Nach Parteiaustritt Diesen Plan verfolgt der Grüne-Jugend-Vorstand jetzt
Bei den Grünen kommt es Schlag auf Schlag. Jetzt ist auch der Vorstand der Nachwuchsorganisation zurückgetreten – und kündigt große Pläne an.
Der Vorstand der Grünen Jugend verlässt aus Unzufriedenheit mit der Politik der Grünen die Partei und will eine eigene linke Bewegung gründen. Es brauche eine "politische Kraft, die dafür kämpft, die Wirtschaft endlich in den Dienst der Menschen zu stellen" und sich um ihre Sorgen kümmere, heißt es in einer Erklärung, die der zehnköpfige Vorstand der Nachwuchsorganisation am Donnerstagmorgen veröffentlichte.
Die Vorsitzende Svenja Appuhn sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Vorstandmitglieder hätten die Partei jeweils über ihren Austritt informiert. Sie erklärte: "Jahrelang haben wir versucht, die Grünen zu einer sozialen Kraft zu machen, die Menschen wieder Hoffnung geben kann." Da in der Partei dafür aber wohl keine Mehrheit zu finden sei, habe man sich zu diesem Schritt entschlossen. Die Co-Vorsitzende, Katharina Stolla, sprach von einem Entfremdungsprozess und sagte: "Es ergibt dauerhaft keinen Sinn, linke Opposition zu einer Politik zu sein, die die eigene Partei mitträgt."
Entscheidung bereits vor Rücktrittsankündigung der Parteispitze
In einer gemeinsamen Erklärung betonten die scheidenden Vorstandsmitglieder, sie hätten ihre Entscheidung bereits vor der am Mittwoch bekannt gegebenen Rücktrittsankündigung des Bundesvorstands der Grünen unter den Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang getroffen. In der Erklärung heißt es weiter: "Wer sich weigert, die Reichen zur Kasse zu bitten, lässt im Ergebnis die breite Bevölkerung bezahlen."
Das sei vor allem beim Klimaschutz der Fall. Der Bundesvorstand der Grünen Jugend kritisierte außerdem die von der Ampelkoalition beschlossenen Asylrechtsverschärfungen. Die Grünen würden "immer mehr zu einer Partei wie alle anderen", kritisierten sie. Zudem kritisierten sie den fehlenden Einsatz für soziale Gerechtigkeit.
"Gerade jetzt braucht es die Grüne Jugend"
Der Schritt gab auch Anlass zu Kritik. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Karoline Otte war früher auch Grüne-Jugend-Mitglied und sagte t-online: "Ich verstehe den Frust und den muss die Partei und insbesondere Robert [Habeck] viel ernster nehmen, als bisher geschehen. Ich verstehe aber nicht den Weg." Die Partei benötige einen progressiven Jugendverband, "der eng dran ist und den Neuaufstellungsprozess begleitet".
Kritik äußerte auch die frühere Grüne-Jugend-Chefin und jetzige Bundestagsabgeordnete, Jamila Schäfer. Sie bezeichnete die Austritte als "bedauerlich": "Ich verstehe den Frust, aber nicht den Weg. Es braucht gerade jetzt eine selbstbewusste Grüne Jugend, die sich in die Debatten in der Partei einmischt", schrieb Schäfer im Onlinedienst X. Ähnlich äußerte sich der ehemalige Vorsitzende Timon Dzienus. Er verstehe die Kritik an der Ampelkoalition und der Partei, schrieb er auf X. "Aber gerade jetzt braucht es die Grüne Jugend", argumentierte er.
Boris Palmer ätzt gegen Grüne Jugend
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der auf Drängen der Grünen-Spitze 2023 aus der Partei ausgetreten war, zeigte sich nach dem Schritt hoffnungsvoll. "Ich halte das für einen historisch richtigen Schritt, der mir für Grün große Hoffnung macht", schrieb er auf Facebook. Seine alte Partei habe im vergangenen Jahrzehnt eine "feindliche Übernahme von Innen" erlebt. "Wer Politik gegen die Wirtschaft und mit Marx' Theorien machen will, ist bei einer grünen Partei einfach völlig falsch aufgehoben."
Die Klimafrage sei wichtiger als der Klassenkampf. Deshalb befürworte Palmer es, "wenn jugendliche Klassenkämpfer ein eigenes Projekt aufmachen und das grüne Projekt von ideologischem Ballast befreien".
Renate Künast : "Wir wollen es jetzt anders aufbauen"
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast sieht den Schritt gelassen. "Da wundere ich mich nicht und da weine ich auch nicht", sagte sie dem RBB-Inforadio. Für ihre Begriffe sei der Vorstand der Grünen Jugend "nicht realitätstauglich" gewesen und habe "einen Klassensystem-Sozialismus aufbauen" wollen. "Ich glaube, dass es viele junge Menschen in und um die Partei herum gibt, die sich jetzt vielleicht freier engagieren können bei den Grünen", sagte die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin und Fraktionschefin Künast. "Wir wollen es mit Verve jetzt anders aufbauen."
Der Bundesvorstand der Grünen Jugend war erst knapp ein Jahr im Amt. Die Chefinnen Appuhn und Stolla kritisierten in dieser Zeit die Politik der Grünen in der Regierung immer wieder sehr deutlich. Nun ziehen sie offenbar die Konsequenzen aus den fundamentalen Differenzen über den richtigen Kurs. Der Bundesvorstand des Jugendverbands besteht neben Stolla und Appuhn aus acht weiteren Personen.
Unter dem Slogan "Zeit für was Neues" werben die jungen Aussteigerinnen und Aussteiger, zu denen auch die frühere Bundesvorsitzende der Grünen Jugend, Sarah Lee Heinrich, gehört, für ihr neues Projekt. In ihrer Austrittserklärung heißt es: "Wir wollen dazu beitragen, dass es bald eine starke linke Partei in Deutschland geben kann." Es solle eine Partei werden, die nicht so sei wie alle anderen. Laut der Stellungnahme schließen sich jetzt auch andere ehemalige und langjährige Mitglieder der Grünen Jugend der neuen Bewegung an.
- Nachrichtenagentur dpa
- zeitfuerwasneues2024.de: "Es braucht etwas Neues"