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Pflege-Azubi Alexander Jorde: Warum ich gerade jetzt in die SPD eingetreten bin


Interview
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Pflege-Azubi Alexander Jorde
Warum ich gerade jetzt in die SPD eingetreten bin

InterviewEin Interview von Helena Serbent

02.11.2018Lesedauer: 6 Min.
Alexander Jorde: 2017 erlangte er durch den Auftritt in mehreren Talkshows Bekanntheit.Vergrößern des Bildes
Alexander Jorde: 2017 erlangte er durch den Auftritt in mehreren Talkshows Bekanntheit. (Quelle: Metodi Popow/imago-images-bilder)
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Hartz IV, Rente und Pflege: Mit vielen SPD-Projekten ist Alexander Jorde nicht einverstanden. Dennoch ist er nun Parteimitglied geworden – aus Überzeugung. Wie passt das zusammen? Wir haben mit ihm gesprochen.

Alexander Jorde, 22, aus Hildesheim ist Deutschlands bekanntester Pflege-Azubi. Der Mann, der 2017 Angela Merkel in der Wahlarena mit dem Pflegenotstand konfrontierte, geht auf Twitter auch mit SPD-Größen hart ins Gericht. Umso überraschender ist sein neuester Schritt. Seit kurzem ist Jorde Mitglied in der zuletzt arg gebeutelten SPD.

Im Interview mit t-online.de erzählt er, was die Sozialdemokraten in den letzten Jahren falsch gemacht haben – und warum er trotzdem an ihre Zukunft glaubt.

t-online.de: Herr Jorde, die Menschen wenden sich in Scharen von der SPD ab. Sie sind am 22. Oktober in die Partei eingetreten. Warum?

Alexander Jorde: Auch, wenn sie gerade einen schlechten Stand hat und viele denken, da sollte ich gerade nicht eintreten: Ich glaube, dass die SPD es am ehesten schafft, die Gesellschaft zu verbinden. Um so eher Parteien am Rand stehen, um so mehr spalten sie auch die Gesellschaft mit ihren Positionen. Da habe ich zu oft dieses "Die gegen uns"-Gefühl. Das habe ich bei der SPD nicht.

Auf Twitter haben Sie geschrieben, der Parteieintritt sei ein Schritt aus Überzeugung. Welche ist das?

Eine Gesellschaft sollte eine solidarische sein. Jeder sollte wissen, dass er, wenn er einmal in eine Notlage gerät, von einem sicheren Netz aufgefangen wird. Dieses Netz gibt es zwar, aber es ist zu grobmaschig, weist auch einige Löcher auf und daran ist die SPD nicht unbeteiligt, wenn es zum Beispiel um Hartz IV, Rente und Pflege geht. Aber ich glaube, wenn es um die Grundkonzeption einer Partei geht, kann die SPD dieses Ziel, ein sicheres Netz für alle Menschen zu schaffen, am ehesten erreichen. Dafür muss sich natürlich einiges ändern.

Sie sind durchaus kritisch mit der SPD. Frau Cheblis Äußerungen auf Twitter, dass Schröder ihr Held sei, konnten sie nicht teilen. Wie passt das zusammen, dass sie jetzt in die Partei von Herrn Schröder eingetreten sind?

Ich bin nicht in die Partei von Herrn Schröder eingetreten. Ich bin in die SPD eingetreten. Die Partei gehört nicht einer einzigen Person, sondern sie besteht aus ihren Mitgliedern. Wenn ich an die SPD denke, dann denke ich an die sozialen Kernthemen einer Gesellschaft. Meine Vorbilder gehen da eher Richtung Willy Brandt und Helmut Schmidt als Richtung Gerhard Schröder. Die aktuelle Lage der SPD ist verknüpft mit Schröders zum Teil neoliberalen Agenda. So jemanden als Held zu bezeichnen, halte ich für schwierig.


Was hat die SPD in den letzten Jahren nach Schröder falsch gemacht?

Ich finde es etwas abgehoben, als Person, die erst vor wenigen Tagen in die Partei eingetreten ist, zu analysieren, was sie falsch gemacht hat. Aber was aus meiner ganz persönlichen Sicht beispielsweise falsch war: Dass man im Wahlkampf oft richtig analysiert hat, die Dinge aber dann nur beschreibt. Hartz IV ist ungerecht, der Mindestlohn ist zu niedrig. In der Pflege gibt es Missstände, es gibt zu wenig Kitaplätze. Die Mieten sind zu hoch. Das trifft komplett zu. Aber dann fehlten mir zu oft die klaren Konzepte.

Was hätten Sie denn gemacht?

