Befragung im Bundestag Scholz: Impfpflicht sollte für alle Volljährigen gelten
Zum ersten Mal wurde der neue Kanzler von den Abgeordneten des Bundestags gelöchert. Daraus folgen: einige neue Erkenntnisse. Gegen manche Politiker teilte Scholz gehörig aus.
Genau fünf Wochen ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Amt – nun stellte er sich erstmals den Fragen der Abgeordneten im Bundestag. Thematisch ging es vor allem um die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Aber auch die Klimawende, soziale Gerechtigkeit und die Ukraine-Krise waren den Parlamentariern wichtig.
Die erste Frage wurde zu den Plänen einer allgemeinen Impfpflicht gestellt: Hier hat sich Scholz für eine weitreichende Corona-Impfpflicht für alle Erwachsenen ausgesprochen. Die Impfpflicht solle sich an "alle Volljährigen, alle über 18-Jährigen" richten. Dabei halte er es für richtig, eine "möglichst unbürokratische Lösung" zu finden, sagte der Kanzler. Er bat den Bundestag, "zügig" ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden.
Mit seiner Festlegung ging der Kanzler auf Distanz zu Vorschlägen, eine allgemeine Impfpflicht nur für Ältere oder für Menschen mit Vorerkrankungen einzuführen. Dies sieht einer der Gesetzentwürfe vor, die gerade von Abgeordneten erarbeitet werden. Ein weiterer Antrag sieht die Ablehnung einer Impfpflicht vor.
"Ich bin dafür"
Scholz warnte davor, das geplante Impfpflicht-Gesetz zu kompliziert zu gestalten. Es dürfe bei dem Gesetzgebungsverfahren nicht darum gehen, einen Entwurf mit Regelungen "bis in die letzte Verästelung" zu erarbeiten, sagte er. Das neue Gesetz müsse schlichtweg klarstellen: "Hier ist eine Pflicht."
Der Kanzler verteidigte das Vorgehen seiner Regierung, keinen eigenen Gesetzesvorschlag zur Impfpflicht vorzulegen. Der Bundestag solle die Regelung in einer "offenen Debatte" erarbeiten. Dies trage zur "Befriedung der politischen Diskussion" bei und sei ein Beispiel für "demokratisches Leadership". Seine eigene Haltung zur Impfpflicht habe er früh klargemacht: "Ich bin dafür", sagte Scholz.
Er rief im Plenum erneut zur Impfung auf: Die Entscheidung dafür sei "keine Entscheidung, die man nur für sich alleine trifft, und deshalb ist die Impfpflicht auch richtig", sagte er. Die Impfung trage dazu bei, weitere Ansteckungen mit dem gefährlichen Virus zu begrenzen – und somit "80 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger" zu schützen.
"Ich hoffe, dass es eine zügige, gute Beratung geben wird, mit einem entsprechenden Ergebnis", sagte Scholz mit Blick auf die Impfpflicht-Debatte. "Ich jedenfalls halte sie für notwendig und werde mich aktiv dafür einsetzen." Dabei gehe es ausdrücklich nur um eine Impfpflicht für Erwachsene.
Scholz wertete es als Erfolg der Regierenden, dass sich die hoch ansteckende Omikron-Variante in Deutschland bislang weniger stark ausgebreitet habe als in anderen Ländern. Dies sei "auch zurückzuführen auf die klaren weitreichenden Maßnahmen, die wir festgelegt haben", sagte Scholz. Allerdings werde die Zahl der Ansteckungen weiter wachsen, sagte der Kanzler – und verwies auf den vom Robert Koch-Institut (RKI) verzeichneten neuen Höchstwert bei den Ansteckungen.
"Kernenergie ist nicht nachhaltig"
Auch die Klimawende war ein wichtiges Thema der Fragerunde – die Abgeordneten wollten wissen, wie diese Transformation, sozialverträglich, bewältigt werden könne.
