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Kandidatur von Kramp-Karrenbauer: An Merkels Erbe führt kein Weg vorbei


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Kandidatur von "AKK"
An Merkels Erbe führt kein Weg vorbei

Eine Analyse von Daniel Schreckenberg

Aktualisiert am 08.11.2018Lesedauer: 5 Min.
Annegret Kramp-Karrenbauer: "AKK" betonte bei ihrer Kandidatur, dass sie die Union weiter für alle Regierungsoptionen offen halten möchte.Vergrößern des Bildes
Annegret Kramp-Karrenbauer: "AKK" betonte bei ihrer Kandidatur, dass sie die Union weiter für alle Regierungsoptionen offen halten möchte. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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Der Kurs der Mitte hat die CDU für fast jeden wählbar gemacht. Das wird zum Problem für die Anti-Merkels Spahn und Merz. Denn eigentlich steht nur eine Kandidatin für den Machtanspruch der Partei.

Spahn, Merz, "AKK": Das Rennen um den CDU-Vorsitz ist eröffnet. Zwei der aussichtsreichsten Kandidaten haben sich in diesen Tagen vor der Hauptstadtpresse präsentiert, einer mit einem Bewerbungsvideo im Netz. Sie alle finden eine Partei vor, die tief verunsichert ist. Bei den letzten Landtagswahlen in Bayern und Hessen stürzte die Union ab, die Umfragewerte sind im Keller. Doch während Gesundheitsminister Jens Spahn und Ex-Fraktionsführer Friedrich Merz offensiv den Neustart in der Partei ausrufen, geht Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Bewerbung offensichtlich etwas anders an.

"AKK" will die CDU nicht neu erfinden. Damit könnte sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten im Kampf um den Chefposten in der Partei haben. Denn während Spahn und Merz vor allem in konservativen Kreisen punkten, bleibt Kramp-Karrenbauer der Linie der Kanzlerin und ihrer Förderin treu: Sie werde ein Angebot machen, wie die Zukunft der Partei nach der Ära von Angela Merkel weiter gehen soll, sagte sie bei ihrer offiziellen Antrittsrede in Berlin. Sie betonte dabei: "Wir müssen uns nicht neu erfinden."

Damit könnte sie recht haben, denn das hat Angela Merkel bereits getan. Die Kanzlerin hat die CDU verändert, hat sie in die Mitte gerückt und für weite Teile der Bevölkerung wählbar gemacht. Unter ihr wurden – mal mehr, mal weniger freiwillig – der Atomausstieg und die "Ehe für Alle" beschlossen, die Wehrpflicht abgeschafft und Hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen. Angela Merkels Union ist offener für alle Bevölkerungsgruppen, dazu inhaltlich pragmatischer geworden. Ihre Union kann mit allen regieren, sieht man von AfD und Linken ab. So ist die CDU wohl die letzte Partei mit bedingungslosem Regierungsanspruch. Das ist das eigentliche Erbe Merkels an die Union.

An dem will "AKK" offenbar nicht rütteln. Damit stünde sie nicht allein: Eine große Mehrheit der Bundesbürger will nicht, dass die CDU in konservative Zeiten zurückfällt. 63 Prozent der Befragten hielten es laut RTL/ntv-Trendbarometer für falsch, wenn die Union wieder stärker die konservativen Werte betonen würde. Führende CDU-Politiker warnen auch deswegen vor einem großen Umbruch, den die Kandidaten Merz und Spahn möglicherweise mit sich bringen würden. Beide stehen in den Augen vieler für eine konservative Wende der Partei – obwohl Merz versucht, diese Bedenken durch eine Pro-Europa-Position zu zerstreuen.

Volle Breitseite gegen Spahn und Merz

Trotzdem scheint es nicht unplausibel, in Äußerungen von Parteigranden leichte Andeutungen einer Positionierung hineinzulesen. Da gibt es den Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der der Boulevardzeitung "Bild" sagte: "Wer den Kurs der Union einseitig verschieben oder auf ein einziges Thema reduzieren will, wird es schwer haben." Beim Kurs in der Migrationspolitik seien keine Korrekturen nötig – der Kandidat Spahn würde das Thema hingegen gern noch einmal gründlich diskutieren.

Weitere Stimmen meldeten sich zu Wort. CDU-Vize Julia Klöckner stellte im ZDF klar: "Die CDU muss weder nach rechts rücken oder nach links rücken, sondern breiter werden." Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther sagte: Der Kurs der Vergangenheit sei richtig gewesen. "Daran haben sich auch alle Kandidaten für den Bundesvorsitz zu orientieren." Und – vielleicht am wichtigsten – Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet kündigte in der "Süddeutschen Zeitung" an, sich weiterhin für einen "Kurs der Mitte" einzusetzen. Er warnt vor einem Rechtsruck in der Partei. "Ich bin überzeugt, dass eine solche Achsenverschiebung falsch wäre."

