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Transitzentren: Warum der Asylkompromiss wenig bringt


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Warum der Asylkompromiss wenig bringt
Allein der Aufbau der Transitzentren würde Jahre dauern

  • Johannes Bebermeier
Analyse von Johannes Bebermeier und Jonas Schaible

03.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Horst Seehofer und Angela Merkel am Dienstag in der Fraktionssitzung: Sie haben sich geeinigt, es gibt noch eine Regierung. Doch was ist der Kompromiss in der Sache wert?Vergrößern des Bildes
Horst Seehofer und Angela Merkel am Dienstag in der Fraktionssitzung: Sie haben sich geeinigt, es gibt noch eine Regierung. Doch was ist der Kompromiss in der Sache wert? (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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Es gibt noch eine Regierung. Das ist die gute Nachricht des Kompromisses im Unionsstreit. Die schlechte: Der Kompromiss wird in der Sache nicht viel bringen – und Deutschland teuer zu stehen kommen.

Die Union hat sich zusammengerauft, ihren erbitterten Streit mit einem Kompromiss aufgelöst. In dessen Zentrum stehen sogenannte "Transitzentren". In diese Zentren an der deutsch-österreichischen Grenze sollen diejenigen Asylbewerber gebracht werden, die in einem anderen EU-Land registriert sind. Von dort sollen sie schnellstmöglich abgeschoben werden.

Der Kompromiss erfüllt die Kernforderungen von CDU und CSU. Horst Seehofer bestand darauf, an der Grenze zurückweisen zu dürfen. Angela Merkel bestand darauf, dass die Zurückweisungen nicht im Alleingang geschehen. Beides ist erfüllt – zumindest auf dem Papier.

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Doch damit ist nichts darüber gesagt, ob der Kompromiss in der Sache etwas ändert – ob dadurch also weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen, ob sie schneller abgeschoben werden oder schneller ins Land dürfen. Viel spricht dafür, dass er wenig bringt, erst in unbestimmter Zukunft überhaupt wirkt – und Deutschland teuer zu stehen kommt.

1. Die SPD muss zustimmen

Vor drei Jahren, als die Union schon einmal "Transitzentren" wollte, stellte sich die SPD quer. Diesmal scheint sie eher geneigt, sich darauf einzulassen. Aber innerhalb der SPD gibt es auch scharfe Kritiker. Stimmt die SPD als Koalitionspartner nicht zu, ist der Deal hinfällig.

2. Sie müssen erst mal gebaut werden

Es wird dauern, die Transitzentren einzurichten, ausgestattet etwa mit Bamf-Außenposten und Verwaltungsgerichtsstellen. Und es wird Geld kosten.

Zunächst müssen Standorte gefunden werden; die Bundesländer und Gemeinden müssen mitmachen. Baden-Württembergs Regierung hat schon wissen lassen, es werde keine Transitzentren errichten. Dann müssen Pläne entworfen und Gebäude gebaut werden. Man muss Personal finden, das bereit ist, irgendwo in Grenznähe zu arbeiten.

Noch ist auch nicht klar, ob diese Zentren nach aktuellem Recht eingerichtet werden könnten und ob sie mit höheren Rechtsnormen vereinbar sind. Gut möglich also, dass zunächst ein Gesetzgebungsprozess nötig wird (jetzt ist aber parlamentarische Sommerpause) und dass die Entscheidung danach durch viele Instanzen angefochten wird.

Selbst wenn jetzt alle Hebel in Bewegung gesetzt werden: Es werden mindestens Monate vergehen, bis Zentren arbeiten. Eher Jahre. Wenn sie überhaupt kommen.

3. Sie sind nur für manche Flüchtlinge zuständig

Die sogenannten Transitzentren sollen nur einen Bruchteil der Flüchtlinge, die nach Deutschland wollen, an der Einreise hindern; eben diejenigen, die in einem anderen EU-Land registriert sind.

18.350 Asylbewerber waren das einem Bericht zufolge dieses Jahr bis Mitte Juni. Zum Vergleich: Laut Flüchtlingsamt Bamf haben bis Ende Mai dieses Jahres insgesamt rund 68.370 Migranten das erste Mal in Deutschland einen Asylantrag gestellt.

