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Vereine als Einfallstor: Das Netzwerk des Kreml in Deutschland


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Vereine als Einfallstor
Das Netzwerk des Kreml in Deutschland


Aktualisiert am 11.01.2019Lesedauer: 5 Min.
Mit der sogenannten Landsleute-Politik versucht Moskau russischsprachige Menschen in seinem Einflussbereich zu behalten.Vergrößern des Bildes
Mit der sogenannten Landsleute-Politik versucht Moskau russischsprachige Menschen in seinem Einflussbereich zu behalten. (Quelle: Nour Alnader/t-online)
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Wladimir Putins Arm reicht bis in Vereine in Deutschland. Recherchen von t-online.de und dem ARD-Politikmagazin "Kontraste" zeigen Russlands Strategie, Landsleute an sich zu binden.

Es ist der 30. November 2018, als im russischen Generalkonsulat in Leipzig rund 45 Gäste Platz nehmen. Von der Wand blickt von einem Foto Präsident Wladimir Putin herab. An der Decke hängt ein schwerer Leuchter, unter ihm sitzt der wichtigste Mann des russischen Staates in Sachsen: Generalkonsul Andrej Dronow.

Er spricht bei einem Koordinierungstreffen von Vereinen und Medien aus Thüringen und Sachsen. Dronow dankt ihnen laut einem Bericht, der auf mehreren russischsprachigen Portalen wortgleich erscheint, für ihre "Propaganda und konsolidierende Rolle". Dann stellen die Vereine ihre Arbeit des vergangenen Jahres und ihre Pläne für die Zukunft vor. Es sind viele Angebote dabei, die Menschen Freude machen. Immerhin hat Russlands Kultur von Literatur bis Ballett viel zu bieten.

"Arm der russischen Außenpolitik"

Das Treffen steht aber auch exemplarisch für eine noch wenig ausgeleuchtete Strategie, die der russische Staat seit Jahren vorantreibt: Neben der Offensive mit staatlichen Medien wie RT und Sputnik gibt es auch Bestrebungen, Menschen über lokale Vereine und kleine Medien im Sinne Russlands zu beeinflussen.


Bei manchen Strukturen russischer Vereine müsse genauer hingeschaut werden, "weil wir uns bei den Netzwerken der Landsleute-Politik mit einem Arm der russischen Außenpolitik beschäftigen", sagt Wilfried Jilge, Osteuropa-Experte und Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu t-online.de und dem ARD-Politikmagazin Kontraste. Einige deutsch-russische Kulturvereine und russische Medien in Deutschland sind nach Informationen von t-online.de und des ARD-Politikmagazins "Kontraste" seit längerem auch von Interesse für deutsche Behörden.


Ernst Strohmaier, Bundesgeschäftsführer des Vereins der deutschen Jugend aus Russland und Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in Baden-Württemberg, bekommt über seine Verbindungen die Entwicklungen in der Szene mit und ist besorgt. "Es wundert mich, dass das Vorgehen gar nicht der deutschen Öffentlichkeit bekannt und bewusst ist", sagt er. "Es besteht auch die Gefahr, dass Integration durch diese Kulturarbeit behindert wird."

Landsleute-Rat wurde 2007 gegründet

Der Koordinationsrat der Landsleute in Deutschland wurde 2007 nur einen Monat nach einem wegweisenden Erlass von Russlands Präsident Wladimir Putin ins Leben gerufen. Der russische Präsident initiierte eine Stiftung, die die Landsleute-Politik auf einen Namen bringt: "Russkij Mir", also zu Deutsch "Russische Welt".

Sie soll offiziell den Erhalt der russischen Sprache im Ausland fördern. Die Stiftung zählt jedoch auch zu ihren Aufgaben, "objektive Informationen über das moderne Russland" zu verbreiten und "eine positive öffentliche Meinung in Bezug auf Russland" zu bilden. Ein Auftrag zur Interessenpolitik im Ausland, sagen Experten. Das machen fast alle Länder mehr oder weniger offen, Deutschland mit Goethe-Instituten.

Doch die fordern nicht auf, sich dem "Dienst am Vaterland" zuzuwenden. Jilge: "Die von den Agenturen und Stiftungen der Landsleute-Politik popularisierte 'Ruskij Mir' vertritt eine Variante des russischen Nationalismus im Sinne einer 'russo-zentrischen Zivilisation‘'".

Neben dem Generalkonsul saßen beim Treffen im Leipziger Generalkonsulat die Vorsitzenden der "Landsleute"-Verbände von Sachsen und Thüringen. "Das sind vom russischen Staat kuratierte Strukturen", sagt Wilfried Jilge. Der russische Staat redet demnach mit, wer etwas zu sagen hat. Und Adressat sind nicht nur Russen: Mit "Landsleute" gemeint sind alle russischsprachigen Menschen aus den früheren Sowjetrepubliken und deren Nachkommen.

