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Friedrich Merz bei kleinem CDU-Parteitag: "Um uns herum wanken die Säulen"


Friedrich Merz
"Ich verstehe die Enttäuschung nur allzu gut"


28.04.2025 - 18:10 UhrLesedauer: 4 Min.
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Friedrich Merz: "Um uns herum wanken die Säulen." (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Die CDU versammelt sich hinter Friedrich Merz und dem Koalitionsvertrag. Der designierte Kanzler dämpft die Erwartungen an Schwarz-Rot – und wird trotzdem schnell Ergebnisse präsentieren müssen.

Es dauert eine Weile, aber am Ende kommt Friedrich Merz der Altkanzlerin Angela Merkel noch einmal ganz nahe. Zumindest rhetorisch. "Wir können das schaffen!", ruft der Bald-Kanzler ziemlich am Schluss seiner 45 Minuten langen Rede auf dem kleinen Parteitag der CDU in Berlin seinen Parteifreunden zu.

Das ist nicht ganz das Merkel'sche "Wir schaffen das", und soll es natürlich auch nicht sein. Merz will ein anderer Kanzler werden als seine ewige Gegnerin Merkel, das ist der eine Grund, ein eher persönlicher. Der andere Grund für die zurückhaltendere Wortwahl aber ist offenbar ein strategischer.

Friedrich Merz stapelt jetzt lieber tief. Noch mehr Enttäuschung ausgerechnet bei seinen Anhängern zu produzieren, das kann er sich nicht leisten. Er weiß das. Und versucht deshalb vorzubauen.

"Woher soll da die Euphorie kommen?"

Schon zu Beginn seiner Rede setzt Friedrich Merz diesen Ton. Neben "sehr viel Zustimmung" habe man auch "manche Kritik bekommen" für den Koalitionsvertrag, sagt Merz. "Es ist keine Euphorie." Das ist wohl eine korrekte Beschreibung der Stimmungslage – und ist gerade deshalb bemerkenswert für einen Mann, der bald zum Bundeskanzler gewählt werden will.

Der Vertrag sei "kein gesellschaftspolitisches Projekt", wie das früher schon mal der Fall gewesen sei, sagt Merz. Bei Rot-Grün zum Beispiel. Man habe die Zusammenarbeit mit der SPD nicht gesucht, sondern im Wahlkampf dafür gearbeitet, nicht miteinander regieren zu müssen. "Woher soll da die Euphorie kommen?"

Gerade bei der Schuldenbremse, sagt Merz, habe sich die Union "weit von unseren eigenen Positionen entfernen" müssen. "Und ich verstehe die Enttäuschung vieler Wähler in Deutschland nur allzu gut." Besonders die Kritik, bei den Schulden ihr Wort gebrochen zu haben, macht der Union derzeit schwer zu schaffen – jedenfalls haben viele in der Partei diesen Eindruck.

Die Lage in Europa, Donald Trump, und die Gefahr der politischen Handlungsunfähigkeit "ließen mir, ließen uns keine andere Wahl", begründet Merz seine Wende. Er habe dafür "einen hohen Kredit in Anspruch genommen". Und sagt: "Einen Kredit muss man zurückzahlen." Der Schritt müsse sich wenigstens in der Rückschau für die Mehrheit der Bürger als "notwendig und richtig erweisen".

"Um uns herum wanken die Säulen"

Die Euphorie: sehr gering. Die Probleme: sehr groß. Das ist der Zweiklang, mit dem Friedrich Merz in seiner Rede versucht, Erwartungsmanagement zu betreiben. Denn nicht nur bei seinen Anhängern, auch in der breiteren Bevölkerung ist die schwarz-rote Koalition schon außergewöhnlich unbeliebt, noch bevor sie nächste Woche überhaupt ins Amt gewählt wird.

Es gibt in der CDU deshalb eine Hoffnung, die fast defätistisch klingt: Die Erwartungen an die Regierung seien so gering, dass es jetzt nur noch bergauf gehen könne. Oder wie Generalsekretär Carsten Linnemann es an diesem Tag sagt: "Es ist meine feste Überzeugung, dass diese Bundesregierung positiv überraschen wird."