Ich hätte gesagt: Wir haben jetzt einen Kanzlerkandidaten aufgestellt. Jetzt stellen wir unser Programm vor. Dann jede Woche ein Kernthema nehmen, sagen, was schief läuft und wie wir es besser machen können. Beispiel Krankenversicherung. Unser Konzept: Bürgerversicherung. Das Wort wurde auch auch immer wieder eingeworfen. Aber viele wussten nicht, was da eigentlich hinter steckt. Das hätte man konkret erklären müssen. Genauso beim Steuerrecht. Das müsste endlich gerechter gestaltet werden und verhindern, dass die Gesellschaft immer weiter auseinander driftet. Den Menschen fehlt einfach das Vertrauen in die SPD, weil sie 40 Stunden die Woche arbeiten und nicht mal in den Urlaub fahren können und nach 40 Jahren Arbeit nicht mal mehr die Miete in der Stadt bezahlen können. Und ihnen dann das Gefühl fehlt, dass da eine Partei ist, die dafür kämpft, genau das zu verbessern.

Können Sie sich vorstellen einen aktiven Posten zu bekleiden?

Erstmal bin ich noch bis zum nächsten Jahr in der Ausbildung. Für mich ist es wichtig auf festen Füßen zu stehen. Natürlich möchte ich mich aktiv einbringen. Ich bin nicht nur Parteimitglied geworden, um Beiträge zu zahlen. Das heißt aber nicht, dass ich nach einem halben Jahr sage: So Leute, ich war ein paar Mal in einer Talkshow, ich muss jetzt hier einen Posten bekommen. Aber es gibt ein paar Themen, zu denen ich einen persönlichen Bezug habe und die mich sehr bewegen: Pflege und Gesundheit, da möchte ich mich natürlich in einer Arbeitsgruppe einbringen. Ich möchte auch dazu beitragen, diese Partei ein Stück weit da hin zu bringen, wo ich und viele in der Basis sie sehen.

Wie geht die SPD mit neuen Basismitgiedern wie Ihnen um? Haben junge Leute die Chance, da mitzuwirken?

Das kann ich ganz schlecht sagen, weil bei mir ja eine Ausnahmesituation besteht. Ich bin in politischen Kreisen ein bisschen bekannter, durch Veranstaltungen mit unterschiedlichsten Personen in der Politik. Was tatsächlich ein Problem ist – nicht nur in der SPD – ist junge Menschen für Politik zu begeistern. In meinem Alter macht man sich am wenigsten Sorgen. Die Leute sind im relativen Wohlstand aufgewachsen, kennen Probleme mit Pflege und Kitas eher nicht. Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind, denken am wenigsten daran, sich politisch zu engagieren. Und diejenigen, die betroffen sind von Missständen, haben oft nicht die Energie und die Mittel sich politisch einzubringen. Vor allem junge Menschen vergessen zunehmend, in vielen Ländern weltweit, welchen Wert die Demokratie hat und dafür muss man sie wieder begeistern.


In welchem Moment haben sie beschlossen: Ich trete jetzt in die SPD ein?

Die Idee, dass ich irgendwann mal in eine Partei eintreten werde, war schon vor Jahren da, als ich angefangen habe, mich für Politik zu interessieren. Aber ich habe lange erst einmal beobachtet, um zu verstehen, wie welche Partei funktioniert und welche Positionen sie vertreten. Nach der Wahlarena wollte ich zunächst warten mit einem Beitritt, weil ich für das Thema Pflege sprechen konnte. Und nach wie vor ist das auch eines meiner Kernanliegen, aber irgendwann muss man auch mal selbst etwas zur Veränderung beitragen. Der aktive Beschluss, jetzt in die SPD einzutreten, kam, als eine Wahlumfrage die SPD bei 14 Prozent sah. Dann konnte ich nicht mehr von außen einfach nur zusehen.

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Glauben Sie, dass ein Mann wie Kevin Kühnert ein geeigneter Kandidat für die SPD-Spitze wäre?

Das kann ich nicht beurteilen, weil ich seine Ansichten nicht so detailliert kenne. Was ich aber in dem Zusammenhang problematisch finde, ist das, wenn man an die SPD und an junge Menschen denkt, fast nur der Name Kevin Kühnert fällt. Zwischen 25 und 35 klafft da personell ein Riesenloch.

Sollte die SPD in der Groko bleiben?

Das ist eine schwierige Frage. Zum einen glaube ich aus SPD-Sicht, dass sie weder personell noch inhaltlich für eine neue Wahl bereit wäre. Es fehlen Konzepte, die begeistern können. Meine Angst ist, dass sie aussteigen, bevor wichtige soziale Themen durchgebracht sind. Deswegen sage ich, es wäre eher besser, die ziehen das jetzt durch, konzentrieren sich auf die sachliche Arbeit und entwickeln daneben einen Plan für die Zukunft. Danach können sie zeigen, was sie gegen die Union durchsetzen konnten. Dann hat man eine Chance. In Niedersachsen hat Stephan Weil nach der Bundestagswahl mit der SPD 37 Prozent geholt. Da kann man sehen, dass die SPD Wähler mobilisieren kann, wenn sie sich klar von der CDU abgrenzt. Ich glaube, dass wäre der beste Weg.

Herr Jorde, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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