Reaktionen auf Rundfunkgebühren "Schallende Ohrfeige für Populisten"
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schlägt Wellen, da der Rundfunkbeitrag erhöht wird. Aus der Politik kommen unterschiedliche Reaktionen. Die Sender freuen sich über das Urteil.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro angeordnet. Das Land Sachsen-Anhalt hatte die Erhöhung um 86 Cent blockiert, die Karlsruher Richter werteten dies als eine Verletzung der im Grundgesetz festgeschriebenen Rundfunkfreiheit. Die Sender ARD, ZDF und Deutschlandradio hatten Verfassungsbeschwerden eingereicht. Reaktionen auf die Entscheidung:
Nach dem Rundfunkgebührenurteil dringt die Landesregierung von Sachsen-Anhalt auf grundlegende Reformen bei der Finanzbedarfsermittlung der öffentlichen Sender. Seine Regierung akzeptiere den Beschluss, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in Magdeburg. Es bleibe aber auch danach bei einer "Dilemmasituation". Es werde auch künftig zu Situationen kommen, in denen "frei gewählte Abgeordnete" in Landtagen geplanten Gebührenerhöhungen nicht zustimmen wollen.
Leider enthalte der aktuelle Beschluss des Verfassungsgerichts keinen "Innovationshinweis" zur Lösung dieses bereits seit Langem bekannten Grundproblems, ergänzte Haseloff vor Journalisten. Die Richter hätten darin im Wesentlichen die Linie fortgeschrieben, die sie in zahlreichen vorherigen Urteilen zu Rundfunkgebühren und öffentlich-rechtlichem Rundfunk bereits vertreten hätten.
Verfahren habe sich "unter dem Strich gelohnt"
Der Regierungschef betonte weiter, die Akzeptanz der Bürger und der von ihnen gewählten Parlamente sei für alle Entscheidungen zu den Sendern von entscheidender Bedeutung. Künftig müssten daher Verfahren gefunden werden, die das sicherstellten. Die Diskussion um das Vorgehen seines Landes in der Frage der Gebührenerhöhung und das aktuelle Urteil aus Karlsruhe hätten diesen Prozess bereits gefördert. Das Verfahren habe sich "unter dem Strich gelohnt".
Die Linke in Sachsen-Anhalt warf der geschäftsführenden Landesregierung verfassungswidriges Verhalten vor. "Das heute veröffentlichte Urteil ist eine deutliche Ohrfeige für die immer noch geschäftsführende Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt", teilte Linken-Fraktionschefin Eva von Angern mit. "Das Urteil macht noch einmal deutlich, dass hier sehenden Auges Verfassungsbruch durch die Koalition aus CDU, SPD und Grünen begangen wurde, nur um den Leuten vorzugaukeln, dass eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 86 Cent verhindert werden könnte." Leidtragende seien nun die Beitragszahler.
Grüne in Sachsen-Anhalt kritisieren CDU für offene "Tore nach rechts"
Die Grünen in Sachsen-Anhalt kritisierten die dortige CDU, gegen die Verfassung zu agieren. Grünen-Landtagsfraktionschefin Cornelia Lüddemann erklärte in Magdeburg, die CDU habe "den Rundfunkanstalten, aber auch dem Land Sachsen-Anhalt mit ihrem unverantwortlichen und eigenmächtigen Handeln, die Anpassung des Rundfunkbeitrags abzulehnen, immens geschadet". Die CDU habe "in Richtung AfD geschielt und Tore nach rechts geöffnet".
Lüddemann warf der Partei von Ministerpräsident Reiner Haseloff vor, mit ihrem nun von Karlsruhe wieder einkassierten Veto gegen die Rundfunkerhöhung den Menschen etwas vorgemacht zu haben. Die Regierungspartei habe suggeriert, dass ihr Veto zu Reformen führen würde. Substanzielle Reformen gebe es aber nur, wenn die Staatskanzleien und die Landtage selbst die Grundlage für langfristige Einsparungen über geänderte Staatsverträge auf den Weg brächten.