4. Sie sollen nur an einer Grenze errichtet werden

Aber auch diese 18.350 wären nicht alle in einem Transitzentrum gelandet – denn die sollen nur an der Grenze zu Österreich entstehen. Und auch dort gibt es nur an drei Grenzübergängen von der EU genehmigte stationäre Grenzkontrollen.

Selbst wenn, was angedacht ist, die Schleierfahnung in Grenznähe ausgeweitet werden sollte, bleiben Dutzende Grenzübergänge zu Österreich, plus die grüne Grenze, um unbemerkt ins Land zu kommen. Oder Flüchtlinge reisen einfach über Österreich nach Tschechien und von dort nach Bayern oder Sachsen.

5. Es müssen erst Abkommen verhandelt werden

Zwar wird Deutschland nur nach Absprache mit anderen Ländern handeln, so haben es CDU und CSU beschlossen, aber sie setzen dabei voraus, dass die anderen Staaten mitmachen. Das muss aber nicht so kommen.

Im Kern bedeutet der Kompromiss eine Rückkehr zum Dublin-System. Das besagt, dass Asylbewerber ihr Verfahren in dem Land durchlaufen müssen, in dem sie erstmals die EU betreten haben. Das aber funktioniert seit Jahren nicht. Etwa weil Länder wie Griechenland und Italien so ständig die größte Last tragen, weil sie auf populären Fluchtrouten liegen, an der Außengrenze, nahe an Nicht-EU-Staaten wie Türkei und Libyen, und weil Migranten deshalb zwangsläufig dort als erstes ankommen.

Und: Weil Länder keinen Anreiz haben, Flüchtlinge zurückzunehmen. Experte Gerald Knaus, der als Vordenker des Migrationsabkommens mit der Türkei gilt, schrieb auf Twitter: "Dublintransfers in EU-Grenzstaaten haben nie funktioniert, aus vielen Gründen und aus allen (!) EU-Staaten."

Auch jetzt spricht nichts dafür, dass die Staaten die Migranten ohne Weiteres zurücknehmen. Österreich drohte direkt damit, in diesem Fall seine Grenzen im Süden abzuriegeln. Für Italien hieße das, es wäre wieder, wie vor 2015, für den Großteil der Flüchtlinge zuständig.

Italien könnte deshalb entscheiden, Asylbewerber einfach nicht mehr zu registrieren – damit es sie nicht zurücknehmen muss. Es wäre nicht das erste Mal. Das ist zwar nicht im Sinne der gemeinsamen Vereinbarungen – aber in einem System, in dem jeder auf seinen Eigennutz schaut, ist damit zu rechnen.

Flüchtlinge aber, die nirgends registriert sind, würden Stand jetzt nicht in die Transitzentren gebracht werden können.

6. Deutschland muss eine Gegenleistung bieten

Damit es also überhaupt Abkommen gibt, ohne die der Unionskompromiss in sich zusammenfällt, wird es Deals geben müssen. Österreich wird etwas dafür haben wollen, dass sie alle registrierten Migranten auch aus anderen EU-Ländern zurücknehmen, mit denen Deutschland (noch) kein eigenes Abkommen zur Rücknahme geschlossen hat. Auch Italien wird etwas haben wollen.

So funktioniert auch der von Gerald Knaus konzipierte EU-Türkei-Deal. Die Türkei verhindert, dass Migranten nach Griechenland übersetzen. Sie nimmt zudem diejenigen Migranten aus Griechenland zurück, die keinen Asylanspruch haben. Dafür nimmt die EU für jeden abgeschobenen Migranten einen syrischen Flüchtling aus der Türkei direkt auf. Und sie bekommt Geld, um die Flüchtlinge zu versorgen. Leistung und Gegenleistung.

Und so soll auch eines der wenigen neuen Abkommen funktionieren, das schon ansatzweise verhandelt ist: das mit Griechenland. Griechenland will die dort registrierten Flüchtlinge zurücknehmen – hat dafür jedoch die Zusage erhalten, dass Deutschland 2.900 Anträge auf Familienzusammenführung voranbringt und Hunderte weitere "auf positive Weise" prüft.

Das kann man gut finden, weil so Familien wieder vereint werden. Weniger Flüchtlinge kommen so jedoch nicht unbedingt nach Deutschland. Regierungschef Alexis Tsipras sagte selbst, eine solche Vereinbarung stelle für Athen "kein Problem" dar.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • dpa, AFP
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