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Gastbeitrag von Jenna Behrends (CDU): "Karneval ist keine Sonderzone"


Meinung
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Debatte um Witz
"Karneval ist keine Sonderzone"

MeinungEin Gastbeitrag von CDU-Politikerin Jenna Behrends

Aktualisiert am 06.03.2019Lesedauer: 5 Min.
Karnevalisten beim Kölner Rosenmontagszug (Symbolbild): "Karneval ist keine Sonderzone, in der die Regeln des Anstands nicht gelten", schreibt die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends.Vergrößern des Bildes
Karnevalisten beim Kölner Rosenmontagszug (Symbolbild): "Karneval ist keine Sonderzone, in der die Regeln des Anstands nicht gelten", schreibt die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends. (Quelle: Andi Weiland/Fotomontage t-online.de/imago-images-bilder)

Treibt es der Karneval zu bunt? Die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends ist genervt von der Debatte. Doch die Diskussion enthüllt ein anderes Problem, schreibt sie in ihrem Gastbeitrag für t-online.de.

In Deutschland wird seit Tagen darüber diskutiert, ob Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihre Karnevalswitz daneben gegriffen hat oder nicht. Auch am politischen Aschermittwoch ist ihre Rede bei der politischen Konkurrenz noch Thema.

Die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends hat genug von der Debatte und plädiert für eine differenzierte Position. In diesem Gastbeitrag für t-online.de argumentiert sie aber, dass Kramp-Karrenbauers Rede ein anderes Problem offenbart: die Spaltung zwischen Stadt und Land.

Zum Glück ist die Karnevalszeit vorbei. Ich habe jedenfalls genug von allem: genug von Karnevalswitzen, genug von Kritik an Karnevalswitzen, genug von Kritik an Kritik an Karnevalswitzen. Dabei sind die Empörung und die Empörung über die Empörten unsere Chance. Wenn wir jetzt alles richtig machen, dann finden wir endlich einen deutschen Humor. Werden womöglich richtig witzig.

Fühlt euch doch nicht immer gleich so angegriffen, so lautet der Vorwurf zusammengefasst. Regt euch nicht so auf über Witze, die Doppelnamen wie den von Annegret Kramp-Karrenbauer aufs Korn nehmen. Noch über Witze von eben dieser über Berlin, Intersexuelle und die "Latte-Macchiato-Fraktion". Wo solle das denn hinführen? Haben wir denn keine anderen Probleme? Wenn selbst während Karneval Political Correctness zum Maßstab würde, dann könnten wir ihn doch gleich abschaffen. War doch nur ein Witz. Ist doch alles nicht so schlimm.


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, geboren 1990, ist Politikerin der CDU und Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte. Sie hat Jura studiert, eine journalistische Ausbildung und ist Autorin des Buches "Rabenvater Staat. Warum unsere Familienpolitik einen Neustart braucht". (Foto: Andi Weiland)

Karneval ist keine Sonderzone

Leider weiß ich es als Landkind besser. In meiner Kindheit war ich jeden Tag mit im Stall, um die Tiere zu füttern. Hier habe ich gelernt: Wer an Karneval mal die Sau rauslässt, hat ganzjährig eine Sau im Stall. Wer in der fünften Jahreszeit daneben greift, der trägt solche Gedanken auch im Rest des Jahres in sich. Karneval ist keine Sonderzone, in der die Regeln des Anstands nicht gelten. Es ist eine feine Gradwanderung, dafür zu sensibilisieren und gleichzeitig nicht zu bevormunden. Aber wenn uns das endlich gelingt, bekämen wir Satiresendungen, bei denen sich das Einschalten lohnt. Humor und Anstand schließen sich nicht aus.

In ihrer Fastnachtsrede beim Stockacher Narrengericht hat sich die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer über Berlin amüsiert: Die Hauptstadt scheint vom Bodensee aus betrachtet verrückt. Die Themen, die in Berlin diskutiert werden, irrelevant. "Glaubt man wirklich in Berlin, dass sich die Menschen in Deutschland darüber (zum Beispiel Toiletten für das dritte Geschlecht) den Kopf zerbrechen?", wunderte sich CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach zustimmend in der "Bild". Da frage ich mich als Konservative, die in Berlin Mitte lebt: Haben die uns im Rest der Republik jetzt ganz abgeschrieben? Alle unsere Themen als lächerlich abgestempelt? Das echte Leben, die echten Sorgen: überall, nur nicht in den großen Städten?

