Unaufgeregter AfD-Parteitag Mit abgenutzten Parolen gegen die Langeweile
Ganz Deutschland blickt am Sonntag nach Bayern. Allerdings nicht nach Augsburg, wie es die AfD gern hätte. Deren Parteitag verläuft unauffällig, trotz Träumereien von Merkel-Sturz und Volkspartei.
Alexander Gauland hat mit markigen Sprüchen zur deutschen Geschichte zuletzt schlechte Erfahrungen gemacht. Hitler und die Nazis "nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte" - diese Aussage ging selbst in der AfD vielen zu weit. Trotzdem greift der starke alte Mann der AfD auch auf dem Bundesparteitag in Augsburg wieder in die historische Kiste. Der AfD-Chef beschwört vor 500 Delegierten die Endzeit der Bundesrepublik, wie man sie bisher kennt, und vergleicht Angela Merkel mit Erich Honecker.
Den Namen "Hitler" nimmt er zwar nicht in den Mund, trotzdem kann sich Gauland eine Anspielung nicht verkneifen. Deutschland habe sich fast alle wichtigen Länder und einstige Freunde zum Gegner gemacht, beklagt er. Und dann: "Der letzte deutsche Regierungschef, der eine solche Feindkonstellation gegen sich aufgebracht hat,..." Er führt seinen Vergleich nicht zu Ende, aber der Parteitag jauchzt. Der 77-Jährige legt nach und warnt vor einem "Bevölkerungsaustausch" - die Horrorvision der AfD.
Alles nur noch kalter Kaffee?
Doch so richtig taufrisch ist seine Rede nicht - irgendwie hatte man das alles schon mal so oder so ähnlich gehört. Und wirklich: Den gleichen Vortrag hat Gauland - von tagesaktuellen Einsprengseln abgesehen - schon einmal gehalten: beim "Kyffhäusertreffen" des rechtsnationalen Flügels einige Tage zuvor.
Was soll die AfD auch tun? Die Musik spielt an diesem Wochenende woanders: in München und Berlin, wo der Machtkampf zwischen Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer um die Asylpolitik tobt. Gaulands Co-Chef Jörg Meuthen bringt es auf den Punkt: Momentan sei die Union der Hort der Zerstrittenheit - und nicht der "gärige Haufen", wie Gauland die AfD nennt. Die CSU, die in der Asylpolitik eh nur die AfD kopiere, solle Merkel endlich stürzen, fordert Gauland.
Streit um Rente und Sozialpolitik
Selbst die Proteste der AfD-Gegner gehören inzwischen fast schon zur Parteitagsfolklore. Die Demonstranten warnen am ersten Tag vor dem Messegelände auf einem Transparent: "Faschismus verursacht Haarausfall und gefährdet Sie und Ihre Mitmenschen". Doch anders als bei früheren Parteitagen in Stuttgart oder Hannover gelangen die Delegierten diesmal weitgehend unbehelligt zum weiträumig abgesperrten Veranstaltungsort. 2000 zusätzliche Polizisten hatten die bayerischen Behörden aus anderen Ländern angefordert, die meisten langweilen sich.
Im Saal ist einiges, was vor Jahresfrist noch für Aufregung sorgte, inzwischen durch ständige Wiederholung zur Routine geworden. Als Meuthen über die "links-rot-grün verseuchte 68er-Denke" lästert, spenden die Delegierten nur vorsichtig Applaus. Bei den drögen Diskussionen um die Geschäftsordnung könnte man meinen, man sei auf Parteitagen von CDU und SPD.
In puncto Sozialpolitik ist die AfD noch weitgehend blank. Dass wollen sowohl Meuthen als auch die Leute vom rechtsnationalen Flügel ändern. Wirtschaftsprofessor Meuthen will bei der Rente vor allem weniger Staat. Rechtsaußen Björn Höcke und seine Mitstreiter fordern das Gegenteil. Sieht man davon ab, dass sie deutsche Beitragszahler bevorzugen wollen, stehen die Leute vom Flügel in diesen Fragen ungefähr so weit links wie die Linken-Politikerinnen Katja Kipping und Sahra Wagenknecht.
Sorgenvolle Blicke nach Links
Überhaupt Wagenknecht: Nicht nur die inzwischen aus der Partei ausgetretene Ex-AfD-Chefin Frauke Petry kann sich vorstellen, dass Wagenknecht ihre Idee einer linken Sammlungsbewegung vor den drei Ost-Landtagswahlen 2019 in die Tat umsetzt - und der AfD damit Protestwähler abspenstig macht. Auch der Thüringer Partei- und Fraktionschef Höcke ist deshalb in Habachtstellung. In der AfD ist aufmerksam registriert worden, dass die Linksfraktionschefin gesagt hatte, es sei "weltfremd", dass jeder nach Deutschland kommen und Anspruch auf die hier üblichen Sozialleistungen haben könne.
Höcke hat mit seiner "Partei des sozialen Friedens" Großes vor. Das Ziel der "historischen Erfolgsmission" müsse sein, "den ersten blauen Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland zu stellen". In Brandenburg war die AfD in der letzten Umfrage nur knapp hinter CDU und SPD gelandet, in Sachsen auf Rang zwei hinter der CDU. "Werden wir die einzige relevante Volkspartei in Deutschland", ruft Höcke. Doch Begeisterungsstürme löst selbst das nicht aus.
Das bleibt der ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach vorbehalten, deren Desiderius-Erasmus-Stiftung nun eine parteinahe Stiftung der AfD ist. "Kopftuchmädchen" und andere Kampfbegriffe, mit denen die AfD im Bundestag Kritik auf sich zieht, fehlen in Augsburg weitgehend. Als die Delegierten am späten Samstagabend nach stundenlangen Debatten ermattet die Halle verlassen, kommt die Putzkolonne. Die meisten der Frauen, die jetzt AfD-Broschüren und Pappteller von den Tischen räumen, tragen Kopftuch.
- dpa