Das könnte für Jens Spahn zum Problem werden, aber auch für Friedrich Merz: Er wird als Anti-Merkel wahrgenommen, der damals den Kurs der Parteivorsitzenden nicht mittragen wollte. Einen Kurs, der der Union aber dauerhaft die Regierungsmacht sicherte. Wenn er heute über seine Zukunftsvision für die CDU spricht, bleibt er größtenteils vage. Sein Ziel sei es, "den politischen Meinungsstreit in die Mitte zu holen und nicht den Rändern zu überlassen". Die SPD stehe vor einem scharfen Linksruck, den die Union nicht machen sollte. Doch wer sieht diese Gefahr eines Linksrucks in der CDU außer ihm?

Es kommt nicht von ungefähr, dass CDU-Urgestein Norbert Blüm bereits vor einer Gegenregierung gegen Merkel warnt: "Die beste Aussicht auf Kontinuität und Verlässlichkeit einer besonnenen Politik bietet Annegret Kramp-Karrenbauer. Friedrich Merz besitzt meines Erachtens dagegen alle Voraussetzungen, als Parteivorsitzender eine Nebenregierung zu bilden. Das können wir uns in diesen Zeiten nicht leisten", schrieb er in einem Gastbeitrag für die "Welt".

Wichtige Parteikollegen lehnen einen Kurswechsel also offenbar ab, ebenso wie eine Mehrheit in der Bevölkerung. In der Partei könnte sich durchaus die Ansicht durchsetzen, dass Kramp-Karrenbauer für Mehrheitsoptionen im Bund und in den Landesparlamenten die vielversprechendere Kandidatin ist. Zumal die Union mit ihrem Mitte-Kurs wichtige Landtagswahlen für sich entschied: In NRW löste Schwarz-Gelb mit Spitzenkandidat Laschet kurz vor der Bundestagswahl die rot-grüne Koalition ab. Zuvor hatte Kramp-Karrenbauer selbst mit einem unaufgeregten Wahlkampf im Saarland den "Schulz-Zug" des SPD-Kanzlerkandidaten heftig ausgebremst.

In Bayern hingegen versuchte sich die CSU erst vor Kurzem an einer Rhetorik, die künftig auch von Spahn und Merz zu hören sein könnte – und teilweise schon gehört wird, wie beim Gesundheitsminister, der mit neuerlichen Aussagen über Flüchtlinge irritiert. Die CSU verlor prompt zweistellig.

Eine Interpretation könnte sein: Nicht Merkels Modernisierungen oder die Inhalte der Partei haben die Union bei den letzten Wahlen massiv Stimmen gekostet, sondern die Streitigkeiten des regierenden Spitzenpersonals – und auch die Rhetorik mancher Wahlkämpfer, die die Mitte verschreckten. So verwundert es auch nicht, dass in Hessen der alte Unionskurs nicht aufgegangen ist, übertönte der Koalitionskrach in Berlin schließlich jedes landespolitische Engagement. An der Macht geblieben ist die CDU dort übrigens trotzdem. Weil sie die einzige Partei zu sein scheint, die fast mit jedem will. Und kann.

"Keine Partei, die 'entweder oder' denkt"

"AKK" will ihre Partei nicht neu erfinden. Muss sie wohl auch nicht, sie will die Union regieren. Die CDU regiert in Hessen mit den Grünen, in Schleswig Holstein mit Grünen und der FDP, im Saarland, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen mit der SPD, in Sachsen-Anhalt mit den Grünen und der SPD und in NRW mit der FDP. Die Merkel-Union schafft Bündnisse, die vor einigen Jahren noch undenkbar schienen. Eine AKK-Union könnte es am ehesten von allen möglichen Chefkandidaten wohl auch.

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"Wir wollen uns programmatisch so aufstellen, dass wir Mehrheiten erreichen können", heißt es in der Antrittsrede von Kramp-Karrenbauer. Und: "Wir sind keine Partei, die 'entweder oder' denkt." Stattdessen wolle sie für eine Union stehen, die das Verbindende über alles stellt. Wenn Merz und Spahn also unisono mehr Abgrenzung von der Union fordern, will "AKK" das Gegenteil.

Natürlich steckt dahinter machtpolitisches Kalkül – genauso wie hinter den Aussagen von Klöckner, Günther und Blüm. Ähnlich wie Kramp-Karrenbauer ist für sie eine starke Union eine Union die regiert. In ihrer Antrittsrede hat "AKK" nicht umsonst ihre Rolle als Chefwahlkämpferin betont, die aus der Opposition heraus wieder zur Regierungsverantwortung gekommen ist. Eine Union unter ihrem Vorsitz würde fest in der Mitte sitzen und sich weiter alle Richtungen offen halten.

Mit Merz und Spahn bekäme die CDU dagegen wieder eine konservativere Handschrift. Regierungen mit den Grünen oder der SPD würden unwahrscheinlicher. Ernsthaft koalieren könnte die Union womöglich nur noch mit der FDP.

Eine vielfältige Wählerschaft, bunte Koalitionen, Pragmatismus auch in urkonservativen Themengebieten: Das alles ist das Erbe Merkels für die Union. Will sie ihren bedingungslosen Machtanspruch nicht verlieren, führt an diesem Erbe eigentlich kein Weg vorbei. Mit der Wahl ihres neuen Vorsitzenden entscheidet sich die CDU also auch, mit wem sie künftig regieren will. Und kann.

Verwendete Quellen
  • mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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