Die sachsen-anhaltischen Grünen befürworten solche Sparreformen. "Wir stehen für einen solchen Reformprozess bereit", erklärte die medienpolitische Sprecherin Dorothea Frederking.
DJV und Verdi sprechen von "dringend notwendiger Klarstellung"
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) und die Gewerkschaft Verdi begrüßten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für eine Erhöhung der Rundfunkgebühren. Es handle sich um ein "gutes Zeichen für den Qualitätsjournalismus bei ARD, ZDF und Deutschlandradio", erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall am Donnerstag in Köln. Für Populisten, die über die Finanzierung Einfluss auf Programminhalte nehmen wollten, sei die Entscheidung hingegen eine "schallende Ohrfeige".
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Das für die Medien zuständige Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz wertete das Urteil als "dringend notwendige Klarstellung". Damit sei ein "verfassungsrechtlich nicht zulässiger staatlicher Eingriff in den grundgesetzlich geschützten freien Rundfunk abgewehrt" worden.
Die Länder hätten nicht über das Programm zu entscheiden, sondern die Beitragserhöhung sicherzustellen, die von ihrer gemeinsam berufenen unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten empfohlen werde. "Parteipolitischen Winkelzügen wie dem der CDU in Sachsen-Anhalt schiebt das Urteil einen höchstrichterlichen Riegel vor", erklärte Schmitz.
ZDF: Sender können jetzt "verlässlich planen"
Der DJV-Vorsitzende Überall appellierte an die öffentlich-rechtlichen Sender, bereits eingeleitete und möglicherweise geplante Sparmaßnahmen zulasten der Programmangebote ad acta zu legen. "Es gibt jetzt keinen Grund mehr, an der journalistischen Qualität der öffentlich-rechtlichen Angebote zu sparen."
Auch das ZDF befürwortete den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. "Der klare Beschluss der Karlsruher Richter bestätigt und stärkt die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks", erklärte Intendant Thomas Bellut. "Damit kann das ZDF für die kommenden Jahre verlässlich planen und dem Publikum weiter ein hochwertiges Programm bieten." Der Mainzer Sender will mit der ARD, dem Deutschlandradio und dem Beitragsservice die Umsetzung des Gerichtsbeschlusses vorbereiten.
Scharfe Kritik von der AfD
Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue bezeichnete die Erhöhung des Rundfunkbeitrags als "bedeutende Entscheidung für die Rundfunkfreiheit in unserem Land". "Das Bundesverfassungsgericht hat in beeindruckender Deutlichkeit den Wert eines staatsfern organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks betont", erklärte Raue. Medienpolitische Erwägungen und Finanzierungsfragen dürften nicht verknüpft werden.
Zukunftsweisend sei der Karlsruher Beschluss mit Blick auf das künftige Beitragsverfahren, sagte Raue: "Erstmals wird in dieser Deutlichkeit die föderale Verantwortungsgemeinschaft angesprochen, in der jedes Land 'Mitverantwortungsträger' ist." Ein Alleingang wie in Sachsen-Anhalt sei nicht zulässig. Für das Deutschlandradio bedeute der Gerichtsbeschluss "endlich Planungssicherheit".
Die AfD übte hingegen harsche Kritik an der Entscheidung. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist zutiefst undemokratisch, weil es die Mitbestimmung der Länder bei der Festsetzung des Beitrages aushebelt", sagte der Parteivorsitzende Tino Chrupalla. Es sei Zeit für die Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in ein Bezahlmodell. "Jeder Bürger soll frei entscheiden können, ob er das Programm ganz oder teilweise abonnieren will", sagte Chrupalla, der gemeinsam mit Alice Weidel das Spitzenduo der AfD für die Bundestagswahl bildet.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP