger. Und der bisherige Staatschef scheint das Ergebnis ersten Meldungen zufolge zähneknirschend zu akzeptieren.

Was hierzulande wie eine Selbstverständlichkeit klingt – ein Regierungschef tritt ab und ein politischer Rivale übernimmt – ist im Kongo ein unerhörter Vorgang. Ein Ereignis, das die Menschen auf den Straßen tanzen lässt. Fast 60 Jahre nach der Unabhängigkeit wäre es der erste demokratische Machtwechsel in einem Land, dessen Einwohner regelmäßig von Ebola-Ausbrüchen, marodierenden Milizen und Mörderbanden heimgesucht werden. Gemessen an den Bodenschätzen – Kobalt, Kupfer, Gold – zählt der Kongo zu den wohlhabendsten Ländern der Welt. De facto sind die meisten der 80 Millionen Kongolesen bettelarm. Die Gier nach den Rohstoffen, Vetternwirtschaft und Korruption befeuern seit Jahrzehnten einen Konflikt nach dem anderen. Rund 4,4 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht.

Und nun endlich ein demokratischer Hoffnungsschimmer, die Aussicht auf ein bisschen Stabilität, vielleicht sogar Rechtsstaatlichkeit? Sicher, wir sollten den Tag nicht vor dem Abend loben. Erst muss das Verfassungsgericht das Wahlergebnis bestätigen. Noch prangert der zweitplatzierte Kandidat Martin Fayulu “Wahlbetrug“ an. Erst muss der bisherige Kleptokrat, Pardon, Präsident Joseph Kabila bereit sein, sich mit seinen ergaunerten Millionen in den Ruhestand zurückzuziehen und seinen unterlegenen Favoriten Emmanuel Ramazani Shadary zurückzupfeifen. Erst dann kann der gewählte Präsident Félix Tshisekedi übernehmen. Noch ist nicht ausgemacht, dass es wirklich keinen größeren Gewaltausbruch gibt. Aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass er den Kongolesen diesmal erspart bleibt. Dass sie tatsächlich einen Akt echter Demokratie erleben dürfen. Es wäre ihnen zu wünschen. Auch anderen Staaten der Region könnten sie damit ein Vorbild geben. Vielleicht schauen dann auch wir öfter nach Afrika.

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Den größten Rivalen abservieren, ohne dass er aufmuckt – und alle applaudieren: Wem so ein raffiniertes Manöver gelingt, der ist in der Champions-League der Politik angekommen. Annegret Kramp-Karrenbauer ist dies gestern geglückt, indem sie eine Personalentscheidung verkündet hat: Friedrich Merz, der Mann, der CDU-Chef anstelle der CDU-Chefin werden wollte, der insgeheim Kanzler anstelle der Kanzlerin werden wollte, der die CDU nach seinen Vorstellungen umformen wollte, wirtschaftsnäher, konservativer, vor allem merziger, dieser Hoffnungsträger aller CDU-Jünger, die vom Merkelismus mühselig und beladen sind, dieser Supermann wird nun – Tusch! – Mitglied einer Expertenkommission zur sozialen Marktwirtschaft, bisher unter dem Ehrfurcht gebietenden Namen “Bibliothekskreis“ bekannt. Um Ihnen die Bedeutung dieser Personalie zu veranschaulichen: Das ist ungefähr so, als würde Marc-André ter Stegen (ein hervorragender Nationalelf-Torwart) dem Manuel Neuer (früher ebenfalls ein hervorragender Nationalelf-Torwart) freundlich die Hand schütteln und ihn bitten, als Balljunge an der Seitenlinie auf und ab zu tigern, während er selbst fürs Endspiel aufläuft.

Ein Neuer würde sich das allerdings nicht gefallen lassen. Merz schon. Er soll jetzt ganz doll wichtige Impulse für die Wirtschafts- und Finanzpolitik liefern, ja, ja, ich habe den Tweet von Kramp-Karrenbauer auch gelesen. Aber Politik funktioniert nicht über Impulse, sondern über Posten. Wer keinen wichtigen hat, hat nix zu sagen. Vom Favoriten zum Fifi in nicht mal vier Monaten: Warum lässt sich Merz das gefallen? Vielleicht, weil er nicht nur ein guter Verlierer, sondern auch Realist ist: In einer erneuerten AKK-CDU würde er immer nur den Ersatzkapitän geben; das fand er schon damals unter Spielführerin Merkel blöd. Also trabt er lieber an die CDU-Seitenlinie, wirft ein paar Bälle, Pardon, Impulse ins Spiel und widmet sich ansonsten seinen Lobbyisten-, Berater- und Aufsichtsratsjobs. Und falls die neue Kapitänin im Tor patzt, kann er ja immer noch aufs Feld zurück stürmen. Raffiniertes Manöver.

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WAS STEHT AN?

Wer sich als Supermacht versteht, der mischt gern auch in anderen Staaten mit. Die Amerikaner haben da viel Erfahrung, aber die Russen ebenfalls. Dass Moskaus langer Arm hierhin und dorthin reicht, lesen Sie immer wieder in den Medien. In der Ukraine kämpfen russische Soldaten, in Syrien dito; der US-Präsidentschaftswahlkampf wurde offenbar von russischen Hackern beeinflusst; auch in Großbritannien, Polen und auf dem Balkan soll der Kreml seine Finger im Spiel haben. Das kann manchen paranoid machen. Aber vielleicht sollte es auch Anlass zu der Frage geben, warum eigentlich in Deutschland niemand so recht hinzuschauen scheint.