Landsleute oder Vaterlandstreue?

"Die Landsleute-Politik soll die 'russische Welt' konsolidieren", sagt Jilge. Das russische Wort für "Landsleute" kann für Russen im Ausland auch mit "Vaterlandstreue" übersetzt werden, sagt Strohmaier. Jilge moniert, es sei "wenig bekannt, ob und wie die Tätigkeit über kulturelle Tätigkeit hinausgeht".

In der Ukraine seien vor 2014 Landsleute-Strukturen genutzt worden, um radikale und antiliberale prorussische Netzwerke in der Ukraine zu platzieren – und deren politische Positionen zu verbreiten. In der Folge beeinflussten sie das Meinungsklima dort erheblich und trugen zur Eskalation bis hin zur Krim-Annexion bei. "Auch in Deutschland baut Russland Strukturen der Landsleute-Politik auf", sagt Jilge.


Und Vertreter der deutschen Landsleute zeichnen ein Bild eines Deutschlands, das gegenüber Russland feindselig ist. Jurij Eremenko war als Thüringer Landesvorsitzender beim Treffen in Leipzig dabei und ist Mitgründer der Medienallianz der russischen Gemeinschaften. Der Erfurter wirbt seit Jahren bei Welttreffen für mehr Unterstützung der lokalen Medien in der Diaspora. Er sprach im Frühjahr 2018 davon, dass der "Informationsdruck" in Deutschland auf Russland über die Grenzen des Zumutbaren gehe.

"Schon bei Kika ist Russland Reich des Bösen"

Schon bei "Kika" werde Russland als Reich des Bösen dargestellt. Auf dem von ihm verantworteten Landsleute-Portal "Russkoepole.de" findet sich neben prorussischen Artikeln Werbung für die Ansiedlung von Neubürgern in Russland, ein staatliches Programm. Auf Anfragen antwortete er nicht.

Russische Stellen geben zum Teil auf Deutsch andere Informationen als auf Russisch. Ein Beispiel liefert das Russische Haus in Berlin. Hier hat die 2008 auf Putin-Erlass gegründete Regierungsagentur "Rossotrudnichestwo" ihren Sitz. Sie ist Schnittstelle und Drehscheibe der auswärtigen Kulturpolitik.

Sie stellt den Landsleute-Rat auf ihrer Seite vor – und schreibt nur in der russischen Version der Internetseite: "Die Landsleute haben in Deutschland ein Netzwerk von Kultur- und Bildungszentren aufgebaut, sie haben eigene Presse-, Rundfunk-, Informations-, Ethno-Kultur- sowie Informations- und politische Publikationen."

Deutsche Behördenvertreter können oft nicht die Sprache und müssen deswegen darauf vertrauen, dass die Inhalte von Veranstaltungen und Angeboten auf Russisch auch dem entsprechen, was ihnen die Veranstalter sagen. Der Bundesverband Russischsprachiger Eltern (BVRE) erhält nach eigenen Angaben öffentliche Gelder aus diversen Quellen für russischsprachige Angebote und plant nach einem erprobten Modell sogar eine Dialogplattform für politische Themen auch auf Türkisch, Arabisch und Farsi. Das Vertrauen erwirbt sich der BVRE etwa auch mit öffentlichen Kampagnen gegen Hass.

Der Trick mit den Kindern

Eines der Vorstandsmitglieder plauderte allerdings in einem Interview auch aus, dass der Name des Verbands ein Trick war. Gegen "russischsprachige Verbände" gebe es Vorbehalte, sagte er.

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Mit Kindern sei das einfacher, und man mache ja auch Angebote für Kinder und habe sich deshalb Elternverband genannt. "Russkij Mir" berichtete, dass der Landsleute-Rat die Gründung unterstützt hatte – der Verein erklärt, es gebe seit Jahren keinen Austausch mehr und die Arbeit basiere ausschließlich auf dem deutschen Grundgesetz. Viele Mitgliedsvereine sind aber zugleich Mitglieder bei der Landsleute-Organisation.

Es gibt aber auch die andere Seite: "Die meisten Russischsprechenden wollen mit Russland nichts zu tun haben", sagt Strohmaier. "Viele Russlanddeutsche sind gekommen, weil sie in Russland nicht glücklich waren."

Wilfried Jilge äußert dennoch Sorgen. Die deutsche Politik habe sich in den letzten Jahren zu wenig um die Belange der insgesamt 3,2 Millionen Russlanddeutschen gekümmert. Das habe eine Lücke gelassen. Es sei unklar, wie viele Russischsprachige in Deutschland empfänglich seien für nationalistische Botschaften aus Russland. "Wir wissen zu wenig darüber."

"Kontraste" hat in seiner Sendung am Donnerstag unter anderem über russische Einflussnahme in Deutschland und über russische Geldwäsche berichtet.

Verwendete Quellen
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