Widerstand in Deutschland "Finger weg von Elon Musk"
Elon Musk nutzt seine Plattform, um demokratisch gewählte Politiker anzugreifen. In Deutschland werden Forderungen für die Regulierung von X lauter.
Elon Musk macht sich weiter für Rechtsradikale stark. Der neueste Aufreger: Musk sprach sich bei X für die Freilassung des britischen Rechtsradikalen Tommy Robinson aus. Gleichzeitig trat er in seinem Online-Netzwerk eine neue Hetzkampagne gegen die britische Labour-Regierung und Premierminister Keir Starmer los.
Musk warf Starmer vor, als früherer Chef der britischen Anklagebehörde Crown Prosecution Service (CPS) untätig im Kampf gegen kriminelle Ringe von Missbrauchstätern geblieben zu sein. Dutzende Männer, größtenteils mit pakistanischen Wurzeln, waren in dem Fall in Gerichtsprozessen verurteilt worden. Starmer, der die Behörde zwischen 2008 und 2013 leitete, hatte nach eigenen Angaben die Strafverfolgung des prominentesten Falls in Rochdale erst ins Rollen gebracht.
Der derzeit inhaftierte Robinson macht seit langer Zeit auf die Missbrauchsskandale in mehreren englischen Ortschaften und Städten aufmerksam. Er habe "die Wahrheit gesagt", so Musk und sei deshalb in Haft. "Free Tommy Robinson!", forderte der Tech-Milliardär. Er teilte auch Robinsons Account sowie weitere Beiträge, in denen der islamfeindliche Aktivist unter anderem als politischer Gefangener bezeichnet wird.
Selbst Nigel Farage distanzierte sich von Robinson
Robinson, der eigentlich Stephen Yaxley-Lennon heißt, war allerdings schon mehrfach im Visier der Strafverfolgungsbehörden. Unter anderem wurde er wegen Gewalt und Körperverletzung angeklagt. Er ist der bekannteste Rechtsextreme Großbritanniens und hat in der Vergangenheit zu migrantenfeindlichen Protesten in britischen Städten aufgerufen. Derzeit sitzt der 42-Jährige eine 18-monatige Haftstrafe wegen wiederholter Missachtung der Justiz ab: weil er trotz gerichtlicher Unterlassungsverfügung falsche Behauptungen über einen syrischen Geflüchteten verbreitete. Das Video ist weiterhin bei X verfügbar. Robinson hat auf der Plattform ein großes Publikum, ihm folgen über eine Million Menschen.
Selbst der rechtspopulistische Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage, dessen Partei Reform UK von Musk gelobt wird, hatte sich in der Vergangenheit deutlich von Robinson distanziert und ihm Nähe zu gewalttätigen Kriminellen vorgeworfen.
In Großbritannien sind wegen Musks wiederholter Angriffe auf Medien und Politik nun Diskussionen entbrannt. In Deutschland regt sich ebenfalls zunehmend Widerstand. Denn der milliardenschwere Unternehmer setzt seinen Feldzug gegen demokratisch gewählte Politiker auch hierzulande unverfroren fort. Jüngst hatte er mit einem öffentlichen Wahlaufruf für die AfD Aufsehen hervorgerufen. Zudem bezeichnete er Kanzler Olaf Scholz als "Trottel". Vor allem aber sein scharfer und persönlicher Angriff auf den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, den Musk als "antidemokratischer Tyrann" beschimpfte, löste im politischen Berlin parteiübergreifend Empörung aus.
"Finger weg von Elon Musk"
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Statt mit Anstand und Respekt zu handeln", greife Musk "den Bundespräsidenten billig und respektlos an, seine Äußerungen spiegeln eine Missachtung demokratischer Werte wider". Damit trete Musk "alle Umgangsformen unserer Demokratie mit Füßen". Solche Aussagen seien "nicht nur unangemessen, sondern auch Hetze". Die richtige Antwort darauf sei, "wählen zu gehen und ihm zu zeigen, dass nicht sein Geld, sondern die Menschen in unserem Land entscheiden". Es sei gut, "dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland das Sagen haben und nicht Tech-Milliardäre."