Meine Kollegen Lars-Wienand, Jonas Mueller-Töwe und Jan-Henrik Wiebe haben gemeinsam mit Journalisten des ARD-Politikmagazins “Kontraste“ ganz genau hingeschaut. Dabei sind sie auf Netzwerke gestoßen, die Fragen aufwerfen, möglicherweise auch Besorgnis auslösen können. Der russische Staat verfolgt ganz offiziell eine Strategie der Einflussnahme: über Kulturpolitik. Das tut er auf der annektierten Halbinsel Krim, wo er seine machtpolitischen Interessen mit fröhlichen Friedensfestivals bemäntelt. Das tut er aber auch in Deutschland, wo intransparente Vereine und Verbände in russischen Generalkonsulaten und anderswo zusammenkommen. Was hinter den Kulissen geschieht, ist oft nicht ganz klar. Aber auffällig viele kleine Medien und Kulturvereine treten auf die Bildfläche. Und tauchen dann an unerwarteter Stelle wieder auf.

Zum Beispiel der “Berliner Telegraph“ in Chemnitz: Eine kleine russischsprachige Vereinszeitung, könnte man meinen – wäre da nicht der Hang zum großen Auftritt. Man heißt dort “Leiter der Internationalen Abteilung“, “Leiter der Abteilung Russland“ und so weiter. Man posiert gern in der russischen Botschaft. Man hat sein Büro im Russischen Haus in Berlin-Mitte, wo das Außenministerium den Ton angibt. Fragen zur Finanzierung des Blattes und zur Höhe der Auflage möchte man hingegen nicht so gern beantworten. Ist der “Berliner Telegraph“ die dubioseste Zeitung Deutschlands?

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Wenn sie diese Frage neugierig macht, könnte sie vielleicht auch interessieren, dass dort ein bekannter Rechtsextremist mitmischt. Dass das Logo der Zeitung seltsamerweise auch auf der von Russland annektierten Krim auftaucht. Und was ist eigentlich mit dem ominösen Opernsänger, der das Blatt bei einem großen internationalen Auftritt repräsentiert?

Ja, das alles klingt absurd, fast zum Lachen. Einen ernsten Hintergrund hat es trotzdem. Und es sollte uns daran erinnern, dass es sich lohnt, genau hinzuschauen. Sonst braucht es vielleicht auch in Deutschland irgendwann Sonderermittler zur russischen Einflussnahme auf Wahlen. Aber machen Sie sich bitte selbst ein Bild von unseren Recherchen und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung. Auch in die ARD-Mediathek lohnt ein Blick. Die Kollegen von “Kontraste“ haben Russland dort eine ganze Sendung gewidmet.

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WAS LESEN?

US-Abzug aus Syrien, doch noch kein US-Abzug aus Syrien, Amerikaner und Kurden gegen Assad, Kurden und Assad gegen Erdogan, Erdogan und Amerikaner gegen Kurden: Fällt es Ihnen auch schwer, auf dem syrischen Kriegsschauplatz noch durchzublicken? Dann empfehle ich Ihnen diese Analyse meines Kollegen Patrick Diekmann: Er erklärt übersichtlich, was dort aktuell los ist.

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Die sind gar nicht dumm, die Pinguine. Der Mensch als solcher dagegen hat in den Zeiten steigender Durchschnittstemperaturen nicht mehr so viel Übung, mit eisiger Glätte zurechtzukommen, und fällt entsprechend oft auf die Nase. Das ist allerdings gar nicht mal so schlecht. Denn wer nach vorne fällt, hat schon einiges richtig gemacht – mehr Aua gibt‘s rückwärts. Bestnoten bekommt beim Sturz aber erst, wer vorwärts fällt und dabei auch noch seitlich abrollt. Klingt nach Judo, empfiehlt aber der Unfallchirurg. Nur weil das meistens nicht klappt, sind die besten Tippgeber am Ende doch die Pinguine: breiter Gang, immer schön watscheln, platt auftreten. Dann bleiben Sie auch bei Glätte, Schnee und Eis auf den Füßen. Der Frack ist optional.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Der Schlagzeuger ist schon mal ins Wochenende gegangen. Singen tut auch keiner. Da muss man sich schon ein bisschen reinhängen, nur so mit Gitarre, Bass und Mandoline. Sonst wird das nichts. Sonst langweilt man sich. Sonst fangen die Füße nicht zwanghaft an zu wippen. Sonst löst man keine Begeisterungsstürme aus. Sonst erzählen die Leute nicht Tage später noch von diesem sagenhaften Solo. Aber WENN man sich reinhängt, dann geht richtig die Post ab. Achten Sie bitte auf Ihre Füße!

Ich wünsche Ihnen einen vergnügten Freitag und dann ein schönes Wochenende. Den Audio-Samstags-Tagesanbruch gibt es wieder ab Ende Januar. Am Montag schreibt mein Kollege Peter Schink für Sie, ich bin ab Dienstag wieder im Einsatz.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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