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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Seehofer im Sommerinterview Ohne Aussicht auf Vernunft
Im Sommer spaltete er die Union und die CSU ist seitdem im Umfragetief: Fehler will sich Horst Seehofer trotzdem nicht eingestehen. Stattdessen stichelt er im ARD-Sommerinterview erneut gegen die Kanzlerin.
Es ist so eine Sache mit Fehlern in der Politik. Räumt ein Politiker Fehler ein, muss er die Konsequenzen tragen, im schlimmsten Fall droht dann der Rücktritt. Dies weiß auch Innenminister Horst Seehofer. "Ich bin sehr sensibel, wenn es um Fehler in der Politik geht", sagt der CSU-Vorsitzende im ARD-Sommerinterview. "Wenn einem ein Fehler unterläuft, muss man diesen in der Öffentlichkeit einräumen und akzeptieren."
Diese Worte stammen von eben dem Horst Seehofer, der in den letzten Monaten eine Regierungskrise auslöste, fast für die Spaltung der Union sorgte und sogar öffentlich mit seinem Rücktritt kokettierte. Am Ende von all dem ist die Kanzlerin geschwächt, die Union auf Bundesebene und die CSU in Bayern standen in Umfragen noch nie so schlecht da und beim Lieblingsstreitthema Asyl sind die Positionen zwischen Bund, Ländern und den EU-Partnern immer noch verhärtet. Seehofers Fehler haben sich für die Union zu einem strategischen Fiasko addiert, persönliche Konsequenzen oder wenigstens Fehlereingeständnisse blieben bis heute aus.
CSU historisch schlecht
Und auch im ARD-Interview verteilt er die Verantwortung des politischen Scheiterns der letzten Monate auf den Koalitionspartner, die Kanzlerin und auf die Medien, die ihm, so Seehofer, "nicht richtig zuhören".
"Die CSU ist gut drauf und hoch motiviert", bekräftigt er gleich zu Beginn des Gesprächs. Schon an der Stelle wurde deutlich, dass hier etwas nicht stimmen kann. Zur Erinnerung: Die CSU steht in aktuellen Umfragen in Bayern bei 39 Prozent, dies wäre bei der Landtagswahl im Herbst ein historisch schlechtes Ergebnis. Die absolute Mehrheit, die die Partei als klares Ziel ausgegeben hatte, erscheint kaum noch erreichbar.
Die schlechten Umfragewerte resultieren auch aus dem Asylstreit. Seehofer wollte mithilfe einer härteren Gangart in der Asylpolitik der AfD rechts den Nährboden entziehen. Eine Strategie, die grandios fehlschlug: Die AfD steht in Bayern aktuell bei 13 Prozent, Tendenz steigend.
In der Migrationspolitik hat Seehofer sich dagegen in eine Sackgasse manövriert. Angesichts sinkender Flüchtlingszahlen ist die anhaltende Diskussion in der Intensität und Härte nur dem CSU-Machtspiel geschuldet. Mit Verweis auf den Koalitionsvertrag fordert er weiterhin Ankerzentren für Asylbewerber und nimmt Kanzlerin Angela Merkel und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles in die Pflicht, sich bei den Ländern für die Einrichtungen einzusetzen. "Der Koalitionsvertrag gilt", meint der Innenminister. "Und nun müssen die Parteivorsitzenden der anderen Parteien dafür sorgen, dass diese Ankerzentren auch durchgesetzt werden."
Der verlorene Machtkampf
Er spricht dabei mehrfach von Rechtsexperten, die sich in den Koalitionsverhandlungen auf Ankerzentren geeinigt hätten. Dies mag zutreffen, aber die Einrichtungen fanden nur auf Druck der CSU ihren Weg in die Programmatik der großen Koalition. In Seehofers CSU-Welt geht es schon lange nicht mehr um Sinnhaftigkeit des politischen Handelns, es geht um Gesichtswahrung. Das erinnert an die Debatte um die Einführung der Pkw-Maut für Ausländer, das letzte CSU-Herzensprojekt.
Seehofer hat mithilfe dieses Asylstreits die Konfrontation mit Merkel gesucht und hat am Ende den Machtkampf verloren. So war der ehrlichste Moment des Interviews, als Seehofer gefragt wurde, ob er sich bei den Ankerzentren mehr Unterstützung durch die Kanzlerin erhofft habe. "Ja", antwortet er reflexartig. Natürlich soll die Verantwortung für den Stillstand in der Asylpolitik nicht allein bei ihm liegen, deshalb die erneute Spitze gegen die Kanzlerin.
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In der ganzen Debatte vergisst der CSU-Chef außerdem eines: Politik sollte immer versuchen, bestehende Probleme zu lösen und dafür realisierbare Vorschläge zu präsentieren. Hier klafft bei Seehofer eine riesige Diskrepanz, die im Interview besonders beim nächsten Zankapfel, den Grenzkontrollen, deutlich wird. Auch hier ist der Innenminister in einer Sackgasse. Die Kanzlerin akzeptiert nur eine bilaterale Lösung. Forciert Seehofer einen nationalen Alleingang und verstößt somit gegen Merkels Richtlinienkompetenz, wird er entlassen.
Komplizierte Verhandlungen mit EU-Partnern
Die Verhandlungen mit den anderen EU-Staaten, Seehofer erwähnt hier Griechenland und Italien, erweisen sich als schwierig bis unmöglich. Denn besonders die neue italienische Regierung, die jüngst die Häfen für Mittelmeerflüchtlinge schloss, wird keinem Deal zustimmen, der eine höhere Anzahl von Flüchtlingen für Italien bedeuten würde. Wie Seehofer richtig erkennt, erwarten diese Länder eine Gegenleistung. Oder anders: Deutschland soll Migranten aus diesen Ländern übernehmen. Nach zähen Verhandlungen droht also ein Nullsummenspiel, denn die Bundesregierung möchte auch nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen, als an der Grenze abgewiesen werden: "Das würde die deutsche Bevölkerung nicht verstehen", so Seehofer.
Wie sollen diese Punkte aus Seehofers Plänen also umgesetzt werden? Auch der Initiator des Asyl-"Masterplans" hat noch keinen Ausweg gefunden. "Ich möchte jetzt nicht über alle Details reden", sagt er zu einem möglichen Deal mit Griechenland und Italien.
Wackeliger Asylplan
Letztlich ist sein Sommerinterview ein Versuch, Verantwortung abzugeben: an die Kanzlerin, an die SPD, an die Länder und an die EU-Partner. So rechtfertigt er die Verwendung des Begriffs "Asyltourismus" damit, dass die EU ihn im Jahr 2008 selbst verwendet hätte. Er vergisst dabei, dass im Jahr 2008 die Flüchtlinge nicht aus dem Bürgerkriegsland Syrien nach Deutschland kamen, sondern es waren Menschen aus dem Irak, der Türkei, Vietnam oder dem Kosovo.
Diese Begrifflichkeiten außerhalb des jeweiligen Kontextes zu betrachten, ist ein gefährliches Spiel. Seehofers Auftritt bekräftigt, dass es für ihn in der Asylpolitik keinen Weg zurück gibt. Infolge des Machtkampfes baut er weiter an seinem Asylplan, der aufgrund der vielen Parteien und Interessen auf enorm wackeligem Fundament steht. Und scheitern am Ende die Verhandlungen, wird auch Seehofer die Verantwortung dafür tragen müssen. Gekostet hat es dann vor allem Zeit und eine Phase des Stillstands für ein ganzes Land.
- Eigene Recherchen