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Seehofer, Söder und Co.: Kränkung der Politiker wendet Deutschland ins Rechte


Seehofer, Söder und Co.
Die Kränkung der Politiker wendet Deutschland ins Rechte

MeinungEin Kommentar von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 08.08.2018Lesedauer: 4 Min.
Horst Seehofer (CSU): Seine Partei ist weit von einer absoluten Mehrheit entfernt.Vergrößern des Bildes
Horst Seehofer (CSU): Seine Partei ist weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. (Quelle: Ipon/imago-images-bilder)
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Der Wettbewerb in der Politik ist brutal. Demütigungen führen bei Politikern wie Seehofer zu einer Kränkung. Von dieser profitiert einzig die AfD, die Deutschland einen Rechtsruck gibt.

Ich habe mir noch mal das Sonntagsinterview mit Horst Seehofer angeschaut, weil es eine Geschichte erzählt, seine Geschichte. Er ist ruhig, gefasst, er spricht bedächtig, wie es einem älteren Herrn geziemt. Alles unter Kontrolle, alles gut, will er uns sagen.

Manchmal ist es ratsam, das Gehörte ins Gegenteil zu verkehren. Im Privatleben machen wir das intuitiv, weil wir unsere Pappenheimer kennen. In der öffentlichen Sphäre sollten wir aber auch unseren gesunden Menschenverstand walten lassen, vor allem dann, wenn wir die Handelnden in- und auswendig kennen.

Seehofer – eine gekränkte Seele

Nichts ist unter Kontrolle, nichts ist gut. Die CSU ist weit von der absoluten Mehrheit entfernt. Söder und Seehofer werden im Herbst gemeinsam dafür verantwortlich gemacht werden, egal ob ihre Partei unter oder über 40 Prozent landet. Das Beste liegt hinter ihr. Die Mühsal liegt vor ihr. Und je länger der Vorsitzende und der Ministerpräsident so tun, als ob die Vergangenheit nicht vergangen ist, desto schmerzhafter wird der Absturz in die Gegenwart ausfallen.


Gekränkte Seelen wollen uns immer das Gegenteil ihrer inneren Verfassung weismachen. Unser Horst ist in kurzer Zeit gleich mehrmals schwer gedemütigt worden. Er wäre liebend gerne Ministerpräsident in München geblieben. Seine Technik der Andeutungen, der Halbsätze, des heute-so-und-morgen-ganz-anders, das Ausspielen der kleineren Machtmenschen gegeneinander, das Vergnügen am Ungefähren und Unberechenbaren konnte er in diesem Amt lange Zeit ungestraft entfalten.

Seehofer hat sich zur Witzblattfigur gemacht

Bis es vorbei war. Bis er nach Berlin musste. Bis keiner mehr verstand, was er eigentlich wollte. Bis er es selber nicht mehr wusste, was er wollen sollte. Dabei hat er sich keineswegs verändert. Niemand verändert sich mit 69 Jahren noch groß. Er ist noch mehr so, wie er es immer war und gerne sein mochte, ein großes Rätsel. Die größte Kränkung für einen Machtmenschen ist die Einsicht, dass er sich zur Witzblattfigur gemacht hat.

Politik ist der Teil der Wirklichkeit, in dem Menschen fast ständig Kränkungen erleiden. Weder in der Wirtschaft noch in der Kultur ist der Wettbewerb ähnlich brutal, auch menschenverachtend wie in Parteien oder Regierungsämtern. Nirgendwo ist die Rivalität so roh, so kompromisslos, so auf Verdrängung ausgerichtet, so würdelos. Was du bist, will ich sein. Mir gebührt, was du hast. Was kann ich dir anhängen? Wie kann ich eine Mehrheit gegen dich organisieren?

Kollektive Kränkung wendet Deutschland ins Rechte

Glück ist in der Politik nur ganz kurz zu haben. Ich werde nie vergessen, wie Helmut Kohl beseligt die Hand zum Schwur hob, als er im Oktober 1982 als Bundeskanzler vereidigt wurde. Oder das Partylachen von Gerhard Schröder und Joschka Fischer im Herbst 1998, als sie die Wahl gewonnen hatten. Die Härte des Alltags überwältigte jeden von ihnen ganz schnell. Die Kränkungen trieben ihnen den Hedonismus aus, dem Helmut, dem Gerd, dem Joschka. Die Kränkungen kamen aus den Medien, aus ihren Parteien, bei den Wahlen.

Heute sind nicht nur einzelne Amtsträger gekränkt. Vermutlich versteht man die Wendung des Landes ins Rechte am besten aus kollektiver Kränkung. Ganze Bevölkerungsgruppen reagierten so auf Großereignisse wie die Ankunft von einer Million Flüchtlingen 2015. Was sich als Kontrollverlust des Staates ins Gedächtnis einbrannte, wiederholte sich in der Silvesternacht in Köln und beim G20-Gipfel in Hamburg. Die Quittung folgt nach und nach, demnächst in Bayern und Hessen. Politik ist die Sphäre der Vergeltung, der Rache, der Entkränkung.

AfD ist der Nutznießer der Verhältnisse

Das Produkt der Wut ist die AfD, die sich als Opfer der Verhältnisse inszeniert, als Partei der Gekränkten, die alle gegen sich hat: die anderen Parteien, die Medien, die Elite, die linksliberalen Intellektuellen. Auch hier lohnt es sich das Gegenteil zu denken: Die AfD ist nicht das Opfer, sondern der Nutznießer der Verhältnisse. Die Hilflosigkeit und Haltlosigkeit in München und Berlin treibt ihr die Wähler zu. Die Goldtaler fallen ihr in den Schoß, sie muss nur die Schürze aufhalten.

Kränkungen können Antrieb sein oder lähmen. Markus Söder versuchte den Ausbruch in Aggressivität: Kreuze allüberall, Flüchtlinge raus und weg. Brachte nichts, wie die Demoskopen vorrechneten. Die SPD unter ihrer nicht mehr so neuen Vorsitzenden ist in Reinkultur gelähmt. Andrea Nahles scheint rein gar nichts einzufallen, was den freien Fall der ältesten deutschen Partei aufhalten könnte. In ihrer Not flüchtet sie in eine Kinder-was-soll-der-Scheiß-Prollsprache. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich heftige Kritik an ihr rührt und sei es, dass sie von gekränkten Vorgängern wie dem unnachahmlichen Sigmar Gabriel kommt und nicht nur von ehemaligen Provinzfürsten wie Heinz Buschkowsky. Die Zeit kommt spätestens nach den Wahlen in Hamburg und Hessen.


Am wenigsten merken wir der Kanzlerin an, was ihr die Serie an Infragestellungen angetan haben mag. Sie lässt sich nicht ins Herz schauen. Sie bewahrt auch in ihrer schwächsten Phase ihren Gleichmut, eine große Leistung. Vielleicht hat sie einen inneren Schonraum, den sie frei von zerstörerischen Kränkungen halten kann. Vielleicht ist es ihr Stolz, der sie vor Selbstverlust bewahrt, der die Folge andauernder Demütigungen ist.

Damit wäre sie die denkwürdige Ausnahme in der großen Runde gekränkter Seelen.

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