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der "SZ", man sollte "einige Diskussionen auf der Plattform X nicht mit dem verwechseln, was die allermeisten Menschen in unserem Land wirklich beschäftigt". Sie sei sich sicher, "dass die Äußerungen von Herrn Musk bei den allermeisten, die sich damit überhaupt beschäftigen, Kopfschütteln und Ablehnung hervorrufen." Klar sei aber auch: "Wenn der Bundespräsident unseres demokratischen Staates als antidemokratischer Tyrann bezeichnet wird, dann ist das nicht nur grober Unsinn, sondern auch eine Diffamierung, die man sehr klar zurückweisen muss."
Konstantin Kuhle, stellvertretender Fraktionschef der FDP, mahnte zu Abstand von Musk. "Wem an unserer liberalen Demokratie gelegen ist, der sollte sich von dem Mann möglichst fernhalten", sagte Kuhle dem "Stern". "Finger weg von Elon Musk." Den Wahlaufruf von Musk für die AfD bezeichnete Kuhle als wenig überraschend. "Nachdem Elon Musk im Vereinigten Königreich die rechtspopulistische Reform-Partei, früher UKIP, mit seinem Geld unterstützen wollte und dort rassistische Krawalle angeheizt hat, kann man davon nicht allzu überrascht sein", sagte der FDP-Politiker.
Musks Äußerungen "im Namen der neuen US-Regierung"?
Der SPD-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, Rolf Mützenich, warf Musk vor, mit seinen Äußerungen "eine Grenze zwischen befreundeten Staaten" zu überschreiten. Mützenich sagte dem "Spiegel", Steinmeier vertrete Deutschland völkerrechtlich. "Die verbalen Attacken auf den Bundespräsidenten zielen daher auf alle Bürgerinnen und Bürger."
Mützenich forderte die Bundesregierung auf, nach dem Amtsantritt von Trump im Januar zu klären, "ob die wiederholten Respektlosigkeiten, Diffamierungen und Einmischungen in den Wahlkampf auch im Namen der neuen US-Regierung geäußert wurden". Er gab zu bedenken, dass die "internationalen Herausforderungen nur in einem unbelasteten Verhältnis zwischen uns und den USA angegangen werden können".
Aus der Unionsfraktion hieß es am Mittwoch, man wundere sich sehr über den Angriff auf den Bundespräsidenten. Außerdem verwies man darauf, dass CDU-Chef Friedrich Merz bereits in der vergangenen Woche eine Wahlempfehlung Musks für die AfD scharf kritisiert habe.
Der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels CDA, Dennis Radtke, bezeichnete Musk als einen "politischen Brandstifter". "Ich halte Steinmeier für einen schwachen Bundespräsidenten, aber ein undemokratischer Tyrann ist er gewiss nicht. Das trifft wohl eher auf die Trump-Freunde Putin und Kim zu."
Forderung an die EU nach "besserer Regulierung"
Grünen-Chefin Franziska Brantner forderte die EU-Kommission auf, mögliche Manipulationen der öffentlichen Meinung auf der Plattform X zu überprüfen. Die Frage der Manipulation richte sich danach, ob X-Eigentümer Elon Musk die Algorithmen so eingestellt habe, "dass seine Posts zum Beispiel immer und überall auftauchen", sagte Brantner dem "Tagesspiegel". Das müsse dringend durch die EU-Kommission überprüft werden, wie es auch die CDU im Europaparlament fordere, sagte Brantner. "Auch der reichste Mann der Welt muss sich an unser Recht halten", betonte sie. "Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz haben wir auf europäischer Ebene die Möglichkeit, das anzugehen." Ursula von der Leyen sei jetzt in der Pflicht, das Gesetz konsequent anzuwenden.
Elon Musk habe "offenkundig Gefallen daran gefunden, liberale Demokratien zu destabilisieren und politisch extrem rechte Parteien und Politiker zu stärken", sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der "SZ". Er forderte eine Debatte über die Macht sozialer Plattformen. Deutschland habe nach der Naziherrschaft ein System etabliert, das die "Gleichschaltung des öffentlichen Diskurses" durch einzelne Parteien oder finanziell potente Akteure verhindern solle. Jetzt gebe es Versuche, dieses System zu zerstören.
Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth verurteilte den verbalen Angriff von Elon Musk auf Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. "Der Bundespräsident repräsentiert unser Land. Wer ihn verunglimpft, der verunglimpft Deutschland", sagte Roth "Table.Briefings". "Vielleicht sollte das mal jemand Herrn Musk sagen: Hier einerseits Geld verdienen zu wollen und andererseits keinen Respekt vor dem Land und seinen Repräsentanten zu zeigen, das passt nicht zusammen." Roth sprach sich auch für eine "bessere Regulierung" der Medien aus. "Wir brauchen starke europäische Mediengesetze, die die Funktionsfähigkeit einer demokratischen Öffentlichkeit sicherstellen. Gerade auch weil die sogenannten Plattformen keine Plattformen für fremde Meinungen alleine sind, sondern massiv eigene Meinungen verbreiten."
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht in Musks Angriff auf Steinmeier einen "fundamentalen Angriff auf die deutsche Demokratie". Dieser Angriff auf das deutsche Staatsoberhaupt sei "keine Kleinigkeit, die sich versendet", sagte Thierse im "Tagesspiegel". "Herr Musk ist keine Privatperson. Er besitzt als reichster Mann der Welt, als Medienunternehmer und als Mitglied des engsten Zirkels von Donald Trump eine enorme Macht. Er nutzt diese Macht, um die deutsche Demokratie zu zersetzen." Deutschland habe es in diesem Wahlkampf mit einer "doppelten Einflussnahme" zu tun, sagte Thierse: "auf geheime und verborgene Weise durch Putins Russland und öffentlich und offen durch Elon Musk".
Meinungsforscher gibt Einschätzung
Die offene Unterstützung von Musk für die AfD wird nach Ansicht von Roland Abold, dem Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, die politische Ausgangslage vor der Bundestagswahl nicht grundsätzlich verändern. "Ich rechne mit einem überschaubaren Gesamteffekt", sagte er dem "Tagesspiegel".
Mit Verweis auf den aktuellen Umfragewert von 19 Prozent für die in Teilen rechtsradikale Partei und einem "Maximalwert" von 25, der zuletzt bei einer Befragung zur grundsätzlichen Wählbarkeit der AfD erhoben worden sei, sagte Abold, "dass das Potenzial damit relativ weit ausgeschöpft ist". Er halte es daher beispielsweise "für ausgeschlossen, dass die AfD bei der Bundestagswahl stärkste Partei werden kann".
Gerade bei Männern mittleren Alters, die sich um die wirtschaftliche Entwicklung sorgten und Musk besonders schätzten, sei die AfD schon jetzt überdurchschnittlich stark, so Abold: "Neue Wählerschichten dürfte die AfD mit ihm aber kaum ansprechen können." Auch in Bezug auf ihre ökonomischen Pläne, mit denen die Partei bei den Wählerinnen und Wählern "die größten Probleme" habe, werde "die Unterstützung von Musk allein nicht reichen, um diese Einschätzung zur Wirtschaftskompetenz der AfD grundlegend zu verändern".
Der US-Unternehmer Musk, der auf X mehr als 200 Millionen Follower hat, ist ein Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump.
- thehill.com: Musk urges release of far-right UK figure; blasts PM Starmer (englisch)
- x.com: Elon Musk
- table.media: Claudia Roth rügt Elon Musk: "Das ist brandgefährlich für demokratische Gesellschaftsformen"
- tagesspiegel.de: Trotz Elon Musks Hilfe sieht Infratest-Chef Potenzial fast ausgeschöpft
- Vorabmeldung des "Tagesspiegel": Thierse wirft Musk "fundamentalen Angriff auf die deutsche Demokratie" vor – Ex-Bundestagspräsident: Musk will deutsche Demokratie zersetzen – Vorsitzender des CDU-Sozialflügels bezeichnet Musk als "politischen Brandstifter"
- spiegel.de: Mützenich wirft Musk gravierende Grenzüberschreitung vor
- Vorabmeldung der "Süddeutschen Zeitung": Bundesinnenministerin Faeser kritisiert Beschimpfung des Bundespräsidenten durch Elon Musk
- Mit Material der Nachrichtenagenturen afp und dpa