Trotzdem hat Kramp-Karrenbauer mit ihrem Berlin-Bashing etwas angesprochen, das zunehmend zum Problem wird: die Spaltung zwischen Großstadt und Land. Zuhause auf dem Dorf hätte ich mir jedenfalls nicht vorstellen können, dass sich Kinder nicht mehr als Indianer oder Scheich verkleiden dürfen. Genau das ist aber gerade in Hamburg geschehen. Dort hat eine Kita die Eltern darum gebeten, bei der Verkleidung ihrer Kinder darauf zu achten, dass keine Stereotype bedient werden, die Menschen beleidigen können. Dahinter steht die seltsame Annahme, dass Kulturen statisch seien und lediglich durch Abschottung geschützt werden könnten. Aber wie passt das zu einer offenen Gesellschaft? Unser Ziel sollte sein, dass niemand wegen seiner Herkunft diskriminiert wird. Indem wir Kinderkostüme verbieten, erreichen wir das jedenfalls nicht.

Debatten über kulturelle Aneignung

Anders als in Deutschland sorgt die sogenannte "Cultural Appropriation" (etwa: kulturelle Aneignung), in den USA ständig für große Empörung. Aber auch hier wird das Thema zunehmend größer. Das musste die Berliner Galerie König im vergangenen Jahr erleben, als sie zur "Happy Ending"-Party einlud. Der Flyer zeigte eine Geisha, die von einem Tiger penetriert wird und das Programm reichte von Thai-Massage zu Glückskeksen. Eine Synthese aus Sexismus und rassistischen Klischees sei das, beschwerten sich die Kritiker. Es folgten zahlreiche Ein-Stern-Bewertung bei Facebook: "Very disappointing that the gallery is supporting racist and sexist 'influencers' and dare to call it art." ("Es ist sehr enttäuschtend, dass die Galerie rassistische und sexistische Influencer unterstützt und es wagt, das Kunst zu nennen.")

Noch werden die Debatten in Deutschland lediglich in den großen Städten geführt. In den Staaten sind die Themen schon größer, die Wortwahl härter. Aktuelles Beispiel ist die Hasswelle, welche der Tennislegende Martina Navratilova entgegen geschlagen ist, als sie vor kurzem sagte, dass sie es nicht als fair empfinde, wenn Transfrauen im Frauensport antreten. Sie hat das sehr sensibel formuliert und wissenschaftlich begründet: Denn mit Sport kennt sie sich genauso aus wie mit Minderheiten. Sie hatte sich bereits in den 80ern als lesbisch geoutet. Trotzdem hat sie das alles nicht vor dem Vorwurf der Homophobie geschützt.

Diskurs ohne Steinigungen ist möglich

Wir haben Glück: Noch ist es in Deutschland nicht so schlimm. Noch ist ein Diskurs ohne Steinigungen möglich. Noch reden wir miteinander. Aber wenn wir nicht aufpassen, dann wird es sich auch bei uns entwickeln wie in den Staaten. Und dann driften wir noch weiter auseinander. Vermeintliche Humoristen und Empörte. Stadt und Land. Die politischen Strömungen. Komplett verfeindete Lager.

Aber noch ist es nicht so weit. Darin liegt unsere Chance. Wir gelten international als spaßbefreit, bezeichnen uns selbst als humorlos. Doch das können wir jetzt ändern. Heute ist Aschermittwoch. In vielen Regionen der letzte Tag der Karnevals-, Faschings- oder Fastnachtswoche. Im Christentum der Beginn der Fastenzeit vor Ostern. Beim Fasten geht es um die ehrliche Reflektion unseres täglichen Handelns. Darum, eine Weile auf Gewohntes zu verzichten. Und zu sehen, welche bleibenden Effekte das hat.


"7 Wochen ohne": So lautet die Kampagne meiner Kirche zur Fastenzeit. Vielleicht ohne bei jedem kleinen Stöckchen gleich durchzudrehen und stattdessen miteinander zu reden? Probieren wir es doch mal und schauen, was passiert. Das Ergebnis könnte ein Humor sein, der die Grenzen des Anstands nicht überschreitet und gleichzeitig auch mal ein Auge zudrückt. Und das könnte ziemlich lustig werden.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung des Autors wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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