Friedrich Merz bemüht sich deshalb natürlich auch, die Verantwortung für die schwierige Lage etwas breiter zu verteilen. "Um uns herum wanken die Säulen, auf die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten so selbstverständlich vertraut haben", sagt er. Es sei jetzt eben auch keine Zeit für Euphorie.

Das Vertrauen in die Demokratie, sagt Merz, "ist so beschädigt wie nie in der Nachkriegsgeschichte". Die Wirtschaft falle zurück, die sozialen Sicherungssysteme seien nicht zukunftsfähig. Europa: bedroht. Zweifach sogar, durch einen "imperialistischen, autoritär geführten Krieg im Osten" gegen die Ukraine und durch "verunsicherte, ja geradezu radikalisierte Bürgerinnen und Bürger im Inland". Hinzu komme nun auch noch, dass "wir uns der transatlantischen Gemeinschaft im Geiste von Freiheit und regelbasierter Ordnung nicht mehr sicher sein können".

Neuer Ärger übers Personal

Es ist ein ziemliches Schlamassel, das Friedrich Merz da beschreibt. Und die Beschreibung stimmt ja. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der kleine Parteitag dem Koalitionsvertrag mit der SPD trotz aller Kompromisse mit großer Mehrheit zustimmt. Trotz des Ärgers über die Schuldenbremsen-Wende. Und trotz der neuen Enttäuschungen, die Merz schon am Vormittag in Teilen der Partei mit der Vorstellung der Ministerliste produziert hat.

Die Verteilung der Ministerposten ist für jede Partei eine heikle Angelegenheit, weil sich immer irgendwer übergangen fühlt. Das ist natürlich auch in der CDU so. Mit der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und dem Digitalminister Karsten Wildberger hat Merz gleich zwei der begehrten Posten an externe Leute aus der Wirtschaft vergeben. Und somit nicht an fleißige Parteifunktionäre.

Der große Landesverband Niedersachsen geht zudem bei den Ministerposten leer aus, was man dort nicht so toll findet, um es vorsichtig auszudrücken. Dass man unberücksichtigt bleibe, sei eine "Blamage", heißt es in der Landespartei, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Merz zeige damit, dass "er keine Ahnung von Politik, Partei und Proporz hat – oder dass ihm das alles sogar egal ist".

Der Arbeitnehmerflügel der CDU, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft CDA, ist mindestens genauso wütend. Er finde es "befremdlich und falsch", sagt CDA-Chef Dennis Radtke der "Süddeutschen Zeitung", "dass kein Vertreter der christlich-sozialen Wurzel unserer Partei Teil des Kabinetts ist – das hat es von Adenauer bis Merkel nie gegeben". Wer von Wahlergebnissen wie unter Helmut Kohl träume, müsse auch die Breite in der Partei zulassen, die damals "das große Plus der Union war".

Ein bisschen Euphorie zum Schluss

Auf dem kleinen Parteitag in Berlin ist von dieser Kritik dann aber nicht viel zu hören. Alle wissen wohl, dass Streit auf offener Bühne nicht das ist, was der CDU nun weiterhilft. Die sogenannte Aussprache, bei der die Delegierten ihre Meinung zum Koalitionsvertrag vortragen können, ist gute dreißig Minuten früher beendet als geplant. Die Frage, an der für Merz vieles hängt, lautet nur: Bleibt es so ruhig, wenn alle wieder zu Hause sind?

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In Berlin jedenfalls geht dann alles überraschend schnell, auch die offizielle Präsentation der Ministerinnen und Minister. So schnell, dass CDU-Chef Friedrich Merz schon zwei Stunden vor dem geplanten Ende sagen kann: "Wir machen uns jetzt an die Arbeit und wir zeigen, was diese Partei in der Regierung kann. Wir zeigen, dass dieses Kabinett erfolgreich sein wird."

Ein bisschen Euphorie ist an diesem Tag wohl doch erlaubt. Schwierig wird es wieder schnell genug.

Verwendete Quellen

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