In diesem Zusammenhang hat Scholz das klare Nein der Regierung zur Nutzung der Atomkraft bekräftigt. "Die Nutzung der Kernenergie ist nicht nachhaltig und sie ist auch wirtschaftlich nicht sinnvoll", sagte Scholz. Daher sei die deutsche Entscheidung zum Atomausstieg richtig.
Es seien "erhebliche Investitionen für neue Kernkraftwerke notwendig", die Entsorgungsfrage und "unverändert auch die Sicherheitsfrage" seien weiterhin ungeklärt, begründete Scholz seine Position. Stattdessen setze die Regierung auf einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Dies sei eine Entscheidung, "die uns international unabhängig macht, die dem Klima dient und die am Ende die billigste sein wird und unserer Wirtschaft dann einen Wettbewerbsvorteil schafft".
Scholz reagierte auf eine Frage von AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla, der einen deutschen Sonderweg beim Ausstieg aus der Nutzung der Atomkraft kritisiert hatte. Chrupalla hatte dabei auf die Debatte über die von der EU-Kommission geplante Einstufung von Atomkraft als nachhaltig verwiesen. Scholz hatte zuvor bereits deutlich gemacht: "Wir werden in unseren Ländern ganz unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um den Klimawandel zu bekämpfen."
Zum Ausbau der erneuerbaren Energien sagte Scholz, es gehe nicht nur darum, Ersatz für die abzuschaltenden Atom- und Kohlekraftwerke zu schaffen, sondern auch für den zusätzlichen Strombedarf durch den Umbau der Industrie. "Klimaneutrales Wirtschaften wird nur gelingen, wenn wir sehr viel mehr Strom einsetzen als heute", betonte der Kanzler in seiner Antwort auf eine Frage der Grünen-Abgeordneten Katrin Uhlig.
"Die Regierung hat sich entschlossen, das jetzt auf den Weg zu bringen", sicherte er zu. Am Dienstag hatte der Klimaminister Habeck erste Klima-Sofortmaßnahmen vorgestellt. "Wir werden die Planungsverfahren, die Genehmigungsverfahren so beschleunigen, dass wir es schaffen, aus erneuerbaren Energien aus Windkraft auf hoher See, Windkraft an Land, aus Solarenergie, aus Biomasse die Energieversorgung Deutschlands sicherzustellen", so Scholz.
Als weiteren Punkt nannte er den Hochlauf der Wasserstofftechnologie. "Auch das werden wir entsprechend auf den Weg bringen müssen", betonte der Kanzler. All dies sichere "den industriellen Wohlstand und die globale Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes".
Nach wenigen Sekunden durch die AfD unterbrochen
Besonders in seinen Antworten auf manche Fragen von AfD-Abgeordneten wurde der Kanzler deutlich. Auf den Vorwurf, dass er Impfschäden durch die Corona-Impfung nicht richtig darstelle, erwiderte Scholz: "Halten Sie sich an die Fakten, verwirren Sie nicht die Bürger." Der Nutzen der Corona-Impfung sei unbestreitbar.
Bereits nach wenigen Sekunden seiner Antrittsrede vor der Fragerunde war Scholz in seinen Ausführungen unterbrochen worden: AfD-Abgeordnete hielten Schilder mit der Aufschrift "Freiheit statt Spaltung" in die Höhe, um sich damit mutmaßlich gegen die Corona-Politik auszusprechen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) drohte damit, sie des Saales zu verweisen – daraufhin nahmen die Abgeordneten die Schilder herunter.
Auch in seiner Antwort auf die Kritik der Abgeordneten Susanne Ferschl (Linkspartei) zur Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen wurde Scholz explizit. Ihre Darstellung zur Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Jobs in den letzten Jahren stimme so nicht, sagte Scholz. "Man muss manchmal eine Statistik anschauen und kein Flugblatt, das ist manchmal die bessere Art sich zu informieren."
- Livestream der Regierungsbefragung im Bundestag
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa